Neuer Verdacht gegen HPM

Neuer Verdacht gegen Hans-Peter Martin

Affäre. Hans-Peter Martin soll auch EU-Gelder falsch abgerechnet haben

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Wie war das noch? „Politischer Willkürakt“, „wild gewordene Bürokraten“, „Geheimverfahren wie in einer Diktatur“: In dieser Tonart fuhr Hans-Peter Martin ab 2006 gegen die EU-Parlamentsdirektion an. Die Herren waren, wie ihnen der Europäische Gerichtshof später beipflichten sollte, der Ansicht, der EU-Abgeordnete habe rund 164.000 Euro aus der so genannten Sekretariatszulage regelwidrig verwendet und möge den Betrag daher zurückzahlen.

Bemerkenswert ist, dass Martin offenbar tatsächlich meint, dass das höchstgerichtlich bestätigte Vergehen kein Subs­trat hatte. Neuen Vorwürfen zufolge soll er weiterhin munter der kreativen Buchführung frönen.

profil vorliegende Unterlagen nähren den Verdacht, Martin habe einmal mehr Gelder des EU-Parlaments regelwidrig verwendet. So soll er den befreundeten Tübinger Holger M. nur zum Schein als parlamentarischen Assistenten eingestellt und ihm überdies Honorare bezahlt haben, denen keine Leistungen gegenüberstanden.

Die Bestimmungen, unter welchen EU-Parlamentarier ihre Ausgaben für Assistenten geltend machen können, sind vom EU-Parlament klar geregelt: Die Arbeit des Mitarbeiters muss im Zusammenhang mit der Abgeordnetentätigkeit stehen.

Im Fall von Martins Assistenten M. soll das nicht der Fall gewesen sein. Diesen Vorwurf erhebt Martin Ehrenhauser, ehemaliger Mitstreiter von Hans-Peter Martin und nunmehr freier EU-Parlamentarier. Ehrenhauser war es auch, der vor einem Jahr eine Sachverhaltsdarstellung an die Staatsanwaltschaft Wien verfasste, wonach Martin über eine Million Euro der österreichischen Wahlkampfkostenrückerstattung missbräuchlich verwendet haben soll. Der Verdacht lautet auf Untreue in Zusammenhang mit öffentlichen Förderungen (profil 17/2012). Martin kommentiert die Angelegenheit nicht mehr.

Auch zu den nun erhobenen Vorwürfen schweigt er. Aus den vom Europäischen Parlament geführten Kostenaufstellungen für Hans-Peter Martin erschließt sich ein vertragliches Dienstverhältnis zwischen Martin und Holger M. zwischen Jänner und Oktober 2010: M. wird in jenem Zeitraum als parlamentarischer Assistent geführt, mit einem monatlichen Gehalt von 3543,40 Euro. Bis Oktober wird M. auf diesem Weg 35.434 Euro erhalten, zuzüglich Sozialabgaben wird sein Posten im EU-Parlamentsbudget mit 67.434 Euro zu Buche schlagen.

Was M. für dieses Geld geleistet hat, ist mehr als unklar. M. und Martin dürften zu dieser Zeit nicht gut aufeinander zu sprechen gewesen sein. „Mit HP gibt’s nur zufälligen Kontakt, wir grüßen uns immerhin, und manchmal gibt’s Smalltalk“, mailt M. im September 2010 an Ehrenhauser. Ein „zufälliger Kontakt“ deutet nicht eben auf eine enge Zusammenarbeit zwischen Abgeordnetem und Assistenten hin.

Doch es kommt noch besser: In einem Telefonat mit Ehrenhauser im Oktober 2010 plaudert M. offen darüber, wie es zu seiner „Anstellung“ überhaupt gekommen ist: Er habe Martin gebeten, ihn für den Jänner 2010 fest einzustellen, damit er Arbeitslosengeld beantragen könne; Martin habe ihm darauf eine Anstellung auf ein Jahr zugesagt. So erzählte es M., erzählt Ehrenhauser. Auf die Frage, was M. für Martin geleistet habe, soll M. gesagt haben: „Ich habe nichts gemacht auf gut Deutsch.“ Denn bereits im April soll es zwischen M. und HPM zum Bruch gekommen sein.

Im Jahr zuvor, also 2009, hatte Martin dem Tübinger im Juli 17.200 Euro aus EU-Geldern überwiesen – unter dem Titel freiberuflicher Mitarbeiter. Die Zahlung war als „Vorschuss“ für das zweite Halbjahr 2009 gedacht und sollte am Jahresende abgerechnet werden. Nur: Vorschüsse sind in den „Durchführungsbestimmungen zum Abgeordnetenstatut“, welche auch die Übernahme von Kosten regeln, nicht vorgesehen. Ausgaben für angekaufte Leistungen dürfen nur „gegen Vorlage einer detaillierten Rechnung … über die vom Dienstleister tatsächlich erbrachten Leistungen“ übernommen werden – also nicht im Voraus.

Dass M. wusste, worauf er sich da ­eingelassen hatte, ist zu bezweifeln. Wie er Ehrenhauser erzählte, habe ihm Hans-Peter Martin rund 7000 Euro, welche M. im Zuge des Wahlkampfs 2009 für Martin ausgelegt hatte, nicht rückerstattet – wohl aber die Belege dafür eingesackt. „Die hat er behalten, und die rechnet er jetzt wahrscheinlich bei sich irgendwo ab. Klar! Die Belege hat er behalten, also diese 7000 Euro, wo ja auch sein Champagner um 180 Euro dabei ist“, soll sich M. bei Ehrenhauser beschwert haben; laut Martins ­Ansicht wären M.s Ausgaben über die ­Anstellung als EU-Assistent ohnehin abgegolten worden.

Das freilich würde – im Umkehrschluss – nichts anderes bedeuten, als dass Martin Ausgaben der „Liste Dr. Hans-Peter Martin“ für den Europa-Wahlkampf 2009 dem EU-Parlament untergeschoben hat.
Martin? Wie gesagt, schweigt.

Holger M., welcher von profil mehrmals vergeblich kontaktiert wurde, dürfte auch für die Ermittler in der Wiener Justiz von Interesse sein. Auch M. will jener Tübinger Psychologe, dem Martin über 800.000 Euro aus der österreichischen Wahlkampfkostenrückerstattung überwiesen hat, während des Wahlkampfs der „Liste Martin“ nie aufgefallen sein.