'Geschüttelt, aber ungerührt'

Simbabwe. Mugabe will nicht aufgeben

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Die Bierflaschen leeren sich schnell am Tresen von Chillers Sports Bar in Simbabwes Hauptstadt Harare, aus den Boxen der Stereoanlage dröhnt der aktuelle Hit des Sängers Paul Madzore: „Saddam wurde bereits aufgehängt, als nächster ist Mugabe dran“, lautet eine Textzeile. Gerade hat das Staatsfernsehen die Resultate der Parlamentswahl durchgegeben: Zum ersten Mal in der Geschichte des Landes, das seit 28 Jahren autokratisch von Robert Mugabe und seiner Partei Zanu/PF regiert wird, verfügt die Opposition über eine knappe Mehrheit im Abgeordnetenhaus. Noch dazu konnte sich der mittlerweile 84-jährige Staatschef auch bei den gleichzeitig stattfindenden Präsidentschaftswahlen nicht durchsetzen und muss in die Stichwahl gegen Oppositionsführer Morgan Tsvangirai gehen.

Eigentlich ist all das eine Sensation – und trotzdem kommt in der Chillers Sports Bar keine ausgelassene Siegesfeier in Gang. „Der Alte wird sich mit allen Tricks an die Macht klammern. Verwundet wird er sogar noch gefährlicher“, fürchtet Oppositionsanhänger Parangeta Garikai, bevor er mit den Zähnen noch eine Flasche Lion-Bier öffnet. Die Skepsis der Menschen hier ist verständlich: Nach fast drei Jahrzehnten Dauerherrschaft, mehreren manipulierten Wahlen, ständigem Polizei- und Propagandaterror haben sie jedes Vertrauen und alle Zuversicht verloren. Dass Mugabe freiwillig abtritt, ist für sie ungefähr so wahrscheinlich, als würde der Sambesi-Fluss plötzlich die Viktoria-Fälle aufwärtsfließen. Dabei sollte ihm das Ergebnis eigentlich ein deutlicher Auftrag sein. Hilflos musste der Präsident mitansehen, wie er Wahlkreis um Wahlkreis verlor, ohne dass seine Getreuen etwas dagegen ausrichten konnten – ein untrügliches Zeichen für den Machtzerfall, sagt John Makumbe, ­Politologe an der Simbabwe-Universität: „Der Greis hat offensichtlich nicht mehr alle Fäden in der Hand.“

Der Mann, der seine politische Karriere vor fast drei Jahrzehnten als Lichtgestalt antrat, ist gänzlich zur Hassfigur geworden. Rückblende: Am 17. April 1980 hält Robert Mugabe im Rufaro-Stadion von ­Salisbury, der Hauptstadt von Rhodesien, eine Rede, die in die Annalen des Landes eingehen wird. Der neue Premierminister wendet sich an die Weißen, die das Land zuvor fast hundert Jahre lang regiert haben; von denen er als Unabhängigkeitskämpfer zehn Jahre lang ins Gefängnis gesperrt wurde; denen er nach einem blutigen Guerillakrieg die Macht abgerungen hat.

Ungerecht. Was er sagt, weist ihn als Demokraten von Format aus: „Gestern habe ich euch bekämpft. Heute seid ihr ein Freund und Verbündeter geworden, mit dem gleichen nationalen Interesse, der gleichen Loyalität, den gleichen Rechten und Pflichten wie ich.“ Tags darauf heißt Rhodesien Simbabwe, Salisbury wird in Harare umbenannt. Im Land herrscht noch immer die im kolonialen Afrika zum Normalzustand gewordene Ungerechtigkeit. 4500 Weiße ­besitzen fast 40 Prozent des Bodens, Schwarze lediglich vier Prozent. Mugabe erkennt diese ungleiche Verteilung vorerst an. Die neue Verfassung garantiert den Farmern, dass sie zehn Jahre lang weder enteignet noch zum Verkauf gezwungen werden können. Hochoffiziell kauft die Regierung in den folgenden Jahren 2,6 Millionen Hektar Grund von weißen Siedlern zurück und siedelt 52.000 einheimische Familien dort an. Das westliche Ausland ist höchst angetan, Mugabe gilt als Hoffnungsträger für den ganzen Kontinent.

1987 würdigt ihn der deutsche Bundes­präsident Richard von Weizsäcker anlässlich eines Staatsbesuchs als „klugen, besonnenen Politiker“. 1994 verleiht ihm Queen Elisabeth II. den Most Honourable Order of the Bath, eine der wichtigsten Auszeichnungen der britischen Krone. Was niemand bemerkt oder bemerken will: Die Landreform funktioniert nicht. Zu viel Grund und Boden wird an Familien vergeben, die keine Erfahrung mit Landwirtschaft haben. Und Mugabe hat seinen vormaligen Unterdrückern tief im Herzen niemals verziehen. Während er vom Westen hofiert wird, macht Mugabe längst Stimmung gegen die Weißen. Schon 1985 sagt er bei einer Ansprache einen Satz in seiner Muttersprache Shona: „Wir werden die Schlangen unter uns töten.“ Gemeint sind die europäischen Farmer, denen er wenige Augenblicke zuvor auf Englisch partnerschaftliche Zusammenarbeit versprochen hat.

Bis Mitte der neunziger Jahre verlaufen wirtschaftlicher Niedergang und Radikalisierung schleichend. Dann gerät die Situation außer Kontrolle. 1997 wollen die Veteranen des Unabhängigkeitskriegs, eine mächtige Lobby, Geld sehen. Sie zwingen den Präsidenten, umgerechnet 350 Millionen Dollar für ihr Wohlbefinden lockerzumachen. Die Zentralbank muss große Mengen Geld drucken, die Währung verfällt, die Wirtschaft bricht ein. Gleichzeitig beginnt der Staat mit der brutalen Enteignung der weißen Farmer und der Verteilung ihrer Betriebe an Günstlinge der Regierung, was wiederum den Niedergang der Landwirtschaft beschleunigt. Mugabe verliert rasant an Zustimmung in der Bevölkerung und klammert sich umso verbissener an die Macht: mit Einschüchterung durch Gewalt und manipulierten Wahlen, wie EU und USA mehrfach konstatieren. Heute liegt die Inflation in Simbabwe bei 100.000 Prozent. Die Lebenserwartung hat sich seit 1980 halbiert, Frauen sterben mit durchschnittlich 34, Männer mit 37 Jahren. Ärzte und Lehrer geben auf, weil sie längst nicht mehr bezahlt werden. Die Weltbank schätzt, dass mehr als ein Drittel der Bevölkerung hungert.

Ungeliebt. Am 18. April 2007, exakt 27 Jahre nach seiner legendären Rede, will Mugabe zum Unabhängigkeitstag wieder im Rufero-Stadion sprechen. Damit überhaupt jemand zuhört, müssen Polizisten Zuhörer in das Bauwerk prügeln. Inzwischen dürften ihm sogar Teile des Sicherheitsapparats, der ihm bislang noch jede Wahl retten konnte, die Gefolgschaft aufgekündigt haben. Anders ist es kaum zu erklären, dass Mugabe diesmal verloren hat. Wenn er immer noch auf treue Gefolgsleute zählen kann, dann vor allem deshalb, weil viele von ihnen Blut an den Händen haben und befürchten müssen, vor dem UN-Kriegsverbrechertribunal oder anderswo hinter Gittern zu landen. Er selbst wird für den Tod von 20.000 Menschen verantwortlich gemacht. Der Präsident werde keineswegs abtreten, schwört Regierungssprecher Bright Matonga bereits: „Vielmehr wird Robert Mugabe bis zum Ende weiterkämpfen.“ Was das bedeutet, darüber gibt es für Politologen Makumbe keinen Zweifel: „Mehr Gewalt, mehr Folter und mehr Leiden.“

Auch deshalb wollen die Gäste in der Chillers Sports Bar nicht so recht feiern. „Wir sind auf alles gefasst“, sagt ein junger Mann mit Rastafrisur und tut so, als würde er aus seinen Fingern Schüsse abfeuern. „Wenn wir Waffen hätten, würden wir auch so für unsere Freiheit kämpfen.“ Vielleicht müssen sie das so oder so: Inzwischen haben regimetreue Polizisten mit Razzien bei der Opposition begonnen. Und die spricht bereits davon, dass die Regierung einen Krieg gegen sie vorbereitet.

Von Johannes Dieterich/Harare und Martin Staudinger