Hatte Meinl direkten Einfluss auf MEL?

Hatte Meinl direkten Einfluss auf MEL? Justiz kann offenbar Einfluss beweisen

Justiz kann offenbar Einfluss beweisen

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Von Michael Nikbakhsh und Ulla Schmid

Hat er, oder hat er nicht? Eine Geschichte, zwei Antworten. Die eine: Julius Meinl, einst Vorstandsvorsitzender der Meinl Bank AG, heute deren Aufsichtsratsvorsitzender, musste 2007 dabei zusehen, wie das Management der börsennotierten Immobiliengesellschaft Meinl European Land (MEL, heute Atrium Real Estate) aus eigenem Antrieb und ohne sein Zutun Wertpapiertransaktionen zum Nachteil der Anleger abwickelte. Dieser Version neigen naturgemäß in allererster Linie Julius Meinl und dessen Anwälte zu.

Die andere: Julius Meinl hat nicht nur nicht dabei zugesehen, er hat die unseligen Geschäfte vielmehr höchstpersönlich angeordnet – obwohl er bei MEL formell keine Funktion innehatte. Das ist die Version der Staatsanwaltschaft Wien, die gegen den Bankier und dessen Entourage unter anderem wegen des Verdachts des Betrugs und der Untreue ermittelt. Bis zu einer allfälligen rechtskräftigen Verurteilung gilt ausnahmslos die Unschuldsvermutung.

Die Wahrheitsfindung ist essenziell. Nur wenn Meinl tatsächlich aktiv in die Geschäfte mit MEL-Zertifikaten involviert war, droht ihm auch ein Gerichtsverfahren, an dessen Ende eine Strafe von bis zu zehn ­Jahren Haft stehen könnte. Seine Rolle hat Meinl nur ein einziges Mal öffentlich umrissen. In einem profil-Interview, erschienen am 3. September 2007: „Ich bekleide bei MEL keine Funktion. Ich führe eine Bank und kein Immobiliengeschäft. Daher konnte die Meinl Bank den Zertifikats­ankauf weder anordnen noch orchestrieren“, so der Bankier damals (profil 36/07).

Dass er damit durchkommt, darf nach Auffassung der Ermittler bezweifelt werden. Wie profil aus Justizkreisen erfuhr, verfügt die Staatsanwaltschaft Wien mittlerweile über eine Fülle an Indizien. So konnten bei mehreren Hausdurchsuchungen Mitte Februar Meinl-Rechner sichergestellt werden, auf denen sensible E-Mails und Dokumente abgespeichert waren. Deren Auswertung wird noch einige Zeit in Anspruch nehmen. Die Ermittler stießen auf vorerst ein Protokoll, wonach Meinl zumindest einmal als Gast an einer Sitzung der MEL-Geschäftsführung teilgenommen hat. Zur Erinnerung: Meinl saß weder im Management noch im Aufsichtsrat der Gesellschaft. Dazu kommen Hinweise aus dem Hause selbst. Auch ehemalige Mitarbeiter haben ihren Ex-Arbeitgeber in Aussagen belastet. Demnach soll Meinl immer wieder einschlägige Anordnungen erteilt haben. Überdies hat Meinl immer wieder in MEL-Pressekonferenzen Stellung bezogen, zuletzt am 29. August 2007. Dabei ging es just um jenes „Rückkaufprogramm“, das Meinl strafrechtlich in die Bredouille bringen sollte. Und schließlich war da auch noch der von profil im Juli 2008 veröffentlichte vernichtende Bericht der Oesterreichischen Nationalbank.

Schon den OeNB-Prüfern waren die engen personellen und organisatorischen Verflechtungen zwischen den drei früheren Meinl-Börsengesellschaften MEL, MAI (heute Airports International) und MIP (heute Power International) ins Auge gestochen. Da heißt es unter anderem resümierend: „Abschließend bietet sich somit das Bild einer wenig transparenten Struktur, die aufgrund enger personeller Verschränkungen mit potenziellen Interessenkonflikten behaftet ist.“

Indizienkette. Die vorliegenden Indizien lassen zumindest aus Sicht der Justiz einen Schluss zu: Julius Meinl hatte sehr wohl direkten Einfluss auf Meinl European Land und muss auch an vorderster Front in die untersuchten Wertpapiergeschäfte eingebunden gewesen sein. Und darauf gründet sich wiederum der erhobene Vorwurf des Betrugs und der Untreue. „Das ist mehr als bloße Fantasie“, so der Sprecher der Staatsanwaltschaft Wien, Gerhard Jarosch. „Wir gehen davon aus, dass Herr Meinl hinter all dem stand.“ Schon die überraschende Festnahme des Bankiers war ein deutlicher Fingerzeig, dass es die Justiz ernst meint. Jarosch: „Für eine Festnahmeanordnung braucht es einen dringenden ­Tatverdacht. Und der war in diesem Fall die direkte Einflussnahme des Herrn Meinl auf die Geschäfte von Meinl European Land.“ Dieser Tatverdacht sei nunmehr „erhärtet“. „Sonst hätten wir niemals die Unterschrift eines Richters bekommen“, wie Jarosch ausführt. Meinl wurde in den Abendstunden des 1. April auf Betreiben von Staatsanwalt Markus Fussenegger in Untersuchungshaft genommen, durfte die Justizanstalt Wien-Josefstadt nach zwei Nächten gegen eine Kaution von 100 Millionen Euro und Hinterlegung seines britischen Reisepasses aber wieder verlassen.

Ob es wirklich für eine stichhaltige Anklage reicht, wird das Gutachten des renommierten Sachverständigen Thomas Havranek klären. Dieses sollte der Justiz eigentlich bereits im März zugehen, nun ist von Ende Juni die Rede – auch deshalb, weil eine Vielzahl der konfiszierten Dokumente noch nicht zugeordnet ist. Der Vollständigkeit halber muss der Gutachter auch jene Informationen auswerten, die geeignet wären, Meinl ge­gebenenfalls zu entlasten. „Gegenstand des Ermittlungsverfahren ist es, alle Beweise zusammenzutragen“, so Gerhard Jarosch, Sprecher der Staatsanwaltschaft Wien.

Meinl schweigt sich zu all dem weiterhin aus. profil übermittelte der Meinl Bank ­vergangene Woche schriftlich die Bitte um Stellungnahme, ob und in welchem Ausmaß der Aufsichtsratsvorsitzende Einfluss auf die Gebarung von Meinl European Land hatte. Die Antwort gab einer seiner zahlreichen Rechtsanwälte, Strafrechts-Doyen Herbert Eichenseder: „Nach den uns ­vorliegenden Aussagen von Beschuldigten und Zeugen kann ich nicht bestätigen, dass mein Mandant direkten Einfluss auf MEL hatte.“

Also keine Bestätigung, aber auch kein entschiedenes Dementi. Jedenfalls aber eine Einschränkung: „Es sind Unmengen an Beweismitteln nach Information der Staatsanwaltschaft noch nicht ausgewertet oder der Verteidigung nicht zugänglich.“ Tatsächlich hat die Justiz die bereits abgearbeiteten Informationen bis zu einer ­allfälligen Anklageerhebung zur Verschlusssache erklärt. Zur Sicherheit.