Grüne Wählerströme zu Heide Schmidt

Kandidatur des LIF auf Kosten der Grünen

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Heide Schmidt und Alexander Van der Bellen sind zwar per Du, aber sie haben auch eine Rechnung offen. Die Frontfrau des LIF konnte es dem Grünen-Bundessprecher nie nachsehen, dass er bei ihrer bislang letzten Kandidatur davor gewarnt hatte, jede Stimme für die Liberalen sei eine verlorene. LIF und Heide Schmidt flogen bei den Nationalratswahlen 1999 aus dem Parlament. Mit Schmidts Rückkehr in die Politik gewinnt die damalige Auseinandersetzung neun Jahre später wieder an Brisanz: Welches Wählerpotenzial hat das Liberale Forum, und wie viele Stimmen kostet dies die Grünen, die ihren dritten Platz bei der Nationalratswahl 2006 heuer voraussichtlich an die FPÖ verlieren werden?

Johannes Voggenhuber, EU-Abgeordneter und punktgenauer Analytiker der Grünen, hatte seine Parteifreunde gleich nach dem Platzen der großen Koalition aufgefordert zu handeln. „Die Regierungsparteien haben in Österreich ein ungeheures politisches Vakuum geschaffen. Die Grünen müssen die Ersten sein, die das füllen. Es ist ihre Stunde.“ Nach zwanzig Jahren Aufbauarbeit müssten die Grünen Antworten auf die Fragen geben, an denen die Koalition von Rot und Schwarz zerbrochen ist, forderte der EU-Parlamentarier: „Soziales, Demokratie, Europa und Bildung.“
Das war allerdings, bevor Heide Schmidt am 25. Juli ihre Kandidatur bekannt gab.

Inzwischen läuten im Team Van der Bellens die Alarmglocken. Meinungsforscher Wolfgang Bachmayer, OGM, kommt aufgrund der bisherigen Umfragen zum Ergebnis: Von jenen, die angeben, am 28. September das LIF wählen zu wollen, wählten vor zwei Jahren 36 Prozent die Grünen; 24 Prozent der potenziellen LIF-Wähler gaben der SPÖ, 16 Prozent der ÖVP ihre Stimme. Ein Viertel seiner Wähler könnte das LIF von Nichtwählern rekrutieren. Nach derzeitigen Umfragen dürfte das LIF auf vier Prozent oder rund 200.000 Wählerstimmen kommen – obwohl es bei seiner letzten Kandidatur 2002 nur 48.000 Wähler hatte und bei der Parlamentswahl 2006 überhaupt nicht angetreten war. In den derzeitigen Wahlkampf geht Heide Schmidt mit einem „Argumentarium“ für „Fairness in der Regierung“ und stellt den Anspruch, in einer Dreierkoalition mitzuregieren. Ob mit SPÖ oder ÖVP.

100.000 Stimmen. An der SPÖ werde das LIF nur „knabbern“, meint Imma Palme vom Meinungsforschungsinstitut IFES. Dagegen Peter Ulram von Fessel: „Die SPÖ kostet das LIF bis zu vier Prozent, doppelt so viel wie der ÖVP, die Grünen könnten an die zehn Prozent ans LIF abgeben.“ Tatsache ist: Vom Absturz des LIF nach dem starken Start bei seinem Erstantritt 1994 hat keine andere Gruppierung so profitiert wie die Grünen. Laut der Wählerstromanalysen des SORA-Instituts haben die Grünen bis 2002 insgesamt 100.000 Stimmen ehemaliger LIF-Wähler bekommen. Die ÖVP bekam 80.000, die SPÖ 50.000 ehemalige LIF-Wähler. Das LIF war immer auf Heide Schmidt zugeschnitten. Bei der Wahl 1999 hatte mehr als die Hälfte der Wähler ihre Person als maßgebliches Motiv bezeichnet. Christian Köck kritisierte als stellvertretender LIF-Bundessprecher nach dem Ausscheiden aus dem Parlament: „Man kann keine Partei ohne breite Basis führen. Das LIF war ein intellektuell spannendes und redliches Personenkomitee.“

Nun feiern Schmidts Anhänger die Rückkehr der „nach einem Urlaub gestärkten“ Frontfrau (Mentor Hans Peter Haselsteiner). Während die Grünen sich in den Mühen der Ebene verheddern und mit der Kandidatur des nach 110 U-Haft-Tagen entlassenen Tierrechtsaktivisten Martin Balluch Grundrechtsengagement signalisieren wollen, befindet Heide Schmidt: „Die Gesellschaft ist in den vergangenen Legislaturperioden nicht fairer geworden.“

In den Wahlprogrammen gibt es jede Menge Übereinstimmungen. Die Grünen fordern 900 Euro Grundsicherung, das LIF 750 Euro; die Grünen wollen Jahreseinkommen bis 100.000 Euro steuerlich entlasten, das LIF Einkommen bis 70.000 Euro. Beide sind für Gratiskindergarten und Abschaffung der Wehrpflicht. Die Auseinandersetzung wird inzwischen härter. Van der Bellen polemisierte etwa in Richtung von LIF-Finanzier Haselsteiner, der „faire Chancen für die Wirtschaft“ fordert: „Wenn ich mein Scherflein in Stiftungen geparkt habe, kann ich leicht stinken mit dem Ruf nach einem 80-Prozent-Spitzensteuersatz.“ Heide Schmidt gab sich beim Wahlkampfstart vom Grünen-Chef „besonders enttäuscht, denn es ist ein Grundübel zu glauben, jemand tue nur dann etwas, wenn er etwas davon hat“. Auf den Sachverhalt selbst ging sie nicht ein: „Ich spanne immer den großen Bogen.“

Von Marianne Enigl