Geister-Geisterfahrer
40 Jahre alt, männlich, betrunken: So wird der durchschnittliche Geisterfahrer beschrieben, der sein Unwesen angeblich fast täglich auf Österreichs Autobahnen treibt und neben anderen Verkehrsteilnehmern die Polizei, Autofahrerklubs und die Radiostation Ö3 auf Trab hält. Die vergangene Woche veröffentlichte "Ö3-Geisterfahrerstatistik 2011 zeige auf, dass "noch nie seit Beginn der Aufzeichnungen im Jahr 1994 so wenige Geisterfahrer unterwegs waren wie 2011. Bloß 366 seien im Vorjahr gemeldet worden, während es 2010 immer noch 402 und im Rekordjahr 2005 gar 550 gewesen seien. Besonders anfällig für diese Art der Verkehrsteilnahme sei man trotz massiven Rückgangs nach wie vor in Niederösterreich (Platz eins), gefolgt von der Steiermark und Oberösterreich. Im Vorjahr sei erstmals kein Mensch bei einem von einem Geisterfahrer ausgelösten Verkehrsunfall getötet worden.
Als Grund für den Rückgang werden verbesserte straßenbauliche Maßnahmen sowie häufigere Alkoholkontrollen durch die Polizei genannt.
Beim Autofahrerklub ARBÖ hält man die Ö3-Statistik für absolut substanziell. Die Geisterfahrer-Meldungen kämen teils von der Polizei, teils von Hörern des Senders, den so genannten "Ö-3vern. Das seien an die 80.000 namentlich registrierte "Vertrauenspersonen von Ö3, die ihre Beobachtungen telefonisch meldeten. Der Sender leite die Meldung an die Polizei weiter, die sofort auf Streife gehe, die Sache überprüfe und nur nachweisliche Fälle in das Verkehrsinformationssystem "VIS eingebe. Radiostationen hätten VIS-Zugang und erhielten so gesicherte Meldungen, die sie dann senden würden. "Ö3vern sei es per Strafandrohung verboten, Falschauskünfte zu erteilen.
Dieser Darstellung erteilt man bei der Wiener Polizei eine Abfuhr: Erstens könne man sich nicht vorstellen, welche Strafe das sein solle, mit der "Ö3ver bedroht sein könnten. Zweitens gebe es gesicherte Fälle, in denen Autofahrer absichtlich falsche Geisterfahrer-Meldungen an Ö3 absetzten, um den Aufruf "Bleiben Sie bitte rechts und überholen Sie nicht zu provozieren. Grund: Der Anrufer selbst habe somit freie Fahrt. Auch die Überprüfung der Meldungen vor deren Sendung stimme nicht. Dafür sei logischerweise keine Zeit. Zehn Meldungen zu viel seien immer noch besser als eine zu wenig oder zu spät. Die gewöhnlich 20, 30 Minuten später gesendete Meldung "Die Polizei gibt Entwarnung bedeute meist nur, dass die Polizei bei ihrer Streife auf der betreffenden Strecke keinen Geisterfahrer entdeckt habe. Dabei ist unbekannt, ob der gemeldete Geisterfahrer abgefahren ist, umgedreht oder nie existiert hat. Die Ö3-Statistik sei jedenfalls keine Polizeistatistik.
Thomas Ruthner, Chef der Ö3-Verkehrsredaktion, wiederum sagt, dass nur etwa fünf Prozent der eingehenden Meldungen von "Ö3vern stammten, der Rest von der Polizei. Ruthner räumt freilich ein, dass es sich bei den von Ö3 veröffentlichten Zahlen nicht um Geisterfahrer handelt, sondern um Geisterfahrermeldungen.
Wie viele Geisterfahrer es tatsächlich gibt, ist unbekannt und nicht schätzbar. Vermutlich aber sind es nur ein kleiner Bruchteil der genannten 366. Eruierbar sind nur jene Geisterfahrer, die einen Verkehrsunfall verursacht haben: Und das waren im vergangenen Jahr ganze fünf, drei davon mit Personenschaden, keiner mit tödlichem Ausgang.
Othmar Bruckner, Amtsdirektor beim Verkehrsdienst des Innenministeriums: "Die von Ö3 genannte Statistik ist eine reine Anrufstatistik. Ö3 geht nach solchen Anrufen sofort mit der Warnung auf Sendung, und die Polizei geht umgehend auf Streife. In der Regel, zumindest in 80 Prozent der Fälle, entdecken wir dann keine Geisterfahrer. Sonst müsste es, so Bruckner, deutlich mehr Unfälle geben. Manchmal ließen sich Autofahrer in der Dunkelheit etwa in Baustellenbereichen von Scheinwerfern täuschen.
Die meisten Autofahrer, die Geisterfahrer melden, sehen also keine Geisterfahrer, sondern Geister. Und selbst das Durchschnittsporträt "40 Jahre, männlich, betrunken hält einer empirischen Betrachtung kaum stand: Der letzte leibhaftig wahrgenommene Geisterfahrer wurde vergangene Woche auf der A 2 in Kärnten gesichtet: Er war 91, stocknüchtern und dachte, er befinde sich auf einer Bundesstraße. Kein Wunder bei dem Gegenverkehr.
Die Ö3-Geisterfahrerstatistik
1. Niederösterreich 107
2. Steiermark 80
3. Oberösterreich 45
4. Tirol 39
5. Salzburg 28
6. Kärnten 26
7. Wien 17
8. Vorarlberg 16
9. Burgenland 8