Gentechnik: Bäume nach Maß

Weltweite Experimente mit Bäumen aus dem Labor

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In großen Teilen Europas werden Steinobstplantagen seit Jahren vom Sharka-Virus heimgesucht. Gegen die tückische Baumkrankheit ist zurzeit keine wirksame Behandlung bekannt. Vom Virus befallene Bäume sind unweigerlich verloren, da weder Chemie noch biologische Mittel dagegen etwas ausrichten können. Ausgehend von Südosteuropa, verbreitet sich der baumtötende Erreger langsam nordwärts. Rigorose Kontrollen konnten das Virus in Österreich bisher eindämmen, aber Schäden lassen sich dennoch nicht gänzlich verhindern.

Seit Jahren beschäftigt sich Margit Laimer da Camara Machado vom Institut für Angewandte Mikrobiologie der Wiener Universität für Bodenkultur mit der Entwicklung einer wirksamen Strategie gegen die Baumkrankheit. Mithilfe der Gentechnik ist es ihr gelungen, ein Virusgen in Marillenbäume einzubauen und die Pflanzen auf diese Weise gegen den Krankheitserreger resistent zu machen. Jetzt muss untersucht werden, ob die Virusresistenz auch genetisch stabil ist und ob sie weitervererbt wird. Zusätzlich müssen Laimer und Kollegen prüfen, ob die so genannten transgenen Bäume für Mensch und Umwelt ein Risiko darstellen. Für diese Art der Sicherheitsforschung werden diese Bäume derzeit in einem mit insektendichtem Gewebe abgedeckten Gewächshaus untersucht.

Ob es in Österreich in absehbarer Zeit Freisetzungen transgener Bäume geben wird, ist unklar. Denn die Widerstände gegen gentechnisch veränderte Pflanzen sind nach wie vor beträchtlich, ganz besonders im deutschen Sprachraum, wie ein Blick auf jene Weltkarte zeigt, welche bereits genehmigte oder praktizierte Freisetzungen von transgenen Bäumen veranschaulicht. Wie das berühmte gallische Dorf zu Cäsars Zeiten – so offenbart sich Widerstand in Form eines deutlichen weißen Flecks in Mitteleuropa.

Transgene Pappeln. Im Unterschied zu Österreich existieren jedoch in Deutschland bereits Freilandpflanzungen zum Zweck der Sicherheitsforschung. Auf einer Abraumhalde im Mansfelder Land am Ostrand des Harzgebirges stehen auf einem etwa 2500 Quadratmeter großen Areal transgene Bäumchen in Reih und Glied. Es sind junge Pappeln, denen der Forstwissenschafter Heinz Rennenberg, Professor für Forstbotanik und Baumphysiologie an der Uni Freiburg, Erbgutschnipsel aus dem Darmbakterium Escherichia coli eingebaut hat. Die fremde Gensequenz verleiht den Bäumen einen seltsamen Appetit: Sie sind scharf auf Schwermetalle, die sie aus dem Boden saugen und in ihren Blättern ansammeln.

Über Jahrhunderte schmolzen die Bewohner des Landstrichs Kupfer und Silber aus lokalen Erzen. Die an Schwermetallen reichen Gesteinsreste türmten sie zu Spitzkegelhalden auf – eine Altlast, die, wenn es nach Rennenberg geht, durch die transgenen Bäume saniert werden könnte. Im Herbst müsste man nur mit einem Laubsauger die schwermetallhältigen Blätter aufsammeln und kontrolliert (mit Abgasfilterung) verbrennen, wobei die Asche freilich Sondermüll wäre. Im russischen Jekaterinburg, wo Rennenberg eine zweite Forschungsstätte unterhält, denken russische Kollegen daran, die Schwermetalle aus den Blättern wieder zurückzugewinnen und gewinnbringend zu verwerten. Jedenfalls wäre das Ganze laut Rennenberg eine kostengünstige Methode, wobei die Böden in längstens 25 Jahren wieder sauber wären.

Diese Phytoextraktion, wie die Methode im Fachjargon heißt, versuchen Forscher rund um Walter Wenzel vom Department für Wald- und Bodenwissenschaften der Wiener Universität für Bodenkultur ohne Einsatz der Gentechnik: Denn schon bisher war bekannt, dass bestimmte Pflanzen wie etwa das Galmei-Veilchen oder das an Standorten im Burgenland wachsende Gösinger Täschelkraut schwermetallhältige Böden bevorzugen. Weil diese Pflanzen aber klein sind, suchten die Wissenschafter nach größeren „Schwermetallfressern“. In der Kärntner Gemeinde Arnoldstein wurden sie fündig. Die dort, am ehemaligen Standort der Bleiberger Berkwerksunion (BBU), wachsenden Weiden und Pappeln nehmen besonders viel Blei, Zink und Cadmium auf.

Marktpotenzial. Im Labor zogen die Forscher Setzlinge dieser Bäume. Die bisherigen Gefäß- und Freilandversuche brachten viel versprechende Ergebnisse: In den Blättern der Bäume wurden bis zu 0,4 Prozent Zink und 0,04 Prozent Cadmium nachgewiesen, das ist mehr als das Hundertfache des Normalwerts. „Wenn man annimmt, dass bereits nach dreijähriger Züchtung bis zu fünf Tonnen Blattmaterial pro Hektar und Jahr zusammenkommen, würde das bedeuten, dass pro Jahr 20 Kilogramm Zink pro Hektar aus dem Boden entfernt werden“, rechnet Wenzel vor.

Wenzel ist sich bewusst, dass diese Technik ihre Grenzen hat. Denn sehr hohe Schwermetallkonzentrationen im Boden hindern auch die toleranteste Pflanze am Wachsen, daher denkt er in erster Linie an eine Anwendung bei mäßigen, aber großflächigen Kontaminationen, wo Sanierungszeiträume von 25 bis 30 Jahren zu erwarten sind. Die produzierte Biomasse ließe sich gewinnbringend zur Energieerzeugung nutzen. Ob transgene Bäume wie die des Freiburger Forschers Rennenberg ihre Sanierungsarbeit auch auf schwer kontaminierten Böden schaffen, müssen weitere Forschungen zeigen. Das Biotechnologie-Beratungsunternehmen D. Glass Associates prophezeit der Phytosanierung aber schon heute großes Marktpotenzial.

Mittlerweile herrscht unter Pflanzengenetikern weltweit Aufbruchsstimmung. Sie schnipseln am Erbgut von dutzenden Baumarten herum und verpassen ihnen neue Eigenschaften, als gelte es, den Baum völlig neu zu erfinden. Ob Pappel, Eukalyptus, Olive oder Papaya – der Baum nach Maß drängt überall in die land- und forstwirtschaftlichen Kulturen, von Argentinien bis Australien, von Kanada bis China. Mit namentlich von der literarischen Figur Dr. Frankenstein inspirierten Schlagwörtern wie „Frankentrees“ machen die Gegner mobil – mit Bildern von einem Wald, der zwar viel mehr Holz liefert als herkömmliche Forste, in dem aber kein Vogel mehr zwitschert und nichts mehr kreucht und fleucht – ein künstlicher Garten aus dem Genlabor.

Die Forscher halten dem entgegen, dass es keineswegs darum ginge, den herkömmlichen Wald anzutasten. Ihr Ziel sei vielmehr die Zurückdrängung von Schädlingen, die Bodensanierung sowie die Aufforstung brachliegender Flächen mit Bäumen, die gentechnisch so verändert sind, dass sie einen verbesserten Rohstoff für die Zellstoff- und Papierproduktion liefern. In großem Stil geschieht dies derzeit im nördlichen China. So weit das Auge reicht, stehen dort Pappeln in Reih und Glied auf kahlem Wüstenboden. Ein Teil der Bäume wurde gentechnisch so verändert, dass die Blätter ein biologisches Abwehrmittel gegen Fressinsekten entwickeln und der Einsatz giftiger Insektizide überflüssig wird.

Wüstenvormarsch stoppen. Das vor drei Jahren gestartete Projekt San-Bei (Große Grüne Mauer) soll den Vormarsch der Wüste stoppen. Derzeit erreichen die Sandstürme mitunter schon Peking. Mit Mitteln der Gentechnik wird jetzt versucht, die Sünden der Vergangenheit ungeschehen zu machen. Großflächige Abholzungen hatten Schneisen für den Vormarsch der Wüste geschlagen. Im Zuge eines groß angelegten Aufforstungsprogramms wurden in den vergangenen Jahrzehnten mehr als sechs Millionen Hektar Land wieder mit Pappeln bepflanzt. Diese Monokulturen, geschaffen aus zehntausendfach vervielfältigten, genetisch identen Stecklingen, erwiesen sich als extrem anfällig für blattfressende und den Stamm anbohrende Insekten. Im Zusammenspiel mit Trockenheit und Sandstürmen können so leicht 50 Prozent der Bäume wieder vernichtet werden.

Gigantische Aufforstung. Im Rahmen des nun angelaufenen Großprojekts sollen bis zum Jahr 2012 insgesamt 44 Millionen Hektar, eine Fläche größer als Deutschland, mit großteils gentechnisch veränderten, so genannten Bt-Pappeln aufgeforstet werden. Chinesischen Forschern ist es gelungen, ein Schnipsel aus dem Erbgut des Bodenbakteriums Bacillus thuringiensis („Bt“) in russische Schwarzpappeln einzubauen. Die solcherart genmanipulierten Bäume sollten in ihren Blättern einen biologischen Giftstoff erzeugen, der die Schädlinge abwehrt. Zwar gebe es in China heimische Simonii-Pappeln, die auch ohne jeden gentechnischen Eingriff gegen die Schädlinge resistent sind, aber diese Bäume wachsen krumm und langsam und machen daher der Holzindustrie wenig Freude. Im Jahr 2002 gab die chinesische Forstverwaltung die Bt-Pappeln zur großflächigen Auspflanzung frei. Bisher wurden weit mehr als eine Million dieser Bäume angepflanzt.

Dietrich Ewald vom Institut für Forstgenetik und Forstpflanzenzüchtung im deutschen Waldsieversdorf arbeitet seit einem Jahrzehnt mit chinesischen Fachkollegen in der Sicherheitsforschung zusammen. „Das Bt-Toxin ist sehr gut untersucht. Es ist nur für bestimmte Insekten giftig, für Menschen aber völlig unbedenklich“, sagt Ewald, der die chinesischen Pappelplantagen erst im Vorjahr besuchte. Die Gefahr von Auskreuzungen, auf die Naturschützer häufig hinweisen, will der Experte „nicht völlig ausschließen“. Er hält sie aber „für eher unwahrscheinlich“. Ewald will auf seiner China-Reise ausschließlich weibliche Bt-Pappeln und sterile Kreuzungen gesehen haben. Die weiblichen Pappeln produzieren keinen Blütenstaub, ihre Samen sind auf dem Wüstenboden nicht keimfähig, und die sterilen Kreuzungen sind von sich aus nicht fortpflanzungsfähig. Derzeit wird weltweit am Einbau von Genen gearbeitet, die Pappeln steril machen.

Weltweit existieren derzeit etwa 40 verschiedene Arten gentechnisch veränderter Bäume. Von den mehr als 100 Freisetzungsexperimenten mit transgenen Bäumen entfielen im Jahr 2004 allein 61 Prozent auf die USA. Dort wurden im Bundesstaat Hawaii im Jahr 2002 virusresistente Papaya-Bäume zur kommerziellen Verwendung freigegeben – als weltweit erste derartige Marktzulassung im Obstbereich.

Plantagen vernichtet. In den fünfziger Jahren hatte das Papaya-Ringspot-Virus (PRSV) fast den gesamten Papaya-Bestand der Hawaii-Insel Oahu vernichtet. Die betroffenen Plantagenbesitzer standen vor dem Ruin. Weil es zu diesem Zeitpunkt keinerlei Mittel gegen die Krankheit gab, wurde der Papaya-Anbau auf die Nachbarinsel Puna verlagert, wohl in der Hoffnung, dass das Virus nicht so bald überspringen würde.

Ende der achtziger Jahre entwickelten Forscher der Universität Hawaii und des amerikanisch-schwedischen Pharmacia-Upjohn-Konzerns gemeinsam eine „Gen-Kanone“. Damit schossen sie winzige Gold- und Wolframkügelchen, an denen Erbmaterial des PRS-Virus befestigt war, in den Kern von Papaya-Zellen. 1991 gelang es ihnen, auf diese Weise eine virus-resistente Papaya-Sorte zu entwickeln. Es zeigte sich, dass das Virus-Erbgut in den Pflanzenzellen die Einnistung und Vermehrung von Viren verhindert.

Nachdem das PRS-Virus in den neunziger Jahren auch auf der Hawaii-Insel Puna mehr als die Hälfte der Papaya-Kulturen vernichtet hatte, wurde die resistente Sorte im April 1998 nach jahrlangen Tests und Behördenverfahren freigegeben. Experten versicherten, dass der Genuss der transgenen Papayas unbedenklich sei. Die transgenen Bäume waren zwar virusresistent, aber empfindlicher gegen Attacken des Schwarzflecken-Pilzes Phytophthora, sodass verstärkt Fungizide versprüht werden mussten. Jetzt arbeiten die Wissenschafter an einer transgenen Papaya-Sorte, die auch gegen den Schwarzflecken-Pilz immun ist.

Von Gerhard Hertenberger
Mitarbeit: Markus Puschenreiter