Helmut A. Gansterer

Helmut A. Gansterer Ratschlag und Ratschläger

Ratschlag und Ratschläger

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„Zieh viele darüber zurate, was du tun sollst, aber teile nur wenigen mit, was du ausführen wirst“ Niccolò Machiavelli

Es ist erlaubt, über die Arbeit eines nahen Kollegen entzückt zu sein. Aber darf man darüber auch schreiben, trotz logischer Befangenheit? Ich glaube, ja. Erstens – Ratschlag Nr. 1 – soll man nicht dauernd fragen, was man darf. So, als genüge der unbestechliche Schiedsrichter namens Gewissen nicht, der in jedem schlummert. Zweitens – Ratschlag Nr. 2 – sollten junge Journalisten den Begriff Un­befangenheit, der in jeder Medienschulung angebetet wird, vergessen. Gerade wer recherchiert, fällt in eine Befangenheit, je fleißiger, desto tiefer. Am Beispiel der Porträts: ­Einer, der nichts weiß von der Person, die er beschreibt, kann sie vergöttern oder vernichten. Nur der Kundige, also Befan­gene kann sich einer korrekten, abgewogenen Darstellung nähern.

Ich will diese Aspekte nicht zerreden, nur als Begründung anführen, warum ich mir erlaube, die Titelgeschichte „Die neuen Gurus“ meines Kollegen Sebastian Hofer (siehe profil 8/2012) vor den Vorhang zu holen. Sie hat viele Vorzüge. Zunächst wirft sie ein neues Thema auf. In Hofers Worten: „Auf der Suche nach Sinn, Ordnung und Erfolg vertrauen immer mehr Menschen auf professionelle Welterklärer. Zwischen gutem Rat und echtem Humbug verläuft ein schmaler Grat.“

Die Aufklärung im profil erfolgt mustergültig, mit einer frei geschriebenen Vogelschau des Phänomens und dann einem Guru-Ranking, das inhaltlich und grafisch liebevoll ausgearbeitet ist. Es wertet Faktoren wie Esoterik (Symbol: Yin & Yang), Banalitätsquote (genial-entspanntes Symbol: die halb geschälte Banane), Erkenntnisqualität (Symbol: Glühbirne) und Glückskoeffizient (Symbol: Kleeblatt) von null bis zehn. Eine Smiley-Ikone wertet am Ende, ob der Guru als Gut, Böse oder Jenseitig zu sehen ist.

Am Beispiel von Paulo Coelho, der 100 Millionen Bücher verkaufte und mit seinem Superseller „Der Alchimist“ 410 Wochen die „Spiegel“-Bestsellerliste besetzte, sieht das Sebastian-Hofer-Urteil so aus: zehnmal Esoterik, zehnmal ­Banalität, eine Glühbirne für Erkenntnisqualität, drei Kleeblätter für Glücksvermittlung und ein bleicher Smiley für „Jenseitig“.

Humorlose Intellektuelle verachten alle Rankings, lesen sie aber so begierig wie jedweder. Rankings sind ein Teil unserer Kultur, und nicht der übelste. Dort, wo sie nicht objektiv auf Zahlen ruhen wie Ligatabellen im Fußball, bescheren sie eine erfrischende Subjektivität. Diese lässt Raum für Amüsement und Erregung. So auch Hofers Ranking der Gurus.

Da mein Charakter sich wesentlich in Schadenfreude und Bosheit erschöpft, fand ich jede Guru-Abwertung köstlich. Zugleich aber zerrten die Kräfte der Befangenheit an mir. Jene Gurus, die ich persönlich kenne, hätte ich dramatisch besser eingestuft. Dazu drei Beispiele.

Beispiel 1: Fredmund Malik. Er machte Fehler wie jeder, der viel macht und viel will. Er ist Österreichs wirkmächtigster Geistesexport in die Schweiz via St. Gallen. Er war einst als Einziger sachbezogen geblieben, als die Management­theorien anfingen, ins Esoterische auszufransen. Jung­managern empfehle ich noch vor Maliks Standardwerken seine schmale „FAZ“-Edition „Gefährliche Management­wörter“ – ein prächtig formulierter Schnellkurs zur Vermeidung von Sackgassen. Maliks Marketingtalent und sein fein geschnittener Kopf verführen zum Verdacht der Eitelkeit. Als Alpinist (für ihn der ideale Sport für Führungskräfte, die Abstand suchen) fühlt er sich frei davon. Die papierdünne ­Piaget-Armbanduhr verbirgt er zur Hälfte unter der Hemdmanschette.

Beispiel 2: Ulrich Strunz. Hat selbst dazu beigetragen, für viele a man you love to hate zu sein, als selbstbewusste „Rampensau“ (Fachjargon für Bühnentalent), gerne vorfahrend im Mercedes-S, um den Zusammenhang von Fitness und ­Erfolg zu zeigen. Gemessen an der neuen Lebenslust vieler Führungskräfte, die an seinen „Leichtlauf“ und seine Ernährungsgesetze glaubten, steht er per saldo gut da.

Beispiel 3: Andreas Salcher. Er ist ein echt Engagierter der guten Art, zugleich ein Rarer, der sich selbst eine Pause verordnete, als sein Ehrgeiz der Gesundheit gefährlich wurde. Schon vorher fiel auf, dass er als Bestsellerautor seine Konkurrenten begeistert lobte. Er übertraf damit alle Künstler. Bis heute gilt die Faustregel: Du kannst eher in das Gesicht einer Blonden eine Rothaarige loben als in das Gesicht ­eines Künstlers einen anderen Künstler.

Mein Resümee zu den Gurus, die Sebastian Hofer ana­lysierte: Gut, dass es sie gibt. Dies gilt für jeden Einzelnen. Wer immer einen Funken in eine verglimmende Existenz schlägt, sollte geschätzt werden. Woher ein neuer Lebensmut kommt, muss egal sein. Zumal es eine Theorie gibt, dass selbst Zyniker im Verlauf ihrer Ratschläge irgendwann an diese selbst glauben und in eine Anständigkeit erlöst werden.

Die Wissenden nehmen die so genannten Gurus als Quelle der Bestätigung oder der Heiterkeit. Erschlagen wurde von den Ratschlägern noch keiner. Dafür sind die Pessimisten und Schwarzmaler da.

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