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Grünschnäbelfutter

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Als Jugendlicher machte ich ausnahmslos das Gegenteil dessen, was mir väterliche Freunde rieten. Es hat mir gutgetan. Da ich nun zur anderen Seite zähle, haben die jungen LeserInnen zwei Möglichkeiten. Entweder nehmen sie meine Tipps ernst. Oder sie folgen meinem einstigen Beispiel und nehmen sie als Wegweiser in die andere Richtung. Mir ist beides recht. Hauptsache, sie helfen ihnen, die gerade maturieren oder promovieren und ab Herbst als working class managers die Wettbewerbsmärkte betreten. In höflicheren Zeiten musste jeder, der sich Ratschläge anmaßte, eine Legitimation vorlegen. Damit kann ich leider nicht dienen. Gemessen an den Ratgebern, die mir täglich per E-Mail ihre schlauen Erfolgsseminare und Karrieresachbücher andienen, fühle ich mich allerdings sicher. Diese selbst ernannten Konsulenten fallen in der Eigenwerbung durch schlechtes Deutsch auf. Womit wir schon bei den Tipps sind, für die ich als Anrede das Brief-Du wähle.

Tipp 1: Versuche spätestens mit Vollendung des 18. Lebensjahres so zu sprechen, dass Dich auch die Uralten, also jene über 30, gut verstehen können. Um gut verstanden zu werden, musst Du langsamer sprechen. Nichts trennt die Generationen wie die Lautstärke und Geschwindigkeit des Gesprochenen. Kinder schreien und sprudeln. Greise flüstern ein Wort pro Sekunde. Die Karrierejahrgänge liegen dazwischen. Um gut verstanden zu werden, muss man auch richtig verstanden werden. Wirf die Modewörter des Teenagers unverzüglich ab, sobald Du die Arena der Erwachsenen betrittst. Nur so sind Missverständnisse zu vermeiden. Ein Beispiel: „Fett“ bezeichnet derzeit in der Kindersprache etwas Tolles. In der Welt der Führungskräfte nicht so ganz, wie jeder Jungmanager erkennen wird, der seinem ersten Vorgesetzten sagt: „Ihre Idee ist echt voll fett.“

Tipp 2 hängt innerlich mit Nr. 1 zusammen. Er wird hier zwar Einsteigern gegeben, gilt aber auch für die meisten Erwachsenen: So wichtig wie gutes Reden ist gutes Zuhören. Es kostet weniger Mühe, aber mehr Disziplin. Aufmerksam zuhörende Trainees werden als wohltuend, plappernde als peinlich empfunden, so wie altkluge Kinder. Zu­hören ist ein Gebot der Klugheit, weil es Sympathien einträgt; es wertet den Gesprächspartner auf. Es ist auch ein Gebot des Egoismus. Nur durch Zuhören lernt man Neues. Alles, was man selber sagt, kannte man schon. Zu diesem Thema zwei Teilaspekte. Beim ersten bitte ich, nicht gleich wieder „Macho!“ zu rufen. Von Personalmanagern weiß ich, dass es Frauen gibt (und ausschließlich Frauen), die eher an Problembesprechung als an Problemlösung interessiert sind. Daran scheiterten im Privatleben schon viele Männer. Im Berufsleben verschlechtert es die immer noch unbefriedigende Erfolgsstatistik der Frauen. Der zweite Teilaspekt betrifft die Ausnahme des Erkenntnisgewinns durch Geschwätzigkeit, wie wir sie in männlichen Süffler-Runden an Bartheken beobachten. Man nennt dies „Sprech-Lernen.“ Es funktioniert meist nur mithilfe von Alkohol. In diesem Fall diktiert ein enthemmter Geist einer immer langsameren Zunge den Inhalt. So wird in Barrunden immer wieder die Welt gerettet, nur erinnert sich anderntags keiner genau, wie. Dies nur nebenbei. Für Deine künftige Karriere ist es unerheblich.

Tipp 3: Suche den Idealberuf in Dir selbst. Wir glauben heute zu wissen, dass alle namhaften Karrieren mit echter Leidenschaft verbunden sind. Du musst in Dich hineinhören: Was würdest Du wirklich gern machen, notfalls um wenig Geld und sechzehn Stunden pro Tag? Das ist schwierig, da man als später Teen und früher Twen sich selbst noch nicht völlig durchschaut. Man kennt auch nicht alle Berufe, die infrage kommen. Dennoch scheint es ein besserer Weg, als fremde Ratgeber zu fragen. Oder gar die Eltern, die schlimmste Quelle aller Übel, vergiftet durch Liebe, guten Willen und völligen Mangel an Sachverstand. Darüber muss man gründlich sprechen, denn darin liegt die größte Gefahr. Kein Berufsberater hat Kinder je so zuverlässig in berufliche Verzweiflung, oft auch in ewiges Elend gestürzt wie die beflissenen Zeuger. Die Schlimmsten innerhalb der Schreckenshierarchie der Eltern sind jene Väter (bei gleichzeitig schwachen Müttern), die den Kindern ihren eigenen Beruf aufdrängen. Ein Hauptschulfreund, das Ge­nie der Klasse, nach Ansicht auch aller Gymnasial-Pädagogen angelegt zu Nobelpreisen, wur­de vom geisteseifersüchtigen Vater in den Beruf eines Formers & Gießers gezwungen, ins Elend der Unterforderung, mit logisch schrecklichem Ausgang. Die Mütter, im Ganzen beweglicher und besser als die Väter, lieben leider den Begriff Sicherheit über Gebühr, als hätte es diesen jemals gegeben. Noch vor zehn Jahren, als die Verschlankung von Bürokratie und verstaatlichter Indus­trie längst beschlossene Sache war, wurden Muttersöhnchen immer noch in eine Berufswelt geschoben, die kleines Einkommen mit nun auch kleiner Sicherheit verband. Oder man zwang sie in Berufe, die kurz in Mode waren, aber bald schon im Wege des ökonomischen „Schweinezyklus“ (jedes Schwein wollte hinein) wertlos wurden.

Tipp 4: Dein Glück und Dein Erfolg liegen wesentlich bei Dir, trotz aller Schicksalsschläge, die es für jeden gibt und für jeden anders. Widerstehe der Versuchung, der unaufrichtigsten Frage der Welt („Wie geht es Ihnen?“) die dümmste Antwort zu geben: „So wie die anderen wollen.“ Wenn Du so antwortest, bist Du zwar praktisch schon tot, aber noch nicht am Ende. Dann setzt Du einmal mit dem Würfeln aus und fängst noch einmal von vorne an.