Helmut A. Gansterer

Helmut A. Gansterer Sonne und Mond

Sonne und Mond

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„Ich kenne alles, nur mich selber nicht“
François Villon

Darf ich was sagen, auch wenn es leichtfertig klingt? Also: Es ist klug, heiter durchs Leben zu gehen. Jedenfalls klüger, als sich dem Kondukt der Klageweiber beider Geschlechter anzuschließen. Man friert weniger, wenn man neben den Schatten auch die Sonne sieht. Und auf den Spielausgang hat es keinen Einfluss. Soweit wir wissen, stirbt der Heitere nicht früher als der Querulant.

Die Einrede, man könne sich nicht aussuchen, ob man zu den weißen Kerzen zähle, die leuchten, oder zu den schwarzen Kerzen, die Finsternis erzeugen, ist zum Teil ­berechtigt. Dem vor sechs Jahren verwichenen Freund DDr. Günther Nenning fielen die intellektuellen und körperlichen Bocksprünge bis ins hohe Alter leicht, „weil ich eine warme Kindheit gehabt habe, die für zwei Leben reicht“. Umgekehrt können Unglückliche, die schon in der Wurzel erfroren, oft lebenslänglich nicht lachen.

Für die meisten aber gilt: Sie dürfen selbst entscheiden. Ab dem Moment, da sie das Wort „Wille“ begriffen haben, haben sie auch die freie Wahl, ob sie das Helle oder Düstere vorziehen; ob sie ihre Tage wie Frühlingsbilder von Renoir betreten oder wie Kohlezeichnungen von Goya und Kubin.

Wäre interessant zu wissen, wie viele Österreicher wohin tendieren. Wir wissen es aber nicht. Hier ist eine Kritik an den Marktforschern angebracht. Sie fällt mir nicht leicht. Manche kenne ich schon lang und persönlich. Mit Bewunderung verfolgte ich, wie sie einst aus Kaffeesud und Hexengemurmel aufstiegen in die Liga der soliden Wissenschaften. Heute sind sie präzise und mathematisch unangreifbar.

Leider sind sie thematisch fad geworden, weil wesentlich ausgelastet mit diskreten Wirtschaftsumfragen. Und mit Politik-Barometern, die ich schätze, aber nicht wirklich brauche. Bei jeder Heimkehr sagt mir der Himmel über dem Airport Schwechat, was los ist. Nämlich politisch nichts Neues.

Der indianische Instinkt bewährt sich auch in höherem Leid. Schwarze Vögel über dem Alberner Hafen kündeten immer vom Tod eines großen, nahen Künstlers. Unvergesslich, wie Kunstmäzen Helmut Zoidl und ich vom Tod Wolfgang Bauers (2005) und dann Adolf Frohners (2007) in Schwechat erfuhren. Beide Künstler hatten jeweils zuvor in Zoidls Kunst-Schloss Gabelhofen Hauptrollen gespielt. Bauer als glänzender Vorleser seiner San-Francisco-Geschichten. Frohner nicht nur als Maler, sondern auch als Weiser vom Berg und bester Botschafter Österreichs. „Mit einem eitlen Lüpertz“, sagten begeisterte deutsche Hotelgäste in der Schlossbar, „könnte man nie so nah und so verständlich sprechen wie mit Professor Frohner. So sind uns seine Werke noch wertvoller geworden.“

Zuletzt die schwarzen Vögel über dem Alberner Hafen, betreffend Franz Ringel und Walter Pichler. Hier wäre via Marktforschung interessant, von welchen Österreichern die neuen Lücken als klaffende Wunde empfunden werden. Man würde auch dies gern genau wissen, nicht nur die Akzeptanz von Bio-Brotaufstrich und wie viel Prozent der Österreicher sich an wie viel Prozent der Minister seit dem Millennium erinnern können. Ich würde gern, aus Stichproben interpoliert und hochgerechnet, eine Vermutung bestätigt finden: dass Österreich auf eine kluge, schweigende, sensible Mehrheit bauen kann, so wie Venedig auf die Unterwasserholzpfähle, die es seit Jahrhunderten tragen.

Diese Vermutung wird jeder lächerlich finden, der sich nur an den Lautstarken in den Wirtshäusern orientiert. Man ist leicht versucht, alle, die etwas sagen, mit jenen zu verwechseln, die alles zu sagen haben. Feinsinnige Wirte kennen die Wahrheit. Sie leiden unsäglich darunter, dass die Depperten schreien wie am Spieß und die klugen Gäste schweigen. Sie schweigen oft mit Wohlbehagen. Denn so kriegen sie um den kleinen Preis von 2,70 Euro für einen DAC-Veltliner und 9 Euro für ein Fiakergulasch das Gefühl, zur Denkelite zu zählen. Dem Noblen genügt es, Recht zu haben. Er muss nicht Recht bekommen. Er genießt und schweigt.

Moralisch ist dies grenzwertig. Ich versteh diese Damen und Herren aber. Oft erhob sich einer elegant zur Beisl-Bergpredigt. Binnen einer Minute war er zur Talpredigt eingeebnet. Ich selbst bin nur knapp dem Tod entronnen. Ich zitierte Rupert Riedl, den ich als Nachfolger von Nobelpreisträger Konrad Lorenz liebte (und dessen Bücher im Riedl-Sound ich empfehle, zum Wohl seiner Erbinnen): „Unser Unglück begann, als wir aufhörten, die Dummen zu schlachten.“

Die Verbesserung der Politik und Gesundung der Traditionsmedien schaffen wir in sechs Monaten in wenigen Schritten. Hier die maßgebliche profil-Anleitung. Schritt 1: Tagesblätter, ORF, Lokalblätter und Magazine vernichten weiterhin alle korrekt zu Vernichtenden, loben aber aufmerksam auch das Gute. Ziel: Motivation der alten Engel und Zuflug von neuen. Schritt 2, publizistisch wichtig: Die talentiertesten Volontäre aufs Positive ansetzen. Das Gute muss dreimal so gut geschrieben sein wie das Negative, damit es genauso gern gelesen wird. Schritt 3: Nicht aufhören, wenn depperte Freunde im Wirtshaus sagen, nur Vernichtung sei tapfer. Oft ist das Gegenteil mutiger. Schritt 4: Zurückkehrende Inserenten, die Sehnsucht nach korrektem und professionellem Umfeld haben, das positiv auf ihre Produkte abstrahlt, willkommen heißen. Schritt 4: Das neue Geld nicht den Gesellschaftern geben, sondern volley in die Ausbildung stecken. Erste, dann freilich fette Dividende: 2015.

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