Hades gegen die Philister

Hades gegen die Philister

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Anfangs schien’s ihm nicht mehr als ein schauriger Scherz des recht lauen heurigen Faschings zu sein. Ein griechisches Gericht verurteilte Gerhard Haderer, den Verfasser des Buchs „Das Leben des Jesus“ (2002), auf Antrag der griechisch-orthodoxen Kirche in seiner Abwesenheit wegen „Gotteslästerung“ zu sechs Monaten Haft. Und stellte auch gleich einen „europäischen Haftbefehl“ aus. Dem leistet Österreich zwar (noch?) nicht Folge, aber es gibt bis zur Stunde auch keinen Politiker, sei es aus Außen- oder Kunstministerium, der ein Ohrwaschel gerührt hätte, um dem österreichischen Künstler staatsbürgerlichen Schutz zuzusichern.
Am kommenden Dienstag wird Haderer daher im Wiener Café Landtmann in einer Pressekonferenz um zehn Uhr vormittags über alle Wunderlichkeiten dieser anachronistischen Attacke auf ihn reden. Darüber zum Beispiel, dass weder der griechische Verlag noch der griechische Übersetzer auch nur angeklagt, geschweige denn verurteilt wurden, und darüber, dass sein deutschsprachiger Originaltext von einem Gericht abgeurteilt wurde, das diesen gar nicht lesen konnte.
Und darüber, dass die Übersetzung ins Griechische keinesfalls die einzige war; zuvor war das Buch schon auf Französisch, Ungarisch, Tschechisch, Kroatisch und, sensationell, Südkoreanisch erschienen. Nur die Bärtigen vom Berg Athos und Umgebung fanden Haderers Interpretation des Lebens des Erlösers unorthodox – vermutlich exakt so, wie die damalige Umwelt Jesus selbst beargwöhnt hat. Er war ja auch zusammen mit Johannes dem Täufer, Matthäus und Petrus so was wie die Rolling Stones der Religion. Er hatte ja auch andere Ansichten vom Leben und Überleben als die hergeschwätzten Tempelwanzen. Weil er, doch ziemlich unumstritten, ein klein wenig aus der Reihe fiel, musste er einem Mann auffallen, den das bigotte Betbrüderbild störte, mit dem ein Outcast oberflächlich steril übertüncht wird.

Haderer“, sagt Haderer, „ist nur gut, wenn er aggressiv ist. Er ist schlecht, wenn er sich wohl fühlt.“ Augenblicklich müsste er deshalb am besten sein, denn ihm ist elend zumut. Erstens der natürlichen Angst wegen, unser Land nicht verlassen zu können, denn an jeder Grenze wäre seine Verhaftung durchaus möglich; zweitens, „weil ich nicht angetreten bin, um alle griechischen Gesetze zu brechen, sondern um einen Beitrag abzuliefern, wie Jesus heutzutage auch verstanden werden kann“. Und drittens aus dem intellektuellen Zorn, nicht einsehen zu wollen, warum er ironisch, herzhaft mitleidend, aber sich mit sardonischen Fuß-Noten revanchierend, die bequeme Welt nicht in den Hintern treten dürfe. Seit vielen Jahren gibt er unter dem höllischen Namen „Hades“ witzige, wehe und wütende Lebens-Zeichen von sich – und auf einmal wollen griechische Philister, dass er dem Glauben an den Verstand des Menschen abschwört?

Seit 1984, als er im profil begann, haben allmählich „stern“, „titanic“ und „GEO“ um seine be-zeichnende Hand angehalten, aber dennoch ist die allgemeine Anerkennung nichts, was Gerhard Haderer glücklich machen könnte.
Er ist mit dem feinen Hintersinn des darstellerischen Denkers imstande, nicht nur politisch abstoßend Mediokres, medienunwürdig Makabres, sondern generell gesellschaftlich Mieses auf seinen subkutanen Strich zu schicken. Die Mächtigen und die Prächtigen schickt er dorthin, denn er will, dass die Werke seines fast unauffälligen Widerstandskampfs unter die Haut gehen.
Das scheint ihm mit seinem Jesus-Buch auch gelungen zu sein, doch mangelt es den Rezipienten an Respekt vor seiner Subjektivität. Vergangenen Mittwoch haben sich in seiner Heimatstadt Linz Griechen bei ihm für ihre Kirchenväter entschuldigt und ihm zugesichert, sie seien „äußerst irritiert“ von diesem beklemmenden Urteil.
Doch Haderer ist kein Heiliger, er hält nicht auch noch die andere Backe hin, sondern er teilt aus: „Verurteilt zu werden für einen Text, den die Richter gar nicht verstanden haben, ist in unserer Zeit etwas Ungeheuerliches – wenn ich sage, Jesus war ein Mann, sollte das kein kerkerwürdiges Verbrechen sein.“
Noch dazu, da er die Ergebnisse jener Forschungen, die die BBC vor vier Jahren durchführen ließ, gar nicht berücksichtigt hat; den Experten zufolge hatte Jesus schwarzes, afrikanisch anmutendes Wuschelhaar, eine Knollennase, einen dichten Bart, entsprechend der Form des vermeintlichen Schädels kein europäisches Blut in den Adern, dafür aber aufsehenerregende tiefblaue Augen, eine Augenfarbe, die in diesen Gegenden nicht alle Tage vorkommt. In politisch korrekten Zeiten hätte er kein Leiberl gehabt, denn er hat Menschen harsch aufgefordert, ihr Bett zu nehmen und zu gehen, zu Hochzeiten ließ er jede Menge Wein kommen, übers Wasser ging er nur.
Hades ist auch kein korrekter Mensch; wo sich Mörderisches maskiert, wo Gemeines versteckt wird, ist seine Botschaft drin. Hütet euch vor meinen Gezeichneten.
Denn er will alles sein, „nur kein Humorist“.