Buwog: Wer zahlte die Millionenprovisionen?

Geteiltes Leid

Raiffeisen Oberöterreich bestreitet Zahlungen

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Der Standort bestimmt den Standpunkt. Vor fünf Jahren saßen sie alle in einem Boot – heute stehen sie an ­gegenüberliegenden Ufern: Michael Ramp­recht, ehemaliger Kabinettsmitarbeiter im Finanzministerium, erhebt schwere Vorwürfe in Zusammenhang mit der Privatisierung der Bundeswohngesellschaften 2004; Ramp­rechts früherer Chef Karl-Heinz Grasser und dessen Spezi Ernst Karl Plech wollen von Unregelmäßigkeiten partout nichts wissen; die Lobbyisten Peter Hochegger und Walter Meischberger haben 9,6 Millionen Euro an Provisionen kassiert und verlieren sich heute in widersprüchlichen Erklärungen; Karl Petrikovics, früherer Chef der Immofinanz und damit einer der Nutznießer des Deals, hat die Provisionen zwar bezahlt, will dafür aber jetzt nicht länger alleine geradestehen.

Wie profil am Donnerstag der vergangenen Woche online berichtete, belastet Petrikovics in einer mit 2. Oktober 2009 datierten „Stellungnahme“ an die Staatsanwaltschaft Wien die damaligen Buwog-Konsortialpartner rund um die Raiffeisenlandesbank (RLB) Oberösterreich. Demnach soll die RLB entgegen bisherigen Beteuerungen die Hälfte des Honorars für die Lobbyisten getragen haben – also 4,8 Millionen Euro. Petrikovics im Wortlaut: „Da die Immofinanz-Gruppe Teil eines Konsortiums war, wurde wirtschaftlich nur die Hälfte des Erfolgs­honorars getragen. Mir war bekannt, dass Dr. Hochegger auch mit der RLB Oberösterreich im Gespräch war. Die Hälfte der Provision wurde vom Restkonsortium um die RLB Oberösterreich der Immofinanz-Gruppe insofern refundiert, als bei dem Weiterverkauf der von der RLB Oberösterreich indirekt gehaltenen Anteile an der ESG Wohnungsgesellschaft Villach im Jahre 2005 der Hälfteanteil des Erfolgshonorars vom errechneten Kaufpreis abgezogen wurde. Ich erinnere mich daran, dass es über diese Kaufpreisermittlung Aufzeichnungen gab, die sich im ­Besitze der Immofinanz AG oder bei den von der Staatsanwaltschaft bereits beschlagnahmten Unterlagen befinden müssten.“
Den Geschäftsfall hat es tatsächlich gegeben. Die ESG war als Teil des 961 Millionen Euro schweren Buwog-Pakets 2004 zu annähernd gleichen Teilen von Immofinanz und Raiffeisen übernommen worden. Aufseiten der Linzer waren damals auch Wiener Städtische, Oberösterreichische Versicherung und Hypo Oberösterreich engagiert. Ein Jahr später griff die Immofinanz die ESG zur Gänze auf. Laut Petrikovics wurde dabei die Hälfte der Provisionen, besagte 4,8 Millionen Euro, gegengerechnet.

Gegenrechnung. Peter Hochegger hält sich, darauf angesprochen, bedeckt. Über seinen Rechtsanwalt Gerald Ganzger lässt der Lobbyist ausrichten: „Dr. Hochegger kann leider aufgrund ihn bindender vertraglicher Verschwiegenheitsverpflichtungen dazu öffentlich nicht Stellung nehmen.“
Ein Dementi klingt anders. Etwa so wie das von Raiffeisen Oberösterreich: „Die Aussagen entbehren jeglicher Grundlage. Wir waren an diesen Provisionen in keinster Weise beteiligt.“ Und: Es habe in der Frühphase der Privatisierung lediglich einmal telefonischen Kontakt zu Peter Hochegger gegeben. „Er hat damals ein sehr allgemein gehaltenes Angebot unterbreitet, dem wir allerdings nicht nähergetreten sind, weil wir das nicht gebraucht haben.“
Laut RLB wurde die ESG 2005 „auf Basis eines um acht Millionen Euro höheren Gesamtpreises an die Immofinanz verkauft“. Damit stünde eindeutig fest, dass hier von einer „Provisionsrefundierung durch einen niedrigeren Kaufpreis absolut keine Rede sein kann“. Die früheren Partner wollen Gegenspieler Petrikovics jetzt wegen „Verleumdung“ vor Gericht ­zerren.

Im Eifer des Gefechts werden indes neue Fronten eröffnet. Wohl unbeabsichtigt nennt man plötzlich Zahlen aus der Transaktion, die staunen machen. Tatsache ist, dass die ESG im Rahmen der Privatisierung 2004 auf exakt 104,4 Millionen Euro (ohne Einrechnung bestehender Forderungen) taxiert worden war. Glaubt man Raiffeisen, dann wurde die Villacher Gesellschaft 2005 auf Basis einer Gesamtbewertung von 112,4 Millionen Euro an die Immofinanz übergeben – ergibt einen Zuwachs von acht Millionen Euro oder annähernd acht Prozent.

Wertewandel. Glaubt man aber Petrikovics, dann muss die gesamte ESG zu diesem Zeitpunkt sogar 117,2 Millionen Euro wert gewesen sein – ergibt eine Steigerung von 12,8 Millionen Euro oder fast elf Prozent. Weil aber eben die Hälfte der Lobbyisten-Provisionen seiner Darstellung zufolge die Raiffeisen-Seite schulterte, verringerte sich der Transaktionswert auf schließlich 112,4 Millionen Euro.
So oder so: Die früheren Partner im ­Buwog-Konsortium bewerteten die ESG viel höher, als es Karl-Heinz Grasser getan hatte. Anders lässt sich eine derart starke Wertsteigerung in so kurzer Zeit nicht erklären.
Grasser hatte stets betont, den „bestmöglichen Preis“ für die Bundeswohngesellschaften erzielt zu haben. Nicht nur die Grünen und der Rechnungshof sehen das bis heute anders.
Grundlage der Buwog-Privatisierung war ein umstrittenes Gutachten der Beratungsgruppe KPMG. 2007 unterzog der Rechnungshof den Deal einer Prüfung und zerpflückte dabei auch die KPMG-Expertise. So seien etwa „mögliche Erlössteigerungen durch den Verkauf von Wohnungen“ außer Acht gelassen und „unbebaute Grundstücke bloß mit ihren Buchwerten abzüglich eines Abschlages … von bis zu 45 Prozent“ angesetzt worden.
Laut Rechnungshof soll die KPMG-Bewertung, auf welche Grasser sich fortwährend ausredet, „sehr konservativ“ gewesen sein. Mit anderen Worten: Die vier Bundeswohngesellschaften Buwog, ESG Villach, EBS Linz und WAG könnten verschleudert worden sein.
Bereits Ende 2007 hatte profil mit Hinweis auf interne Berechnungen der Immo­finanz berichtet, dass sich der Wert von ­Buwog und ESG auf wundersame Weise ­verdreifacht hatte (Nr. 51/07). „Wirtschaftlich war der Verkauf der Buwog und des Hälfteanteils an der ESG ein großer Erfolg für die Anleger der Immofinanz“, schreibt Karl Petrikovics in seiner Stellungnahme an die Justiz. Nun stand die Immofinanz zwar stets im Ruf, den eigenen Immobilienbestand durchaus großzügig zu bewerten. Das allein erklärt die fabelhaften Zugewinne aber nicht.
Die Grünen haben in diesem Zusammenhang jüngst eine parlamentarische Anfrage an die Adresse von Grassers Nachnachfolger Josef Pröll gerichtet. Die Abgeordnete Gabriele Moser konstatiert: „Diverse Medienberichte und Erhebungen der Staatsanwaltschaft festigen die Verdachtsmomente, dass es beim Verkaufsprozess der bundes­eigenen Wohnbaugesellschaften zu ertragsmindernden und die Republik schädigenden Vorgängen kam, bei denen sich Freunde des ehemaligen Finanzministers und eventuell andere Personen bereicherten. Eine Involvierung von Minister Grasser ist nicht auszuschließen, obwohl für alle die Unschuldsvermutung gilt.“

Überforderte Justiz. Vor drei Wochen hatte Grassers Ex-Mitarbeiter Michael Ramprecht seinen ehemaligen Vorgesetzten in profil schwer belastet. Tenor der Aussage: Das Immofinanz-Konsortium sei von Anfang an als Sieger festgestanden, der Vergabeprozess eine reine Inszenierung gewesen. Ramprecht: „Das war ein abgekartetes Spiel.“ Grasser bestreitet die Vorwürfe vehement.
Die zahllosen offenen Fragen stellen den zuständigen Staatsanwalt Norbert Hasl­hofer vor ein schier unlösbares Problem: Eigentlich hätte er nur die strafrechtlich möglicherweise relevanten Vorgänge in und um die Immofinanz untersuchen sollen. Im Zuge seiner Recherchen stieß er eher zufällig auf Geldflüsse Richtung Hochegger und Meischberger, die wiederum Ermittlungen wegen Steuerhinterziehung auslösten – und jetzt kommt auch noch der Verdacht des Amtsmissbrauchs gegen einen ehemaligen Finanzminister hinzu. Möglicherweise.