'Gendarm Polt auf großer Fahrt'

'Gendarm Polt auf großer Fahrt': Mit Erwin Steinhauer zu den Soldaten am Golan

Mit Erwin Steinhauer zu den Soldaten am Golan

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„Erfin Schtinhase“, buchstabiert der Wachsoldat an der nächtlichen Straßensperre mühsam und holt den Mann, der so ähnlich heißt, aus dem Wagen mit der Aufschrift „UN“. Irgendetwas stimmt nicht auf der Liste, die ihm irgendwer aus irgendeinem Ministerium hier heraus in die syrische Pampa geschickt hat, damit er kontrolliere, wer da in das Lager der österreichischen UN-Soldaten am Golan will. Natürlich hat der Wächter nie die „Brüder“-Trilogie gesehen, von „Der Sonne entgegen“ keinen Ton gehört, und Polt, der Gendarm aus dem Weinviertel, ist ihm völlig fremd.

Aber dass da ständig irgendwelche Zivilisten ins Österreicher-Lager wollen, die so gar nicht danach aussehen, als würden sie demnächst mit dem Gewehr auf Patrouille gehen, das hat er wohl bemerkt. Gefährlich sehen die jedenfalls nicht aus. Und deshalb darf auch Erfin Schtinhase weiterfahren. Ausgerechnet das österreichische Bundesheer ist in den vergangenen Jahren groß ins Unterhaltungsgeschäft eingestiegen, wobei der Begriff „Geschäft“ nicht ganz zutreffend ist. Denn kein einziger der vor österreichischen Blauhelmen im Ausland auftretenden Künstler hat je auch nur einen Cent bekommen. Sie wohnen in denselben Unterkünften wie die Soldaten, sie essen mit ihnen und bekommen Führungen durch das Einsatzgebiet. Das ist alles.

Dennoch ist die Liste, die der für Truppenbetreuung zuständige Oberstleutnant Helmut Gekle vorlegen kann, das Who’s who des Austro-Entertainments: Christina Stürmer und Ostbahn Kurti stehen darauf, die wie Georg Danzer, Sandra Pires und die Rounder Girls vor österreichischen Soldaten im Kosovo aufgetreten sind. DJ Ötzi, Frank Hoffmann, Andrea Händler, die Stoakogler, Tamee Harrison und sogar die Mistelbacher Stadtkapelle mit 30 Mann wurden an den Golan verfrachtet. Der rustikale Harry Prünster („Harrys liebste Hütte“) wedelte über die tief verschneiten Hänge des Mount ­Hermon, auf denen jeden Frühling die Relikte erbitterter Nahost-Kriege ausapern, und zeigte die Bilder in seiner ­Sendung. „Unser Publikum ist zwischen 18 und 60. Da ist die Programmgestaltung gar nicht so einfach“, meint Gekle, ein gemütlicher Steirer, der sein Büro in der ehemaligen Panzerkaserne in Götzendorf nahe Schwechat aufgeschlagen hat.

Erfunden haben das Ganze – wie so vieles, das mit Militär zu tun hat – die Amerikaner. Während die Nazis im Zweiten Weltkrieg strenge Propagandabeauftragte zur Aufmöbelung der Soldaten an die Front entsandten, gründete die US Army eine Agentur, die Hollywood-Größen in die Camps vermittelte. Besonders beliebt war bei den Soldaten ausgerechnet eine Deutsche, die Anti-Nazi-Ikone Marlene Dietrich. Zehn Jahre später, 1954, hauchte eine andere Blondine, Marilyn Monroe, ihr „Diamonds Are a Girl’s Best Friend“ vor 100.000 GIs in Korea ins Mikro. Der patriotische Komiker Bob Hope verbrachte 42 Jahre lang jeden Weihnachtsabend bei US-Soldaten im Ausland. James Brown und Nancy Sinatra sangen in Vietnam. Die ebenfalls nach Vietnam eingeflogene Rockröhre Suzi Quatro sollte Verwundete in einem Lazarett unterhalten, kippte aber noch vor dem ersten Song um, als sie die grässlichen Verletzungen sah. Mariah Carey trällerte im Kosovo, der bärbeißige Bruce Willis ging in den Irak. George Clooney und Julia Roberts besuchten in der Türkei stationierte US-Truppen. Kid Rock und Radprofi Lance Armstrong wagten sich gar nach Afghanistan, um die dort kämpfenden Soldaten aufzumöbeln.

Moralische Unterstützung können die 320 Österreicher im vielleicht gefährlichsten Dreiländereck der Welt – jenem zwischen Syrien, Israel und dem Libanon – ebenfalls gut gebrauchen. Ihr Job ist fast unmöglich: Sie müssen die Streitparteien auseinanderhalten, darauf achten, dass keine unerlaubten Waffen ins Grenzgebiet gebracht werden, Schmuggler aufspüren und alle Seiten bei Laune halten. Und das alles unter ständiger Lebensgefahr: Immer noch tauchen Minen auf – manche mit hebräischer, andere mit arabischer Aufschrift –, die den jungen Soldaten bei ihren Patrouillengängen zum Verhängnis werden können. Keine fünfzehn Kilometer Luftlinie entfernt, im Südlibanon, haben die Israelis vor zwei Jahren ­einen UN-Beobachtungsposten mit einer 500-Kilo-Bombe pulverisiert. Irrtümlich, wie sie behaupteten. Nicht jeder glaubt ihnen das: Der Posten lag für ihre Aufmarschpläne strategisch ungünstig. Von den drei Soldaten – darunter ein Österreicher – fand man nur noch ein paar Knochensplitter.

Fast 70 Kilometer lang ist die Linie, die die Österreicher kontrollieren müssen. Ihre Stützpunkte liegen zum Teil hoch oben im Gebirge, der höchste am Gipfel des Mount Hermon auf fast 2900 Metern. Nur alle drei Wochen kommen die Männer für ein paar Tage ins Basislager und das auch nur dann, wenn sie nicht gerade eingeschneit sind. „Es kann hier schon sehr einsam und schwer werden“, sagt General Wolfgang Jilke. Dem Österreicher, der auch in jedem Hollywood-Film einen prächtigen General abgeben würde, unterstehen alle UN-Truppen der Region. Besuche wie jenen Erwin Steinhauers hält er für einen „großen Akt der Fürsorge“.

Zweimal klatscht das dankbare Publikum Steinhauer wieder heraus. Fast eineinhalb Stunden lang hat er den Soldaten über den Wiener „Charme“, über das Züchtige an ­Tirol und das Deftige am Steirertum vorgelesen; er hat ihnen Texte von Roda-Roda, Ernst Jandl, Helmut Qualtinger und Armin Berg mitgebracht. Und am Ende hat er ihnen gesagt, dass die zwei Tage am Golan sein Bild von den österreichischen Soldaten einigermaßen geändert haben. „Die Eindrücke, die unsere Besucher mitnehmen, sind schon sehr heftig“, weiß Bataillonskommandant Armin Lehner, „die Künstler sind dann oft sehr überrascht und betroffen.“

Steinhauers Schauspielerkollege Frank Hoffmann etwa war so beeindruckt, dass er inzwischen schon fünfmal im Truppenbetreuungseinsatz war. Auch Erwin Steinhauer hat versprochen, zur Verfügung zu stehen, wenn man ihn wieder einmal braucht. Dann werden ihn vielleicht auch die syrischen Wächter an der Straßensperre schon durchwinken. Hinter einem anderen Künstler, dem Schlagzeuger der Linzer Formation Rising Girl, hatten die Syrer blanko einen ­Vertreter des Weltzionismus vermutet, erzählt Oberstleutnant Helmut Gekle. Der Drummer aus Linz hieß Simon Koschar.