Viel too small

Affäre. Herbert Lackner über das neue Leben von Ex-Vizekanzler Hubert Gorbach

Drucken

Schriftgröße

Der Slogan auf der Homepage der Gorbach Communications GmbH im Vorarlberger Frastanz verspricht etwas zu viel: „Auf jede Frage die richtige Antwort“, heißt es da.

Das muss seit zwei Wochen bezweifelt werden. Die Frage, die profil dem Namensgeber der Frastanzer Consulting-Firma, dem Ex-Vizekanzler Hubert Gorbach nämlich, Ende Oktober per Mail stellte, lautete: „Sind Sie alkoholisiert mit dem Auto gefahren, und hat man Ihnen deswegen den Führerschein abgenommen?“ Und was antwortete Gorbach? „Die Vorwürfe bzw. Behauptungen in Ihren heutigen E-Mails sind unrichtig und bedürfen daher keiner weiteren Stellung­nahme.“

Die dem Dementi zum Trotz erschienene kleine profil-Story wurde zwei Wochen später bestätigt.

Auch die Frage, die profil dem 55-Jährigen vergangene Woche stellen wollte, blieb ohne Antwort (Gorbach ging nicht ans Telefon): Stimmt es, dass Sie bei der Firma Kapsch auf der Payroll stehen? Anstelle des zuletzt recht maulfaulen Kommunikators aus Frastanz antwortete Kapsch-Unternehmenssprecherin Katharina Riedl: „Herr Gorbach hat seit Ende 2007 einen Konsulentenvertrag bei Kapsch. Seine Aufgabe ist es, das Unternehmen im Telematik-Bereich im internationalen Umfeld zu beraten.“ Die Honorierung? „Marktüblich.“ Die Tätigkeit? „Umfang und Aufgabenstellung sind sehr überschaubar.“ Hat er schon Aufträge gebracht? „Das ist nicht direkt Vertragsgegenstand.“ Kein schlechter Job also und alles durchaus rechtens.

Die Optik ist halt miserabel.
Denn schon wieder bezieht Hubert Gorbach – wie in mehreren anderen Fällen – Geld von einem Unternehmen, mit dem er in seiner Zeit als ­Infrastrukturminister eng zusammenarbeitete.

Kapsch hatte schon vor Gorbachs Amtsantritt den fetten Auftrag zur Errichtung des Lkw-Mautsystems an Land gezogen. Ob dieses auch wie versprochen funktioniere, war bald Thema einer hitzigen Diskussion: Der SPÖ-Abgeordnete Günther Kräuter, heute Bundesgeschäftsführer, behauptete, den Kapsch-Anlagen unterliefen 17.000 Fehlbuchungen pro Tag, Kapsch und Asfinag sprachen von maximal 2000. Der Rechnungshof, dem Kräuter die Mautaufzeichnungen in 49 Kartons vor die Tür knallte, zählte 12.000 Fehlbuchungen, eine Fehlerquote von 0,7 Prozent. Infrastrukturminister Hubert Gorbach hatte sich kompromisslos auf die Seite von Kapsch und Asfinag gestellt.

Die Zusammenarbeit mit der Kapsch TrafficCom AG (mehr als 700 Mitarbeiter) und ihrem Vorstandschef Georg Kapsch gestaltete sich auch im weiteren Verlauf der Amtszeit von Verkehrsminister Gorbach gedeihlich, wenn auch nicht spektakulär. Kapsch bot Staufrüherkennungssysteme an, installierte Geisterfahrerkameras und lieferte den ÖBB im Rahmen eines Fünfjahresvertrags ein Betriebskommunikationssystem für das gesamte Streckennetz. Deshalb gab es auch böses Blut, als Gorbach nur vier Wochen nach Abschluss des Vertrags mit den ÖBB den Kapsch-Mehrheitsmiteigentümer Kari Kapsch in den ÖBB-Aufsichtsrat berief.

Als der Infrastrukturminister im November 2004 China bereiste, machte er seinem chinesischen Amtskollegen Zhang Chunxian die Vorzüge des Kapsch-Mautsystems schmackhaft. Tatsächlich durfte Kapsch zwei Jahre später den 80 Kilometer langen Badaling-Expressway – eine Verkehrsader zwischen Peking und der Chinesischen Mauer – mit einer elektronischen Mautanlage ausstatten.

Ende 2007, als Kapsch und Gorbach den bis heute dotierten Beratervertrag abschlossen, war der Ex-Vizekanzler schon eine Zeit lang auf Jobsuche. Unmittelbar nach dem Ende seiner Ministerzeit im Jänner 2007 hatte er in dem Unternehmen des Vorarlberger Seilbahn-Königs Walter Klaus angeheuert. Auch mit Klaus hatte Gorbach als Verkehrsminister intensiv zu tun gehabt: Der Seilbahn-König kaufte im Dezember 2005 gemeinsam mit den Illwerken die Bodenseeschifffahrt von den ÖBB.

Die Zusammenarbeit zwischen Klaus und Gorbach in dessen Nach-Ministerzeit verlief weniger fruchtbar. Schon nach vier Monaten trennte man sich wieder. Als Klaus sich vor zwei Jahren altersbedingt aus dem Geschäft zurückzog, erzählte er in einem Abschiedsinterview mit den „Vorarlberger Nachrichten“ auch von Hubert Gorbach: „In seiner Tätigkeit für mein Unternehmen hat er sich weit von dem entfernt, was ich für richtig gehalten habe. Einfacher ausgedrückt: Ich mag den Hubert nach wie vor gern, ich schätze viele seiner Eigenschaften, aber er hat sich in eine andere Richtung entwickelt.“ Gorbach selbst zeigte sich ebenfalls ein wenig enttäuscht: „Ich habe mir gedacht: Hier verbrate ich mein Asset, nämlich das Netzwerk, das ich habe.“ Darauf legte der hochkorrekte Vorarlberger Unternehmer offenbar keinen Wert.

Das Verbraten seines Assets gelang Hubert Gorbach anderswo viel besser, etwa beim Lobbyisten Peter Hochegger und der von ihm betreuten Telekom. Hochegger hatte den Kommunikationskonzern im Sommer 2006 unter anderem beim Wunsch nach einer Novellierung der so genannten „Universaldienstverordnung“ beraten, soll seine Auftraggeber laut Zeugen aber gewarnt haben, dass dies eine Kleinigkeit kosten könne. (Hochegger bestreitet das.) In diesem Gesetz wird geregelt, was sich die verschiedenen Provider untereinander für Leitungsgebühren und andere Services zahlen müssen.

Die kurz vor Ende der schwarz-orangen Regierung von Infrastrukturminister Hubert Gorbach gefundene Lösung entsprach jedenfalls ganz dem Geschmack der Telekom, die dadurch rund zehn Millionen Euro im Jahr verdient. Die anderen Netzbetreiber schäumten. Unschönerweise fand „News“ im vergangenen August heraus, dass zu jener Zeit rund 600.000 Euro der Telekom an das BZÖ geflossen waren. Dessen Obmann damals: Hubert Gorbach.

Die Sympathien des so harmonisch zusammenarbeitenden Duos Telekom/Peter Hochegger eilten Gorbach noch nach, als er die Politik schon verlassen hatte. 264.000 Euro, bezahlt in acht 33.000-Euro-Tranchen, überwies ihm die Telekom via Hocheggers Valora für die Bezahlung der Sekretärin in der zuletzt etwas stillen Frastanzer Gorbach Consulting.
Wieder einmal machten sich Freunde aus dem ersten Leben im zweiten bezahlt.

Die Ermittler der Korruptionsstaatsanwaltschaft interessiert das alles brennend. Als sie Hubert Gorbach im vergangenen August aufsuchten, bestritt der nunmehrige Berater jeden Zusammenhang zwischen der Universaldienstverordnung und den mysteriösen Zahlungen. Die Telekom erklärte dazu, sie habe an Hocheggers Valora gezahlt, was dann mit dem Geld geschehen sei, wisse sie nicht. Auch in diesem Fall gilt die Unschuldsvermutung.

Der Job beim Vorarlberger Seilbahn-König war weg, dafür interessierte sich ein weit größerer Wirtschaftskapitän für Hubert Gorbach: Im Juli 2007 zog er in den Aufsichtsrat des Feuerfestkonzerns RHI ein, an dem der Wiener Großinvestor Martin Schlaff maßgeblich beteiligt ist. Auch ihm hatte Gorbach in seinem ersten Leben als Politiker gute Dienste geleistet. Als Schlaffs an der serbischen Mobtel beteiligte Investorengruppe 2006 in einen heftigen Konflikt mit der serbischen Regierung geriet, der im Entzug der Sendelizenz gipfelte, nahm sich der Infrastrukturminister der Sache energisch an. In Martin Schlaffs Privatflugzeug jettete er nach Belgrad und las den wichtigen Herren in der dortigen Regierung die Leviten, wie er später erzählte: „Da habe ich mich dann als Minister eingeschaltet und bin entsprechend aufgetreten, denn so kann man mit österreichischen Investoren nicht umgehen.“ Schlaff soll später am Verkauf des Unternehmens 250 Millionen Euro verdient haben.

Im selben Juli 2007, in dem Hubert Gorbach in den RHI-Aufsichtsrat einzog, dürfte ihn im Ländle doch das Gefühl einer gewissen beruflichen Einsamkeit beschlichen haben. 6000 Einwohner zählt sein Städtchen – ein Fliegenschiss gegen die große Welt, in der er gerade noch als Minister auf roten Teppichen zugange war.

Also entsann sich Hubert Gorbach wieder einmal seines ersten Lebens und schrieb mehrere Briefe an Ministerkollegen im Ausland, die er über die österreichischen Botschaften in den jeweiligen Kabinetten übergeben ließ. Die Depeschen waren schließlich auf offiziellem Vizekanzler-Briefpapier geschrieben, das er beim Abgang aus dem Ministerium mitgenommen hatte. Nur der „Vizekanzler“ war mit dem kleinen handschriftlichen Vermerk „a. D.“ versehen.

An die Namen seiner früheren Ministerfreunde erinnerte er sich freilich nicht mehr so genau. „Dear Alistar“ schrieb er etwa dem britischen Schatzkanzler Alistair Darling und klagte ihm in gebrochenem Englisch: Er habe tolle Angebote ausgeschlagen, weil er sich diesem Seilbahn-Klaus verpflichtet gefühlt habe. Das sei jetzt aber aus und vorbei. Wenn es also etwas zu tun gäbe, er sei bereit. Denn: „The world in Vorarlberg is too small.“

Kaum je zuvor war ein Satz so rasch in das Schatzkästchen alpenländischen Dolmentums eingegangen. Kein Kabarettist, der auf diese Nummer verzichten wollte. „Too small“ wurde binnen weniger Wochen zum Gassenhauer. Die Austria Presse Agentur berichtete im Oktober 2007 amüsiert, bei den „18. Herbsttagen“ im niederösterreichischen Blindenmarkt habe man den Gorbach-Sager in der zur Aufführung gelangenden Operette „Der Vogelhändler“ eingebaut. Das Publikum habe den Gag „kräftig beklatscht“.

Im Dezember 2007 wurde der Sager zum „Spruch des Jahres“ gekürt. Unwort des Jahres war übrigens „Komasaufen“.

Apropos:
Die Bezirkshauptmannschaft Feldkirch, mit der Gorbach jetzt in dieser dummen Führerscheingeschichte zu tun hat, befand damals die Verwendung des Bundes-Briefpapiers durch den Ex-Politiker für nicht widerrechtlich.

Seine gewisse berufliche Vereinsamung korrespondiert so überhaupt nicht mit der Lebenslust des für Scherze aller Art offenen Ex-Politikers, eines Reiters, Fliegers und Jägers. Beinahe schon Vizekanzler, saß er 2003 bei der Wahl der Miss Vorarlberg in der Jury („Neue Vorarlberger Tageszeitung“: „Fast nichts blieb der Jury beim Bikini-Durchgang verborgen“) und holte sich die neue Miss Bianca anschließend als Kommunikationsassistentin in sein Ministerbüro nach Wien: „Sie ist eine langjährige Freundin der Familie.“

In Wien stieß der Mann aus Vorarlberg, wo in den sechziger Jahren Twisttanzen und Bikinitragen verboten waren, überhaupt auf eine neue Welt. Die Beiträge der Sexkolumnistin des „Freizeit-Kurier“, Gabriele Kuhn, etwa begeisterten den Alemannen so sehr, dass er ihr gleich mehrere Mails schrieb: „Ihre Beiträge sind fast immer sozusagen ,total aus dem Leben gegriffen‘, pfiffig geschrieben und trotzdem nicht anstößig, vielmehr anregend oder zum Nachdenken veranlassend.“ Und ein anderes Mal: „Ich bin schon richtig ,süchtig‘ auf Ihre Beiträge. So langsam entwickelt sich bei mir auch ein Bedürfnis, Sie einmal kennen zu lernen – und wenn es nur auf einen Kaffee oder auf ein Glas Wein ist.“

Dazu kam es dann nicht, dafür zog es Gorbach in die weite Welt, genauer: nach Weißrussland. Dort, im Land mit dem letzten autokratischen Regime Europas, fanden im Dezember 2010 Präsidentenwahlen statt, weshalb die OSZE (Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa) sicherheitshalber eine Beobachterdelegation entsandte. Deren Verdacht wurde bestätigt: Die Auszählung der Stimmen – auf Präsident Alexander Lukaschenko entfielen 80 Prozent – sei „schlecht bis sehr schlecht“ verlaufen.

Ein anderer Beobachter, der direkt vom Regime eingeladen worden war, stellte ein weit positiveres Zeugnis aus. Die Wahl, so der Ex-Vizekanzler der Republik Österreich in einer Stellungnahme, habe „westeuropäischen Standards voll entsprochen: Ich habe genau gesehen, wie korrekt gezählt worden ist.“ Von Weißrussland könne man sich sogar einiges abschauen, meinte Hubert Gorbach in der „Presse“: Dort hätten Jungwähler im Wahllokal ein Geschenk bekommen, einen Notizblock.

Noch in der Wahlnacht ließ Lukaschenko mehrere Oppositionskandidaten verhaften, am Tag nach der Wahl wurden 600 Regimegegner festgenommen. Zwei Wochen später schloss die Polizei das OSZE-Büro in Minsk.

So verlief das Leben des Hubert Gorbach also auch jenseits seiner politischen Karriere durchaus turbulent: Ein Mann schlägt sich durch. In seinem bislang letzten großen Interview vertraute er den „Vorarlberger Nachrichten“ im vergangenen März an, er sei „mit der Ertragssituation jetzt sehr zufrieden“. Verschmitzter Nachsatz: „Die Vergangenheit als Vizekanzler und Infrastrukturminister bietet natürlich Möglichkeiten. Wie man weiß, schaden Beziehungen ja nur dem, der sie nicht hat.“

Hubert Gorbach hat sie. Und seit einiger Zeit hat er auch noch ein zweites Standbein: Er ist zu 20 Prozent an einem Frastanzer Versicherungsbüro beteiligt. Dessen Name ist Programm: „Supergau“.