Geld ist geil

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Thaddäus Podgorskis Buch „Die große Illusion“ (Erinnerungen an 50 Jahre mit dem Fernsehen) erfüllt fast alle Erwartungen. Speziell boshafte und schadenfrohe, also schlechte Menschen wie unsereins haben 206 Seiten lang eine Riesenfreude. Erstens erweist sich der Autor als großer Erzähler vom Rang eines Torberg, Schenk, Marecek. Die Geschichten und G’schichtln haben einen gesunden Zug zum Tor. Sie sind so kurz wie möglich und so lang wie nötig, die Pointen sitzen, manche werden wie eine blaue Mauritius im Hirn picken bleiben. Im Klappentext des auffällig liebevoll bebilderten Bandes, der auf teurem Papier teuer gedruckt ist (Bibliophile Edition, Wien 2005, 29,70 Euro), heißt es: „Man spricht immer von der Gefährlichkeit der Atomkraftwerke. Man sollte beizeiten die Gefährlichkeit von Fernsehstationen thematisieren. Die Störfälle häufen sich. Es ist mit fernsehaktiver Verseuchung zu rechnen.“

Diese ist längst da und keineswegs auf jene Bereiche beschränkt, die Schauspieler Podgorski als Ex-Generalintendant, Reporter und Formate-Erfinder („Zeit im Bild“, „Seinerzeit“, „Jolly Joker“, „Seitenblicke“ etc.) traditionell am meisten interessieren. Mit Recht wird zwar eine mümmelnde Polit-Berichterstattung gegeißelt, die ihre Zahnlosigkeit mit oft infantil wirkenden, schein-harten Rülpsern überdeckt, aber ein Phänomen kommt in diesem Buch überraschenderweise kaum zur Geltung. Im insgesamt geistesarmen Ozean der Programme gibt es einen speziellen Ölfleck, der in ständiger Ausdehnung begriffen und mittlerweile zur schlimmsten Umweltkatastrophe geworden ist: die Allgegenwart des Geldes.

Vielleicht fällt mir dies deshalb so unangenehm auf, weil ich in meinem Hauptberuf als Wirtschaftsjournalist ohnehin ständig von Geld-Themen umzingelt bin. Dort allerdings von relevanten: Löst der Euro den Dollar als Leitwährung ab? Sind die Einkommen gerecht verteilt? Wann ist von Armut und Reichtum die Rede? Ist Deflation gefährlicher als Inflation? Bringen die Sparer die Wirtschaft um? Alleweil, ich bekäme dergleichen für mein vieles Geld im TV. Aber mein Home-Cinema, meine fünf Fernsehgeräte, zwei Festplatten-Videorecorder, Kabel- und Sat-Anschlüsse und zwei Premiere-Abos nützen nichts. Das Thema „Geld“ kommt im Fernsehen praktisch ausnahmslos in seiner ödesten, engsten, primitivsten Form vor, kleinbürgerlich, schrebergartenhäuslich, wobei man grob drei Erscheinungsformen auseinander halten kann, eine entsetzlicher als die andere:

Geld als Glitzer einer fernen Traumwelt: Wir erleben seit den neunziger Jahren die erste Generation von Nachkriegserben, die unabhängig von Geist und Talent zu viel Geld kamen. Ich weiß da zufällig näher Bescheid: Im Auftrag des ORF produzierte ich mit Karl Hohenlohe den TV-Dreiteiler „Die Erben“. Faktum ist, dass es erstaunlich viele Dünnbrettbohrer mit Zaster und noch mehr Blondinen mit hohem arbeitslosem Einkommen gibt als früher. Das ist kein Beinbruch, nur: Muss man die alle zeigen und aufs Erbärmlichste zu Wort kommen lassen? Hunderte so genannte Gesellschaftsformate zeigen eine „High Society“, die Gott sei Dank nicht das Geringste mit der klugen, schweigenden Mehrheit dieses Volkes zu tun hat, aber offenbar von ausreichend vielen armen ORF-Gebührenzahlern als Salz der Erde bewundert wird. Geld als Traum vom eigenen, mühelosen Reichtum: Die TV-Macher müssen das Volk der TV-Seher unfassbar niedrig einstufen, ja verachten. Es gibt praktisch keine Sendung mehr, die man ohne Gewinnspiele und Verheißung größter Glücksgelder platzieren würde, wobei die Zutrittsbedingungen jeden Affen beleidigen: „Wie lautet der Spitzname von Schneckerl Prohaska?“ Besonders toll auch das relativ neue, wahrscheinlich von den Telekom-Companys erfundene Live-Ratespiel „Suche die Fehler im Doppelbild und rufe mich an! 1000 Euro warten auf den Schnellsten“. Ja, such, Lumpi, für 1000 Euro muss man normalerweise ja hart arbeiten. Erstaunlich übrigens, wie zuverlässig man für dergleichen Moderator(inn)en findet, die mit glaubwürdiger Begeisterung bis über die Knie in der Kacke stehen. Geld als Traum vom kostenlosen Leben: Sollten die TV-Sender (arte, 3sat und einige Pay-TV-Sparten wie „Discovery“ und „Classica“ ausgenommen) mit ihren zynischen, menschenverachtenden, aufs Niedrigste zielenden Tendenzen tatsächlich die heutige Zivilisation spiegeln, können wir nur um Gnade winseln. Es gäbe dann nur noch Schnäppchenjäger und Rabatteure. Schlimm genug, dass irregeleitete Werber nur noch auf Preisabschläge setzen, in besonders lächerlichen Fällen, ohne das Produkt zu nennen. „Minus 30 Prozent!“ und Permanent-Abverkäufe als einzige Produktvorteile anzupreisen ist der Tiefpunkt in der glänzenden Kreativgeschichte des Advertisings. Werbung beiseite: Sie ist Sache der Firmen und Agenturen und kostet im TV ohnehin Länge mal Breite. Aber müssen die Journalisten mit dieser Art von Werbung wetteifern? ORF-Wirtschaftssendungen könnten unglaublich tolle Themen aufgreifen. Anregungen: Warum wir Deutschland in jeder Hinsicht überholten; wie wir leise zur Nummer 7 der Welt wurden; der Siegeszug des E-Bankings ... Themen ohne Ende. Als ich aber zuletzt in eine der wichtigsten Öko-Sendungen des ORF blickte, schaltete ich nach einer Minute ab. Inoperabel. Eine Art Produktberatung à la „Stiftung Warentest“ mit leicht fasslichen Ratschlägen in der Art von „Help!“ (dort sinnvoll, hier peinliche Vormundschaft). Insgesamt entsetzlichste Provinzialität.

Wo, wird man fragen, findet man jene „Good News“, die in dieser Kolumne programmatisch versprochen wird? Man findet sie, wissenschaftlich gesagt, im Negativ-Gegenständlichen: Es kann nur noch aufwärts gehen. Wer schon liegt, kann nicht mehr fallen.