Glücksspielgesetz: Ein Trauerspiel

Glücksspiel: Ein Trauerspiel

Monopole, Manipulatio- nen, Briefe aus Brüssel

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Karl Stoss zeigte sich am Montag vergangener Woche irritiert. „Ich war gerade auf Reisen. Man hat uns nicht groß informiert“, sagte der Vorstandschef der Casinos Austria AG. Trotziger Nachsatz: „Das ist eine Stilfrage.“ Auslöser der Irritationen: Finanzminister Wilhelm Molterer. Dieser hatte seine Novelle zum Glücksspielgesetz ausgerechnet zu einem Zeitpunkt im Ministerrat vorgelegt, als Stoss in Las Vegas weilte. Nur: Was hätte es geändert, wäre Stoss im Lande gewesen?
Wahrscheinlich nichts.

Der Entwurf zur Gesetzesnovelle zielt nicht darauf ab, einen Markt zu regulieren, der dies dringend nötig hätte: Derzeit untersuchen Staatsanwälte in Wien und St. Pölten massive Vorwürfe gegen mehrere Unternehmen in der Glücksspielbranche. Regelmäßig ergehen in Österreich aber auch Gerichtsurteile, die zum Teil die Monopolstellung der Casinos Austria recht deutlich infrage stellen. Tausende illegale Glücksspielautomaten in Österreich bleiben wiederum in dem Entwurf ebenso unbeachtet wie eine Vereinheitlichung der neun verschiedenen Landesgesetze.

Ihren Zweck hat die Novelle dennoch nicht verfehlt. Der einzige Sinn von Wilhelm Molterers Vorschlag war es nämlich, einem anhängigen Vertragsverletzungsverfahren durch die Europäische Union entgegenzuwirken.

Beruhigungspille. „Das Gesetz ist ein weiterer wichtiger Schritt zum Spielerschutz und zur Modernisierung des österreichischen Glücksspiels im europäischen Rahmen“, so Finanzminister Molterer.

In anderen Worten: Österreich konnte sich mit dem Zugeständnis, einige von der EU-Kommission reklamierte Stellen im Gesetz zu reparieren, ein Vertragsverletzungsverfahren vom Hals schaffen. Die EU führt mehrere solcher Verfahren. Der immer gleich lautende Vorwurf: Die nationale Gesetzgebung im Glücksspielsektor widerspricht dem Gemeinschaftsrecht. Ende Juni wurden laufende Verfahren gegen Frankreich und Schweden verschärft, gegen Griechenland wurde eines eröffnet.

Das österreichische Verfahren wird eingestellt, sobald die Prüfer von Binnenmarkt-Kommissar Charlie McCreevy ihre Zustimmung zu dem vier Seiten umfassenden Gesetzestext geben.

Verständlich, dass Karl Stoss wünscht, er wäre von Finanzminister Molterer intensiver nach seiner Meinung gefragt worden. Tatsächlich sind nämlich beinahe nur die Casinos von der Novelle betroffen: So genannte Video Lotterie Terminals, wie sie in Österreich nur die Casinos Austria betreiben dürfen, sind mit Inkrafttreten der Novelle mit schärferen Zutrittskontrollen auszustatten. Zudem dürfen in Zukunft internationale Casinobetreiber in Österreich ihre ausländischen Standorte bewerben. Vor allem in grenznahen Gegenden wird der österreichische Platzhirsch die Konkurrenz stärker zu spüren bekommen. Außerdem muss der Spielerschutz in Zukunft auch für Nicht-Österreicher umgesetzt werden. Wird nämlich hierzulande ein Zocker durch besonders hohe Einsätze oder allzu häufige Casinobesuche auffällig, muss eine Wirtschaftsauskunft eingeholt werden. Bei ausländischen Gästen dürfte diese Verordnung – Novelle hin oder her – nicht praktikabel sein. Wer fährt schon mit einem Gehaltszettel und Kontoauszügen auf Urlaub?

„Die Novelle hätte sehr unangenehme Folgen für uns. Wie hoch mögliche Einbußen sein könnten, lässt sich allerdings derzeit noch nicht absehen“, sagt Karl Stoss. Diese könnten aber enorm sein, wenn man demnächst ausländische Spieler mit dicker Geldbörse vor die Tür setzen müsste. Im Vorjahr erwirtschafteten die zwölf österreichischen Casinos 181,7 Millionen Euro an Bruttospielerträgen (Einsatz minus Gewinnauszahlung). Die Hälfte davon kam von ausländischen Gästen, obwohl diese nur 30 Prozent der Kundschaft ausmachen. Der Gesetzesentwurf soll laut ÖVP-Parlamentsklub erst im März dem Nationalrat vorgelegt werden. „Wir vertrauen darauf, dass das Parlament den Ministerratsentwurf mit großer Sorgfalt behandeln und alle Auswirkungen bedenken wird, ehe es die Novelle verabschiedet“, sagt Karl Stoss. Seine Hoffnung: Vielleicht lässt sich bis zum März über einzelne Punkte ja doch noch diskutieren.

Jackpot. Um die großen Themen will sich Finanzminister Molterer vorerst nicht kümmern. Etwa um das Glücksspielmonopol. Bis ins Jahr 2012 bleiben die Casinos Austria einziger Konzessionär im Land. Und damit einer der größten Steuerzahler. Casinos Austria und Österreichische Lotterien (mit dem Kauf der Bawag-Anteile hält die Casinos Austria AG 70 Prozent an der Lotto-Gesellschaft) verzeichneten 2006 insgesamt drei Milliarden Euro Umsatz und führten 502 Millionen Euro an Steuern ab. Ein Budgetposten, den sich kein Finanzminister freiwillig nehmen lässt.

Und auch nicht nehmen lassen muss. Unter Verweis auf Spielerschutz und Suchtprävention haben sich die EU-Mitgliedsstaaten längst darauf verständigt, das Glücksspiel nicht zu liberalisieren. Konkurrenten fühlen sich diskriminiert und pochen auf die Einhaltung von Gemeinschaftsrecht im Sinne eines freien Marktes. Das Argument: In einem ausreichend geregelten und kontrollierten Markt kann von mehreren Unternehmen Spielerschutz gewährleistet werden. Seit Jahren schickt deshalb auch der österreichische Sportwettenanbieter bwin seine Lobbyisten nach Brüssel und hofft auf eine gesamteuropäische Lösung. Wie weit die entfernt ist, mussten die bwin-Vorstände Manfred Bodner und Norbert Teufelberger im September des Vorjahres erfahren. Während eines Aufenthalts in Frankreich, wo Sportwetten im Gegensatz zu Österreich unter ein Monopol fallen, wurden die beiden wegen Verstoßes gegen das Glücksspielgesetz festgenommen und verbrachten 72 Stunden im Gefängnis.

Neben den Sportwetten ist gerade für Online-Glücksspielunternehmen eine Liberalisierung des boomenden Pokergeschäfts attraktiv. Das Kartenspiel fällt hierzulande allerdings unter das Glücksspielmonopol. Hannes Androsch, der einst selbst als Finanzminister hohe Einnahmen von Casinos und Lotterien einstreifen durfte, redet heute als Gesellschafter und Aufsichtsratsvorsitzender der bwin AG der Liberalisierung das Wort (siehe Gastkommentar Seite 47). Stoss und seine Vorstandskollegen verzichteten darauf, zum Thema Monopol ähnlich ausführlich Stellung zu nehmen. Der lapidare Kommentar der Casinos Austria: „Es ist nicht unsere Entscheidung, ob es ein Monopol gibt, sondern jene des Monopolisten, also der Republik Österreich. Diese hat sich offenbar aus gutem Grund für diese Variante entschieden, weil sie die Ansicht vertritt, dass dies der beste Weg ist, um ordnungspolitische Interessen wie den Spieler- und Jugendschutz zu gewährleisten.“

Darüber streiten derzeit in ganz Europa die Gerichte. Auch in Wien. Am hiesigen Oberlandesgericht erging im vergangenen Sommer in zweiter Instanz ein Urteil, durch das sich alternative Glücksspielanbieter bestätigt sehen. In dem profil vorliegenden Urteil – ein Branchenteilnehmer hatte bwin geklagt – hielt das Oberlandesgericht unter Berufung auf zwei Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs fest: „Die Rechtsansicht der Beklagten (bwin, Anm.), die österreichischen Beschränkungen und die daran angeknüpften Strafbestimmungen seien mit dem Gemeinschaftsrecht unvereinbar und deshalb unanwendbar, ist vertretbar.“ Auch der Konkurrent Wettpunkt erhielt im Sommer dieses Jahres ein ähnliches Urteil vom Landesgericht Korneuburg zugestellt.

Brüssel wartet. Freilich ist es unwahrscheinlich, dass eine allgemeingültige Regelung für die Glücksspielbranche aus Österreich kommen wird, eher schon aus Brüssel. Der zuständige EU-Kommissar Charlie McCreevy hat sich zuletzt kaum zum Thema geäußert. McCreevy-Sprecher Oliver Drewes hatte noch im Oktober des Vorjahrs gegenüber profil angekündigt: „Das Monopol wird fallen.“ Auch dem Einwand, Glücksspielmonopole dienten der Suchtprävention, widersprach er damals: „Alkohol macht auch dann abhängig, wenn er von einer staatlichen Brauerei abgefüllt wird.“ Heute hört sich das anders an. „Diese Kommission wird mit einem Vorschlag zur Harmonisierung nicht kommen“, so Drewes. Dem Vernehmen nach glaubt McCreevy immer noch an eine Lösung in den kommenden Jahren. Allerdings soll der Ire mittlerweile seine Hoffnungen eher in die europäischen Gerichte denn in die EU-Kommission setzen. Bis dahin gilt der Ausspruch von McCreevy-Sprecher Drewes: „Die Mitgliedsstaaten können ihr Ding machen.“

Wilhelm Molterer hat das nächste „Ding“ bereits in Planung – den zweiten Teil der Novelle des Glücksspielgesetzes. „Dass es diesmal auch um die Spielautomaten gehen wird, ist kein schlechter Tipp“, sagt Molterer-Sprecher Nikola Donig. In Österreich fällt das Zocken an einarmigen Banditen unter das so genannte kleine Glücksspiel und damit nicht unter das Monopol. Voraussetzung: Der Einsatz pro Spiel darf 50 Cent nicht übersteigen, der Gewinn nicht mehr als 20 Euro betragen. Eine einheitliche Regelung fehlt jedoch. Das kleine Glücksspiel ist nur in den vier Bundesländern Wien, Niederösterreich, Kärnten und Steiermark per Landesgesetz erlaubt. Der Finanzminister hatte heuer bereits Pläne zu einer bundesweiten Harmonisierung gewälzt, diese aber abgeblasen.

Einarmige Banditen. Das Automatengeschäft ist nämlich problematisch. Laut Auskunft der „Anonymen Spieler Wien“ sind 80 Prozent der von ihnen beratenen Spielsüchtigen den bunten Apparaten verfallen. In Österreich sind knapp 8000 legale Automaten registriert. Daneben gibt es aber eine beinahe ebenso große Anzahl illegaler Apparate. Illegal nicht nur, weil sie in einem der fünf Bundesländer stehen, wo das kleine Glücksspiel nicht erlaubt ist. Sondern auch, weil die Grenzen bei Gewinnausschüttung und Einsatz manipuliert werden können. „Man darf sich nicht der Illusion hingeben, dass das illegale Glücksspiel durch eine Liberalisierung verschwindet. Diese Automaten sind zum Teil sehr leicht umzuprogrammieren“, sagt der SPÖ-Nationalratsabgeordnete Johann Maier.

Ähnliche Vorwürfe werden bei den Staatsanwaltschaften in Wien und St. Pölten geprüft. Dort werden Akten bearbeitet, in denen Zeugen abenteuerliche Geschichten aus der Branche erzählen. Über Manipulationen an Spielautomaten, über amtliche Sachverständige, die auf der Lohnliste von Glücksspielunternehmen stehen. Immer wieder wird der Name des in Gumpoldskirchen domizilierten Automatenherstellers Novomatic genannt. Das Unternehmen, das heuer mehr als 1,5 Milliarden Umsatz verzeichnen wird, stellt Apparate für Casinos in der ganzen Welt her und betreibt über die Tochtergesellschaft Admiral eigene Automatencasinos. Novomatic-Chef Franz Wohlfahrt wehrt sich gegen die Vorwürfe, die zuletzt in der Wiener Wochenzeitung „Falter“ vorgetragen wurden. „Diese Vorwürfe werden seit etlichen Monaten – großteils durch anonyme Anzeigen, die widerrechtlich veröffentlicht werden – gezielt gestreut. Die uns zugetragenen Hinweise über die Urheberschaft dieser Aktivitäten verdichten sich“, sagt Wohlfahrt. Wer hinter dem vermeintlichen Komplott stehen könnte, verrät er nicht. „In der Branche versucht jeder, belastendes Material über die Konkurrenz zu sammeln“, sagt ein Insider.

Aber auch die nackten Zahlen können stutzig machen.

Laut einer Studie des Marktforschungsinstituts Kreutzer, Fischer & Partner werden 2007 über 1,2 Milliarden Euro an Einsätzen in den 4800 Novomatic-Automaten verschwinden. Das sind umgerechnet 729 Euro an jedem Tag. Da pro Spiel laut Gesetz nur 50 Cent eingesetzt werden dürfen, müssten also an jedem Apparat pro Tag 1458 Spiele absolviert werden. „Das zeigt, wie beliebt unser Angebot ist“, so Novomatic-Sprecher Hannes Reichmann.

Lotto-Lobby. Novomatic wäre der wohl größte Profiteur einer Liberalisierung des Automatenmarktes. Schon einmal wähnte sich Wohlfahrt am Ziel: Im Sommer vergangenen Jahres hätte die ÖVP-BZÖ-Koalition in einem Überraschungscoup beinahe die Vergabe zusätzlicher Glücksspiellizenzen beschlossen. Im letzten Moment konnten Casinos und Lotterien damals die Regierung zur Umkehr zwingen. Auch Novomatic hat gute Kontakte in die Politik: Wohlfahrts Vorgänger als Vorstandschef ist Wissenschaftsminister Johannes Hahn.

Bei Franz Wohlfahrt war die Enttäuschung darüber, dass auch heuer keine bundesweite Regelung für den Automatenmarkt getroffen wurde, groß. Zumal auch er sich wie Karl Stoss im Ausland befand, als die Novelle den Ministerrat passierte. Böse Zungen behaupten, Wilhelm Molterer hätte diesen Zeitpunkt absichtlich so gewählt, um dem Einfluss der zahlreichen Lobbyisten von Casinos Austria und Novomatic zu entgehen.

Von Josef Redl