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Helmut A. Gansterer Zurück, Chinese!

Zurück, Chinese!

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"Wenn du dich weiterentwickelst, bleibst du dir treu“ Chinesischer Wahrspruch

Mit mehr Glück als Verstand kam ich 1979 nach Tibet, in der ersten Besuchergruppe nach 20-jähriger hermetischer Abriegelung des Landes. Die Vertreter der chinesischen Besatzungsmacht, die man in Tibets Hauptstadt Lhasa kennen lernte, wirkten orientierungslos, verwirrt, inferior. Ihr grobes Gebell klang wie Unsicherheit. Nach drei Tagen sagte ich zu Mitreisenden: "Aus diesen Tiefland-Chinesen wird nie etwas.“ Es war mir nicht vergönnt, diese schwachsinnige Einschätzung zu vergessen. Beklommen erlebte ich auf weiteren Asien-Reisen, wie der Drache sein Haupt hob. Bald war der neue Supermachtstatus daran zu erkennen, dass keiner mehr fragte, welches "China“ gemeint sei. Früher unterschied man zwischen Mainland China oder Volksrepublik China oder Rotchina einerseits und dem westlich orientierten, abgespalteten Nationalchina anderseits, früher Formosa und heute Taiwan genannt. Das ist vorbei. Wer China sagt, meint das große Festland, nicht die Insel; meint Peking und Schanghai, nicht Taipeh.

China krallte sich, strategisch klug, viele Rohstoffe Afrikas, produzierte und exportierte billig die im Westen gestohlenen Produktideen und Designs. Die USA in derzeitiger Verfassung können diesem Angriff kaum Widerstand leisten. Bleibt nur Europa als Bollwerk, um China als hohle Supermacht zu verhindern.

Wie soll dies geschehen? EU-ökonomisch haben wir gerade andere Sorgen. Die Lösung liegt in Europas Eleganz. Anders als in China steht bei uns der Mensch im Mittelpunkt. Verbessere ihn, und der Kontinent im Ganzen wird mit verbessert. Verbessere den Europäer zehnfach - und der Chinese kann baden gehen.

Diese Finte scheint ideal. Auch das Timing stimmt. Selbst Sloterdijk, kein unfroher Geselle, spricht von einer "Ermattung Europas“. Nie war der Europäer so schwach wie jetzt, so gebremst, so verzagt, so eingeschnorchelt, so mutlos, so scheiß drauf, so bedürftig nach Führung und so dankbar für sie, weshalb ich jetzt in die Bresche springe - als Wiedergutmachung für die dumme Prognose 1979. Und weil ich wie jeder Österreicher schon 1529 und 1683 die Türken zurückwies. Hier meine SOS-Hilfe im Kampf gegen den Drachen: erste, grobe Schulungen, um den Europäer zu entfesseln und auf zehnfache Leistung zu tunen. Die Tipps sind an keine Reihenfolge gebunden.

1.

Vergiss im Abwehrkampf das Christliche. Eine Watsch’n auf die rechte Wange wird fortan mit vielen schnellen Schlägen auf beide Augen des Gegners beantwortet. Was im Kampf gegen China heißt: Ab sofort wird zurückgestohlen und kopiert, was geht. Aber was geht eigentlich? Es gibt keine aus dem Reich der Mitte überlieferte neue Idee. Und Produkte lohnen sich nicht. Lenovo kaufte zwar die PC-Sparte von IBM, hat aber als Nachfolger noch keine kopierwürdigen Notebooks geschaffen. Und billige Elektrofahrräder aus China fackeln dir per Akku-Kurzschluss den Arsch ab. Aber: Die Chinesen haben gute alte Philosophien. Diese könnten wir stehlen, studieren und umsetzen.

2.

Beispielsweise den Einser-Hit: "Der Weg ist das Ziel.“ Europäer haben nie begriffen, dass dies eine zeitliche Anweisung ist, nicht eine geografische. Es geht um vollendeten Gegenwartssinn, um die Qualität des jetzt gesetzten Schritts. Um volle Konzentration. Europäer können das schlecht. Sie sind doppelt belastet. Erstens durch die Rucksäcke der Vergangenheitserinnerungen. Zweitens durch die Rucksäcke der Zukunftsplanungen. Lösung: abwerfen. Erinnerungen wirft man ab, indem man sie dokumentiert und dann wegschließt. Die Planung wirft man ab, indem man sie grob vereinfacht. So wird der Europäer vom Käfer zum Rennwagen.

3.

China-Formel: "Ziel nicht, lass einfach los; ES zielt für dich.“ Ein interessanter Bogenschützen-Imperativ, den viele kennen, aber noch niemand im Wiener Stadtpark ausprobierte. Holen Sie dies nach. Speziell im Business mit Asien hat sich bewährt, beide Gehirnhälften - die rationale und die emotionale - in ein gemeinsames Team einzubringen.

4.

Weitere China-Formel: "Bleib dir durch Veränderung treu“ - siehe Zitat am Anfang der Kolumne. Klingt verwirrend, wenn nicht pervers. Chinesen freuen sich, wenn Europäer das nicht verstehen. Gemeint ist: Deine Rolle in einer fortschreitenden Welt bleibt nur dann gleich groß, wenn du selbst im relativ gleich großen Maße fortschreitest. Wenn du Neues nicht aufgreifst, fällst du zurück. Eine grausame Forderung. Aber eigentlich nicht für uns Europäer. Sie wendet sich gegen die Chinesen selbst. Ein Beispiel: BMW und Bosch und ihre Belegschaften sind es gewöhnt, als Spitze voranzuschreiten, als Dudelsackbläser der Highlanders der Neuzeit. Die Chinesen aber, Lowlanders seit Jahrhunderten, haben jetzt schon ihr tapferes Volk überstrapaziert. China tritt demnächst ins sanitäre Zeitalter ein. In eine Phase der umfassenden Wundheilung, andernfalls geht ein grandioser Start ins Kapitalistische in der Asche von Bürgerkriegen unter. Womit wir mit der nächsten Prognose gedient hätten.

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