Handel: Eigenes Süppchen kochen

Handel: Eigenes Süppchen

Rewe und Spar setzen stärker auf Eigenmarken

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In Gerhard Drexel bricht der Jungvater durch. Mit Hingabe und merklicher Fachkenntnis referiert er über Tragekomfort, Beinfreiheit und vor allem Fassungsvermögen von Höschenwindeln. Stolz verweist der Vorstandschef von Spar schließlich auf eine Studie des deutschen Fresenius-Instituts: „Darin wurde erhoben, dass unsere Pretty-Baby-Windel einen Dreiviertelliter Flüssigkeit aufnehmen und speichern kann“, berichtet Drexel. „Mehr als Markenprodukte wie Pampers.“

„Pretty Baby“ ist eine so genannte Eigenmarke von Spar. Ein Produkt, das die Handelskette bei einem Hersteller ordert und ausschließlich in den eigenen Filialen verkauft. In Österreich werden heute bereits 11,5 Prozent der Lebensmittel und fast 16 Prozent der Drogeriewaren unter solchen vom Handel kreierten Marken verkauft. Tendenz: steigend.

Es ist nicht die schiere Freude daran, eigene Namen zu erfinden, die Handelsketten dazu veranlasst, diesen Geschäftsbereich sukzessive auszubauen. Eigenmarken sind ein ertragreiches Produktsegment, das zudem zu einem immer wichtigeren Instrument geworden ist, um auch die preisbewusste Schnäppchen-Kundschaft weiterhin zum Besuch der Billa- und Spar-Läden zu animieren. Denn die großteils mit Kampfpreisen agierenden Diskonter haben den etablierten Ketten in den vergangenen Jahren deutlich zugesetzt.

Preiskampf. Im Vorjahr brachten es Hofer und Lidl im österreichischen Lebensmitteleinzelhandel bereits auf einen Marktanteil von 20 Prozent. Zudem will auch Zielpunkt-Chef Johann Schwaiger die Billigschiene Plus weiter ausbauen und erwägt jetzt sogar eine vollständige Umstellung aller 345 Filialen. Mit Markenartikeln allein könnten Rewe und Spar diesem steigenden Druck längst nicht mehr entgegenwirken. Martin Prantl vom Marktforschungsinstitut ACNielsen sieht den forcierten Einsatz von Eigenmarken daher „natürlich auch als eine Reaktion auf diese Diskonter“.

Eigenmarken machen für den Handel in mehrfacher Hinsicht Sinn. Für Veit Schalle, Generalbevollmächtigter von Rewe Austria, sind sie „integraler Bestandteil unserer Konzernstrategie“ und würden zudem „nicht nur Kundenbindung, sondern auch eine Differenzierung zum Mitbewerb“ schaffen. Das Unternehmen führt in seinen Ketten Billa, Merkur, Mondo/Penny und Emma mittlerweile vier Eigenmarken mit sehr unterschiedlicher Positionierung. Mit „ja!Natürlich“ wurde 1994 eine eigene Biomarke kreiert, die preislich gleichauf mit den klassischen Markenartikeln liegt. Etwas günstiger sind „Quality First“ (ehemals „Quality Line“) und „Chefmenü“. 1999, als die Diskonter begannen, den Markt aufzumischen, wurde die Billigmarke „Clever“ gestartet. Heute zeichnen die Rewe-Eigenmarken für 20 Prozent des Gruppenumsatzes verantwortlich.

Gerhard Drexel erwirtschaftet mit seiner Eigenmarkenpalette – „Spar“, „Spar Natur pur“, „Regio“, „Tann“ und „Pretty Baby“ – sogar 22 Prozent des Umsatzes und möchte den Anteil mittelfristig auf 25 Prozent ausbauen. Er sieht diese als „preisliche Waffe“ gegen die Diskonter, zudem aber auch als Chance, eine höhere Gewinnspanne als mit Markenartikeln zu erzielen, was nur auf den ersten Blick wie ein Paradoxon erscheint. Waren, die keine bekannten Markennamen tragen, können vielfach ungleich billiger eingekauft werden. Die großen Markenartikelerzeuger müssen ständig Geld in die Entwicklung und Werbung investieren. Entsprechend hoch sind demnach bereits die Einkaufspreise für den Handel. Eigenmarken hingegen werden mit geringem oder ganz ohne Einsatz von Werbemitteln auf den Markt gebracht. Entwicklungskosten fallen zudem meist gar nicht oder nur in sehr geringem Ausmaß an, weil die Ketten auf bewährtes Know-how zurückgreifen, also Markenartikel kopieren oder gleich beim selben Hersteller fertigen lassen. Und die wiederum sind froh, wenn sie ihre freien Kapazitäten füllen können, und sind meist gerne bereit, die Produktion zu übernehmen. Thomas Oliva, Geschäftsführer des österreichischen Markenartikelverbandes, sieht dies freilich ein wenig anders: „Das lässt bei uns natürlich nicht gerade Freude aufkommen. In unseren Statuten wurde deshalb jetzt auch festgehalten, dass nur jemand Mitglied werden kann, der überwiegend Markenartikel herstellt und Handelsmarken, wenn überhaupt, nur in anderer Qualität fertigt.“

Qualitätsstreit. Seit neun Jahren versucht der Markenartikelverband nun schon mit steigender Intensität, die Kunden mit Werbekampagnen bei der Stange zu halten. Die Handelsmarken werden darin gerne als minderwertig dargestellt. Slogans wie „Achten Sie auf die Marke“ und „Geizen Sie nicht bei der Hautpflege“ sollen suggerieren, dass sich Konsumenten mit dem Griff zur „billigen Kopie“ nichts Gutes tun. „Markenartikel sind auch tatsächlich besser als Handelsmarken“, beteuert Geschäftsführer Oliva. Die steigenden Marktanteile der Eigenkreationen des Handels will er dennoch nicht als Bedrohung sehen: „Wir fürchten uns nicht. Ein Markenartikler muss ohnehin ständig Innovationen bieten und kann nicht einfach die Hände in den Schoß legen.“ Außerdem könne ein Nachahmer „eine Rezeptur abkupfern, nicht aber das Know-how“.

Den angeblichen Qualitätsunterschied auch zu dokumentieren fällt den Markenartikelherstellern unterdessen nicht immer leicht. „Tests von Konsumentenschützern haben unseren Produkten immer wieder ausgezeichnete Noten eingebracht“, sagt Martina Hörmer, Leiterin der Eigenmarkenabteilung bei Rewe Austria. Ihr Chef Veit Schalle ergänzt: „Letztlich steht für den Kunden die Qualität im Mittelpunkt und nicht die Frage, wem die Marke gehört.“

Unbegrenzt ausbauen können die Handelsketten ihren Eigenmarkenanteil dennoch nicht. Schließlich suchen Kunden auch ganz gezielt nach Markenartikeln, vielfach sind gerade diese es, deretwegen die Kunden ins Geschäft kommen. „Ich hielte das auch nicht für die richtige Antwort auf die Diskonter“, meint ACNielsen-Experte Prantl. „Die etablierten Ketten sollten besser versuchen, Mehrwert wie Beratung und Service zu bieten. Das Preismatch gegen die Diskonter können sie auf Dauer nicht gewinnen.“

Von Martin Himmelbauer