Leitartikel: Georg Hoffmann-Ostenhof

Georg Hoffmann-Ostenhof Wege aus der Sackgasse

Wege aus der Sackgasse

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Der neue Nahostkrieg hat ihm gerade noch gefehlt. ­Barack Obama übernimmt das Präsidentenamt inmitten der tiefsten Krise der Weltwirtschaft seit 80 Jahren. Er ist mit zwei von den USA geführten und denkbar unglücklich verlaufenden Kriegen – im Irak und in Afghanistan – konfrontiert. Und nun das Gemetzel in Gaza. Obama muss schnell reagieren, haben den Gazakrieg doch die USA mitzuverantworten. George W. Bush gab Israel, dem US-Verbündeten Nummer eins in Nahost, grünes Licht für diesen Waffengang.

Obama übernimmt den schwierigsten Job der Welt – ­einer Welt, die im Umbruch ist. In dieser ungewissen und gefährlichen Situation tritt er an die Spitze der amerikanischen Supermacht, die moralisch und politisch von George W. Bush gründlich heruntergewirtschaftet wurde. Ohne Zweifel hat allein Obamas Wahl bereits ein wenig des verlorenen Vertrauens der Welt in die USA wiederhergestellt. Welche Außenpolitik die neue US-Regierung betreiben wird, ist freilich erst in Grundzügen erkennbar. Ein Bruch mit dem Bush-Kurs erscheint jedoch sicher: Sowohl Obama wie auch seine Außenministerin Hillary Clinton haben der Politik der US-Alleingänge eine klare Absage erteilt. Multilaterale Politik und internationale Verträge werden wieder in ihr Recht gesetzt. Und mit der durch Bush militarisierten US-Weltpolitik wird auch Schluss sein. Bei ihrer Rede vor dem Senat vergangene Woche machte Hillary klar: Die Diplomatie werde unter Obama wieder „Avantgarde der Außenpolitik“ werden. Es solle fürderhin weniger geschossen und mehr verhandelt werden. Viel versprechend.

Eins ist jedoch seltsam: Keine der bisherigen Äußerungen Obamas lässt erkennen, dass er sich von der zentralen strategischen Konzeption der Bush-Außenpolitik verabschieden will: dem „Krieg gegen den Terror“. Das ist offenbar auch David Miliband aufgefallen. Es ist wohl kein Zufall, dass der britische Außenminister fünf Tage vor Obamas Angelobung in einem Kommentar in der Tageszeitung „Guardian“ dazu aufruft, diesen Krieg endlich abzublasen. Denn dieser seit dem 11. September 2001 zur Bush-Doktrin erhobene Schlachtruf sei ein gefährlicher Unsinn: Zunächst „ist Terrorismus eine tödliche Taktik und keine Institution oder Ideologie“, meint der Politiker. Der Krieg gegen den Terror sei jedenfalls „ein Irrtum gewesen, der mehr geschadet als genützt hat“. Nicht zuletzt, weil diese strategische Ausrichtung auch meint: Mit Terroristen redet man nicht, man muss sie jagen und vernichten.

Bush und seine Ideologen haben alle möglichen Gruppen unter dem Oberbegriff Terrorismus zusammengefasst und dann diese Schimäre zum Hauptfeind der Menschheit hochstilisiert, der angeblich so gefährlich ist, dass wesentliche zivilisatorische Errungenschaften des Westens über Bord geworfen werden müssten. Guantanamo und Abu Ghraib waren letztlich direkter Ausfluss dieses Kriegs gegen den Terror. Und erfolglos sind die Waffengänge, die unter diesem Namen geführt werden, obendrein: der Irak-Krieg – ein Flop, Afghanistan – eine Katastrophe. Und Israels martialische Palästinenserpolitik, die als Beitrag zum globalen Krieg gegen den Terror verkauft wurde, hat den Nahostkonflikt nur noch weiter weg von einer Lösung geführt. Die Islamisten haben sich radikalisiert, und sie konnten immer wieder neue Kämpfer rekrutieren. Das wird auch die Folge der jetzigen so grausamen Militäroperation Israels in Gaza sein.

Gewiss: Organisationen wie Hamas agieren mit Terror. Aber sie lassen sich nicht auf Terrorismus reduzieren. Im Unterschied zu nihilistischen Organisationen wie der Al Kaida oder der einstigen Baader-Meinhof-Gruppe RAF sind Gruppen wie die Hamas (oder auch Hisbollah) politische Bewegungen, die fest in der jeweiligen Bevölkerung verankert sind. Sie schmeißen nicht nur Bomben, verüben Selbstmordattentate oder schießen mit Raketen über die Grenze. Sie haben ein enges Netz sozialer Einrichtungen in der jeweiligen Gesellschaft geknüpft und stellen sich erfolgreich demokratischen Wahlen. Das macht sie nicht sympathischer. Aber auf sie muss anders reagiert werden als etwa auf die Truppe von Bin Laden.

Obama und Frau Clinton haben in ihren Wahlkämpfen nicht mit Sympathieerklärungen für Israel gegeizt. Aber das heißt nicht, dass sie sich wie die US-Vorgängerregierung mit jedem noch so desaströsen militärischen Abenteuer Jerusalems solidarisieren werden. Die außenpolitische Crew ­Obamas ist eine Ansammlung von pragmatischen Realisten. Es ist anzunehmen, dass sie wissen: Organisationen wie die Hamas kann man zwar militärisch schwächen, besiegen aber nicht, ein Nahostfrieden ist ohne Hamas nicht zu haben – so wie auch der irische Frieden nicht zustande gekommen wäre, hätte man sich geweigert, mit den IRA-Terroristen zu verhandeln.

Man kann zuversichtlich sein: Der idealistische Realist Obama wird dem Rat des britischen Außenministers Miliband folgen und aus der ideologischen Sackgasse des Kriegs gegen den Terror herausfinden.

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