„Happy Housbands"

Mangelware. Männer, die zugunsten der Familie ihre Karriere reduzieren

Drucken

Schriftgröße

„Ich weiß, wie ­unser ­Kinderarzt heißt“
Mischa Kirisits, Sozialarbeiter

„Natürlich hätte ich mich auch dafür entscheiden können, weniger Zeit in meine Kinder zu investieren, dafür vielleicht irgendwann mal Chef zu sein und 90 Stunden zu hackeln.“ Dass er sich eher nicht dafür entscheiden würde, war für Mischa Kirisits aber schon vor der Geburt seines ersten Sohnes Filip, 13, klar. Heute arbeitet der Diplomsozialarbeiter 35 Stunden pro Woche, seine Frau 32 Stunden, und die mittlerweile zwei Söhne werden von beiden Elternteilen versorgt. Zweimal eineinhalb Jahre lang war Kirisits in Karenz und zehrt bis heute von dieser Zeit: „Ich konnte eine viel stärkere Bindung zu meinen Kindern aufbauen. Dafür werde ich von Vätern in meinem Umfeld auch beneidet. Ich weiß, wie unser Kinderarzt heißt, wie die Zahnbürste meines Kleinen aussieht. Ich könnte ohne Probleme auch einmal zwei Wochen allein für die beiden sorgen. Ich stehe voll auf diese Art von Väter-Kompetenz.“ Nicht dass ihm diese Kompetenz immer abgenommen wurde. „Am Spielplatz war ich oft der einzige Mann weit und breit. Und natürlich habe ich dann von den Müttern dort viele gute Tipps bekommen, wie ich was zu tun hätte. Das nervt einigermaßen. Die haben sich zum Teil richtig gefreut, wenn mir mal der Kinderwagen umgekippt ist.“ Als gutes Beispiel wirkt Kirisits’ 50/50-Programm (ein unterschätzter Vorteil übrigens: „Wenn man gestern die Fenster geputzt hat, kann man heute ohne schlechtes Gewissen die Füße hochlegen, wenn die Frau Staub saugt“) auch generationenübergreifend: „Der Opa macht neuerdings viel mehr im Haushalt.“

„Man muss nur umdenken“
Rainer Tiefenbacher, ­Projektentwickler

Rainer Tiefenbacher lebt am guten Rand von Wien: waldnah, großbürgerlich, klassische Porsche-Gegend. Rainer Tiefenbacher ist allerdings kein klassischer Anrainer. Vor zwei Jahren hat er sein Auto verkauft, an seinem Balkon wehen tibetanische Gebetsfahnen, und er spricht von der anderen Welt, die möglich ist: vom Ballastabwerfen, vom alternativen Wirtschaften, vom Schenken und Tauschen und davon, dass er all das gern auf die Mann-Frau-Beziehung umlegen will: „Es muss nicht für jede Leistung einen Preis geben, nicht für alles eine Geschäftsgrundlage. Ich will eine Familie, die eine Familie ist und kein Unternehmen. Ich will kein Zeitmanagement brauchen. Die guten Dinge sollen einfach passieren können.“ Früher war Tiefenbacher als Unternehmensberater und Projektmanager tätig, in aller Welt unterwegs und eher kein Familienmensch: „Meine Frau und ich haben das Kinderkriegen immer wieder aufgeschoben, weil nie der richtige Zeitpunkt dafür war.“ Dann, vor sieben Jahren, kam Magnus und mit ihm die Frage: „Was will ich eigentlich wirklich machen?“ Tiefenbacher verabschiedete sich von seiner Beraterkarriere, entwickelt seither unentgeltlich Liebhaberprojekte (www.machtsinn.org) und kümmert sich um Kind und Haushalt, während seine Frau Vollzeit arbeitet. „Das kommt natürlich vielen Leuten verdächtig vor. Sogar alte Bekannte erklären mir, dass ich es mir leicht mache. Dabei könnte jeder von ihnen es genauso machen. Man muss nur umdenken, seinen Lebensstandard anpassen, Ballast abwerfen. Dann steigt auch die Lebensqualität.“ Manchmal erinnert Tiefenbacher seine Situation an die eigene Mutter: „Sie hat dreimal täglich für vier Männer gekocht und den kompletten Haushalt gemacht. Aber gearbeitet hat die doch nie, oder?“

„Es geht uns allen so“
Florian Horwath, Musiker

„Lustig, dass ihr gerade jetzt mit dem Thema kommt.“ Lustig ist das deswegen, weil Florian Horwath gerade jetzt sehr viel über dieses Thema nachdenkt: über männliche und weibliche Rollenbilder, über das Pärchen- und FamilieSein. Mit seiner Frau, der Schauspielerin Doris Schretzmayer, bereitet der Musiker für kommenden Herbst ein Bühnenprogramm vor, in dem es genau darum geht: Darf eine emanzipierte Frau, die gern kocht, ohne schlechtes Gewissen kochen? Darf ein Mann die klassische Versorgerrolle aufgeben und trotzdem kein schlechtes Gewissen haben? Als klassischer Künstlerhaushalt mit Kind (Nikolai, 6) funktioniert das Team Horwath/Schretzmayer projekthaft: „Wir wechseln uns ab, je nachdem, wer gerade wie intensiv arbeitet.“ Andererseits: „Eigentlich gerät die Aufteilung dann meistens doch wieder recht klassisch: Der Mann macht eher die grobmotorischen Arbeiten, die Frau das Essen.“ Horwath ist sich sicher: „Es ist die große Aufgabe unserer Generation, zwischen den Extremen ihren Platz zu finden, zwischen dem klassischen Patriarchen und dem soften Hausmann. Männer haben heute viele Optionen, aber damit halt auch umso mehr Ansprüche und in sie hineinprojizierte Verpflichtungen. Wer es jedem und sich selbst auch noch recht machen will, wird irgendwann implodieren.“ Denn das Leben ist nicht schwarz-weiß: „Mein Vater hat mehr Zeit mit seiner Arbeit verbracht als mit seiner Familie. Aber das hat uns eben auch sehr vieles ermöglicht. Und manchmal denke ich, dass Väter früher zwar nicht viel Zeit für ihre Kinder hatten, aber dass in der halben Stunde am Abend wenigstens kein iPhone gebimmelt hat.“ Aber wie findet der Mann nun seinen Weg? „Das muss jeder für sich entscheiden. Aber es wäre schon ein gro­ßer Fortschritt, wenn sich Männer mehr artikulieren würden und offen sagen, dass es schwierig ist. Es geht uns nämlich allen so.“

Sebastian Hofer

Sebastian Hofer

schreibt seit 2002 im profil über Gesellschaft und Popkultur, ist seit 2020 Textchef dieses Magazins und zählt zum Kernteam von faktiv.