"Gewalt ist Liebe in fremder Gestalt"

Lokalaugenschein bei der Piusbruderschaft

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Pater Trutt, der Distriktsobere für Österreich, ist unterwegs und kommt erst in einigen Tagen wieder. Pater B. ist da, darf und will aber ohne Erlaubnis des Oberen keine Einwilligung geben, seinen vollen Namen gedruckt zu lesen. Ansons­ten hat er nichts zu verbergen. „Pazifismus? Ist ja verrückt“, sagt er, „das ist völlig unkatholisch.“ Wenn er hört, wie der Papst die Hinrichtung Saddam Husseins verurteilt, oder sieht, wie der Heilige Vater sich in Istanbul gen Mekka verneigt, werde ihm „ganz anders“.

Dieser Humanismus sei erst 1965 „in die Kirche eingedrungen“ und habe damit begonnen, dem Körper gegenüber der Seele viel zu hohen Wert beizumessen. Das Hinrichten von Verbrechern zähle zu den erlaubten Tötungsarten, „gegen dessen Abschaffung ich kämpfe“. Der Papst hätte bei seinem Besuch in der Türkei und in der Blauen Moschee in Istanbul die Wahrheit sagen müssen: „Dass der Islam selbstverständlich eine falsche und irrige Religion ist, die zu keinem Heil führt.“ Der Papst habe auch nicht das Recht, Riten aufzuheben, welche die Kirche seit Jahrhunderten pflege.

Auf Schloss Jaidhof im Waldviertel ist es Winter, obwohl im Rest des Landes fast überall schon die Knospen platzen. Unter den Baumriesen im Park glänzt die Morgensonne auf gefrorenem Schnee, eine ganz in Schwarz gekleidete Schwester bewegt sich gebückt und lautlos durch den Hof der erst teilweise renovierten österreichischen Zentrale der Priesterbruderschaft Pius X. Es gibt eine Kapelle und viele Dutzend Räume, doch insgesamt nur sieben Bewohner, die sich die Stille hinter den Gemäuern teilen: drei Priester, zwei Brüder, zwei Schwestern. Pater B., ein asketischer Schweizer, schüttelt den Kopf: Jesus habe Petrus nie aufgefordert, sein Schwert wegzuwerfen, sondern nur, es wegzustecken. Natürlich gebe es gerechte Tötungen. Aber Vorsicht: Laien, die derart komplizierte spirituelle Inhalte diskutierten, liefen leicht Gefahr, alles falsch zu verstehen. Richtig zu glauben heiße „Annehmen“, denn die „einzige Auslegerin der Lehre ist die Kirche“.

Altchristen. Seit den siebziger Jahren im kleinen Rahmen auch in Österreich aktiv, fand dieser „altchristliche“ Kreis der Piusbruderschaft in den vergangenen Jahren fast nur im Zusammenhang mit dem FPÖ-Abgeordneten und früheren Volksanwalt Ewald Stadler öffentliche Erwähnung. Zuletzt behaupteten Stadler-Gegner in der FPÖ, dieser plane, seinen extrem konservativen Piusbrüdern innerhalb der Freiheitlichen Akademie ein politisches Territorium zu bereiten, was nicht hinzunehmen sei. ­Stadler hat nach eigenen Angaben „einige hundert Katholiken“ bereits ermuntert, ihre Kirchenbeiträge nicht mehr an die Amtskirche zu überweisen, sondern an die Piusbruderschaft, die von Rom als „außerkirchliche Sekte“ bezeichnet wird. Vor gerichtlichen Klagen, wie sie gegen andere säumige Kirchenbeitragspflichtige üblich sind, schreckt die Amtskirche allerdings im Falle der Piusbrüder vorerst noch zurück.

Wer oder was ist also die Piusbruderschaft? Ewald Stadler besucht auf Schloss Jaidhof zwar jeden Sonntag die Messe, doch ist er dort nicht einmal Mitglied, weil dies nur Priester sein können. Stadler werkt im Verein der Freunde der Priesterbruderschaft. Der französische Erzbischof Marcel Lefebvre gründete 1970 die Bruderschaft als Reaktion auf die aus seiner Sicht zerstörerischen und untragbaren Öffnungen der römisch-katholischen Kirche nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil. Als er 1988 gegen den Willen Roms vier Bischöfe weihte, um den Priesternachwuchs und damit das Überleben seiner Bruderschaft zu sichern, wurden er und seine Bischöfe exkommuniziert. Nicht aber die übrigen Mitglieder und Gefolgsleute der Piusbruderschaft. Mittlerweile zählen sich weltweit etwa 450 katholische Priester zur Piusgemeinschaft, in Österreich etwa ein Dutzend. Weltweit besuchen rund 150.000 Menschen deren Messen, in Österreich etwa 1000. Die Pius­priester werden von der Amtskirche wie Suspendierte behandelt.

Auf besondere Ablehnung der Lefebvre-Jünger stoßen vor allem die Liturgiereformen des Zweiten Vatika­nums, die den tridentinischen Ritus (Messe in lateinischer Sprache am Opferaltar) abgelöst haben. Nicht nur der einzelne Mensch, sondern auch jeder Staat habe auf alle Fälle die Pflicht, so die österreichischen Piusbrüder in ihrem aktuellen Internetauftritt, „die katholische Religion als die einzig wahre anzuerkennen und entsprechende Rechte einzuräumen. Für einen Staat mit katholischer Mehrheit würde das bedeuten, dass sich der Staat zum Katholizismus als Staatsreligion bekennt und dieser Religion allein alle Rechte zuerkennt.“

Christlicher Kampf. Die Bruderschaft ist straff organisiert. Ein Distriktsoberer muss nach sechs Jahren Amtszeit weiterziehen. Vor Kurzem war es auch für den aus Kärnten stammenden Pater Michael Weigl so weit. Er musste aus dem Waldviertel in die Schweiz wechseln. Davor hat der frühere Bundesheeroffizier und Theologe gerne etwa für den Wiener Korporationsring (Vereinigung der national-freiheitlichen Burschenschaften) Reden gehalten. Zum Beispiel anlässlich des „Totengedenkens des WKR“ am 6. Mai des Vorjahres, einer Gegenveranstaltung zu den offiziellen Feierlichkeiten anlässlich des Jahrestages der Kapitulation Deutschlands. Einige Auszüge der Rede:
„Geschätzte Kommilitoninnen und Kommilitonen, werte Kameraden!
Wohl jeder von Ihnen kennt die Stelle aus der Heiligen Schrift aus Jesaia, der bis ca. 700 vor Christus wirkte: ,Zwischen den Völkern wird er richten, entscheiden für viele Nationen. Ihre Schwerter schmieden sie zu Pflugscharen um und ihre Speere zu Winzermessern. Nimmer wird Volk gegen Volk das Schwert erheben und nicht mehr erlernt man die Kriegskunst.‘ (Jes 2,4).

Aber kaum einer spricht vom Aufruf des Propheten Joel: ,Verkündet Folgendes unter den Völkern: Rüstet zum Krieg! Ruft die Helden auf! Es sollen herbeikommen und anrücken alle Kriegsleute! Schmiedet eure Pflugscharen zu Schwertern um, eure Winzermesser zu Lanzen! Selbst der Schwache soll sprechen: Ich bin der Held!‘ (Joel 4,9-10).“
Weigl behauptet in dieser Rede, Gewalt sei „keineswegs böse an sich, sondern kann sehr wohl Liebe in fremder Gestalt sein“. Und er führt aus: „Das Recht, Krieg zu führen, gründet im Auftrag der politischen Obrigkeit, das Gemeinwohl, also die Ordnung der Gerechtigkeit und des Friedens, notfalls mit den Mitteln der Gewalt zu schützen. Sie würde schuldig werden, wenn sie diesen Auftrag und seine sachgemäße Vorbereitung durch Rüstung vernachlässigte. Dem entspricht im Ernstfall die Pflicht der Bürger zur Verteidigung. Christliches Daseinsverständnis rechnet damit, dass es in dieser Welt immer Schuld und Verbrechen geben muss, ja dass sich eher eine Verschärfung der sündigen Zerrissenheit erwarten lässt. Wenn die Gewalt dem wehrt, ist sie keineswegs böse an sich …“ Damit sei „jede pazifis­tische Ideologie authentischem Christentum fern und mit ihm unvereinbar“.
Am Ende der Rede sagt Pater Michael Weigl, von „uns Lebenden im Pilgerstand“ sei „aber der christliche Kampf nach Joel gefordert, damit das Gute auch heute noch vollbracht wird“.
Im profil-Gespräch betont Weigl, dass Krieg nur dann gerechtfertigt sei, wenn es „um fundamentale Werte“ gehe.

Bei all dem kann selbst Ewald Stadler nicht ganz mit. Der Islam sei „selbstverständlich eine falsche Religion“, das schon. Und die Piusbruderschaft vertrete „den Traditionsschatz der Kirche“. Er, Stadler, neige aber eher dazu, „erlaubte Tötungshandlungen gegen null hin zu reduzieren, weil ich ja vehement und besonders gegen die Tötung der Wehrlosesten bin, nämlich der Ungeborenen“. Die Todesstrafe gehöre längst nicht mehr zum europäischen Zivilisationsstandard, und das sei „gut so“.

Auch was den erhobenen Anspruch der Piusbrüder bezüglich der Staatsreligion betrifft und den von ihnen eingeforderten katholischen Gottesstaat, ist Ewald Stadler eher zurückhaltend: „Nein, das muss der Staat nicht. Aber die Kirche muss den Wahrheitsanspruch erheben, sonst tritt sie ab.“

Von Emil Bobi