Skandal um das Klagenfurter Stadion

Handspiel

Die Affäre zieht immer weitere Kreise

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Der vierseitige Folder verspricht „ein Top-Seminar mit den führenden Experten“. Am 19. April 2005 bittet der Konferenz- und Seminarveranstalter Business Circle ein Fachpublikum ins Wiener Hotel Regina. Der etwas hölzerne Titel der ganztägigen Veranstaltung: „Ausschreibungen im öffentlichen Hoch- und Tiefbau. Bauvergaben für Praktiker“. Das Fachseminar wird sämtliche Kapazitäten auf dem Gebiet des Vergaberechts aufbieten. An der Spitze der Referentenliste: die Wiener Universitätsprofessoren Josef Aicher und Michael Holoubek. Um wohlfeile 790 Euro pro Person darf sich der Seminarteilnehmer laut Einladung „Antworten auf zentrale Fragen bei der Vergabe“ sowie „Lösungsansätze bei ausgewählten Spezialproblemen“ erwarten.
Von der Erörterung eines gewissen „Spezialproblems“ werden die Professores aller Voraussicht nach eher absehen: des Skandals um den Neubau des Klagenfurter Fußballstadions. „Wir geben zu diesem Verfahren keine öffentliche Stellungnahme ab“, sagt Holoubek, nebenbei auch Vorsitzender der Bundesvergabe-Kontrollkommission.
Sie tun wahrscheinlich gut daran. Die Gelehrten Aicher und Holoubek haben bereits vor Wochen einen Schriftsatz zum umstrittenen Stadionbau verfasst, der den Skandal in ein völlig neues Licht rückt.
Die Expertise umfasst 64 Seiten und war ursprünglich von FPÖ-Sportstaatssekretär Karl Schweitzer in Auftrag gegeben worden. Schweitzer wollte mit dem Gutachten einen heftigen Streit schlichten, der im Dezember 2004 in Kärnten ausgebrochen war. FPÖ-Landeshauptmann Jörg Haider hatte den Verdacht geäußert, dass es beim Vergabeverfahren nicht mit rechten Dingen zuginge. Das Land Kärnten, das immerhin ein Drittel des 60 Millionen Euro teuren EM-Stadions zahlen soll, befürchtete eine Prozesslawine und exorbitante Schadenersatzforderungen.
Haider sprach von „ungeheuerlichen Mauscheleien“ in der Vergabekommission, von „Mafia-Methoden“ und „Wiener Strizzis“, die den prestigeträchtigen Bauauftrag dem Wiener Baukonzern Porr AG zuschanzen wollten. Klagenfurts ÖVP-Bürgermeister Harald Scheucher wiederum unterstellte Haider, er wolle „das Stadionprojekt in die Luft sprengen“, weil die vom Landeshauptmann angeblich favorisierte Bauholding Strabag in der Gunst der Vergabejury aussichtslos abgeschlagen sei.

Der Eklat war perfekt. Das bei den Professoren in Auftrag gegebene Gutachten sollte untersuchen, ob es im Vergabeverfahren tatsächlich zu Verstößen gegen das Vergabegesetz gekommen ist oder nicht. Am 10. Jänner 2005 wurde die Expertise übergeben. Tags darauf frohlockte Bürgermeister Scheucher: „Das Gutachten hat kleine Verfahrensmängel festgestellt, aber die sind locker sanierbar.“
Das Vergabeverfahren wurde fortgesetzt, wenn auch unter schwierigsten Bedingungen. Von Beeinflussung der Kommission war die Rede. Der Vorwurf des Bruchs des Amtsgeheimnisses wird geprüft. Der Verdacht der illegalen Parteienfinanzierung steht im Raum. Es hagelte Anzeigen und Gegenanzeigen.
Am Abend des 7. März 2005 kürte die Jury trotz aller Bedenken und Unwägbarkeiten das Siegerprojekt. Ein Konsortium um die Wiener Allgemeine Baugesellschaft A. Porr AG und die Salzburger Alpine-Mayreder-Gruppe erhielt den Zuschlag. Die fünf übrigen Mitbieter gingen leer aus – Strabag (Kärnten), Swietelsky (Oberösterreich), Granit (Steiermark) sowie die deutschen Gruppen Max Bögl und Hellmich/Queck.

Elfmeter. Bei der Präsentation des Siegerprojekts geriet der Vorsitzende der Vergabekommission, Peter Gattermann, ins Schwärmen. Der Porr-Entwurf habe gewonnen, weil das Projekt „im Detail so hervorragend durchgearbeitet ist“. Gegenüber profil präzisiert Jury-Chef Gattermann: „Ich habe selten einen Wettbewerb geleitet, bei dem ein Bieter den anderen dermaßen überlegen war. Der Abstand ist kolossal.“

Genau bei diesem Punkt haken die unterlegenen Mitbewerber nun ein. „Das gesamte Vergabeverfahren war schlicht und ergreifend eine Farce“, sagte Ralf Pock als Rechtsanwalt der Strabag vier Tage nach Präsentation des Siegerprojekts. Die Strabag wie auch alle anderen unterlegenen Bietergruppen beeinspruchten den Jury-Entscheid Offensichtlich hat der Bauherr, Klagenfurts ÖVP-Bürgermeister Scheucher, das Gutachten nicht genau gelesen. Oder er wollte es gar nicht so genau wissen. Denn wovor ihn sein eigener Magistratsdirektor bereits zu Jahresende 2004 gewarnt haben soll – nämlich vor massiven Verfahrensmängeln –, davon ist auch in dem Gutachten von Aicher und Holoubek zu lesen.
Das Dossier, dem bislang keine Öffentlichkeit zuteil wurde, liegt profil vor. Es enthält handfeste Indizien dafür, dass es nicht erst bei der Vergabe, sondern vielmehr schon während der Ausschreibung zu massiven Unregelmäßigkeiten gekommen sein könnte. Ein involvierter Anwalt: „Dieses Gutachten ist ein echter Hammer.“

Doppelrolle. Im Zentrum des Verdachts: Architekt Albert Wimmer. Der 57-jährige Wiener arbeitet seit 1977 als selbstständiger Architekt und entwarf etwa den Innsbrucker Sport- und Freizeitpark Tivoli-Neu, auch das neue Fußballstadion in Salzburg geht auf sein Konto. Zusammen mit dem Klagenfurter Architekturbüro Ogris/Steinthaler hatte sich Wimmer aufseiten der Porr/Alpine-Gruppe um den Stadionbau Klagenfurt beworben – und gewonnen.
Wimmer war es auch, der bereits 2002 eine detaillierte „Projektstudie“ für ein neues Fußballstadion in Klagenfurt erstellt hatte. Diese Planungsstudie war am 6. November 2003 in Form einer Computeranimation Funktionären des Europäischen Fußballverbandes UEFA präsentiert worden, damit sich diese ein Bild vom künftigen Klagenfurter Stadion machen können.
Der spätere Masterplan der Stadt Klagenfurt, in dem die grundsätzlichen Erfordernisse formuliert sind, basiert in wesentlichen Teilen auf jener Projektstudie aus dem Jahr 2002. Während Wimmer die Projektstudie selbst erstellt hatte, erhielten die übrigen Architekten, die sich am Wettbewerb für das EM-Stadion beteiligten, mit den Ausschreibungsunterlagen bloß die UEFA-Computeranimation mitgeliefert. Die Gutachter halten fest: „Treffen die tatsächlichen Annahmen dieser Variante zu, ist davon auszugehen, dass der Wettbewerbsvorteil (Wimmers, Anm.) jedenfalls nicht vollständig ausgeglichen wurde. Dies zum einen deswegen, weil der Wettbewerbsvorteil durch die Beteiligung an der Erstellung von Ausschreibungsunterlagen deutlich größer ist, zum anderen deswegen, weil nicht alle wesentlichen Teile der ... erstellten Studie auch den anderen Bewerbern und Bietern zur Verfügung gestellt wurden.“
Die vom Land Kärnten engagierte Rechtsanwaltskanzlei Fink & Sundström stieß bei der Aufarbeitung der Affäre auf eine Rechnung von Ogris/Steinthaler, die belegen soll, dass die Architekten des späteren Siegerprojekts sogar noch nach dem Start der Ausschreibung Leistungen für die öffentlichen Auftraggeber erbracht hätten. Auszug aus dem Gutachten: „Erstere Aussage kann durchaus so verstanden werden, dass die Projektstudie für den alten Standort das Leistungsverzeichnis, möglicherweise auch das Pflichtenheft für den neuen Standort viel stärker beeinflusst hat, als es der Auftraggeber wahrhaben will …“ Und weiter: „Zweitere Aussage könnte sogar die Annahme von Fink & Sundström stützen, dass Ogris/Steinthaler am Masterplan für den neuen Standort zumindest mittelbar mitgearbeitet haben.“

Unvereinbarkeit. Aus dem Juristischen übersetzt: Wimmer und seine Kollegen bei Ogris/Steinthaler hätten demnach einerseits die Spielregeln der Ausschreibung festgelegt, andererseits als Partner der Porr/Alpine-Gruppe an der Ausschreibung teilgenommen – und gewonnen. Das Resümee der Professoren: „Unter der Annahme … wäre daher das Angebot der Bietergemeinschaft Porr/Alpine … auszuscheiden.“
Wimmer war für eine Stellungnahme nicht zu erreichen. Martin Steinthaler aus dem Architekturbüro Ogris/Steinthaler sagt dazu lediglich: „Ich kenne die Vorwürfe nicht, weil die Gutachten nicht öffentlich sind. Wir haben alle Leistungen für die Stadt Klagenfurt korrekt abgerechnet.“
Aufklärungsbedürftig erscheint in diesem Zusammenhang auch der überaus
rege E-Mail-Verkehr zwischen einzelnen Beteiligten. Die Gutachter Aicher und Holoubek dokumentieren einen Schriftwechsel zwischen einem ranghohen Beamten im Bundeskanzleramt und einem ehemaligen Mitarbeiter von Architekt Wimmer.
Dieser Mitarbeiter war offiziell vor Monaten, jedenfalls aber vor der Eröffnung des Vergabeverfahrens von Wimmer zum Österreichischen Institut für Schul- und Sportstättenbau (ÖISS) gewechselt. Das Institut leitete das Vergabeverfahren. Für seinen neuen Arbeitgeber wirkte der Fachmann maßgeblich an der Erstellung des so genannten Pflichtenheftes mit. Die im Pflichtenheft aufgelisteten technischen Anforderungen muss jeder zum Wettbewerb eingereichte Entwurf bis ins kleinste Detail erfüllen. Aus bislang ungeklärten Gründen kommunizierte der Beamte aus dem Bundeskanzleramt mit dem vormals bei Wimmer beschäftigten Architekten weiterhin über eine E-Mail-Adresse bei Architekt Wimmer. Zumindest ein Mail, adressiert an Wimmers Büro, bezog sich dabei nachweisbar auf konkrete Bieteranfragen der (später unterlegenen) oberösterreichischen Baugruppe Swietelsky. Der Verdacht wiegt schwer: Architekt Wimmer könnte mithilfe seines ehemaligen Mitarbeiters an delikate Informationen über die Konkurrenzangebote gelangt sein.
Auf der österreichischen Internet-Plattform für Architekten wird dieser Mitarbeiter übrigens noch immer als Mitglied in Albert Wimmers Team angeführt.