Ein Stifter steigt auf

Medien. „Heute“-Besitzer Günther Havranek räumt in der SPÖ auf

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Eine Größe in Wiens Society ist er nicht eben. 73 wird Günther Havranek am Dienstag dieser Woche, seit fast 50 Jahren ist er im Geschäft, aber ­einer, den jeder aus den „Seitenblicken“ kennt, eine dieser Glitzergestalten seines Gewerbes – das ist der Steuerberater und Wirtschaftstreuhänder Günther Havranek wahrlich nicht.

Kaum zu glauben, dass diesem Mann laut Firmenbuch Wiens größte Tageszeitung gehört: Vergangene Woche wurden der U-Bahn-Zeitung „Heute“ – um sie handelt es sich – von der neuen Mediaanalyse 40 Prozent Reichweite in der Bundeshauptstadt bescheinigt, die „Krone“ kam nur noch auf 33.

Dass niemand in der Branche an diese Besitzverhältnisse glaubt, weil fast jeder den Treuhänder Havranek auch in diesem Fall für einen solchen hält, erschüttert ihn nicht. „Ich bin Miteigentümer“, erklärte
er vergangenen Donnerstag im Gespräch mit profil. Und wem gehört der Rest? „Der ­Periodika Privatstiftung. Und die gehört sich selbst.“

Einer, der viel von Günther Havranek hält, ist Bundeskanzler Werner Faymann. In seiner Funktion als SPÖ-Vorsitzender hat er den Berater im vergangenen Frühjahr mit der Durchleuchtung und Sanierung der wieder einmal klammen Partei beauftragt, die immer noch an den Kosten des 2008er-Wahlkampfs laboriert.

Havranek ging entschlossen ans Werk. In den vergangenen Wochen haben gleich drei zentrale Mitarbeiter der Bundespartei in der Löwelstraße das Haus verlassen: die Hausjuristin und Personalchefin Sonja Artner, Organisationschef Reinhard Buchinger (ein Bruder des früheren Sozialministers) und Finanzreferent Helmut ­Fiala, der vorvergangene Woche das Handtuch warf. „Bei uns wird gerade die gesamte zweite Ebene ausgetauscht“, mutmaßt ein Mitarbeiter der Zentrale. Ungewöhnlich, dass dabei der angebliche Besitzer von Wiens größter Tageszeitung eine so wichtige Rolle spielt.

Wie kam es zu dieser Konstellation? Wie kam ein wohl als gefinkelt, aber nicht als genial beschriebener Steuerberater zu einer so erfolgreichen Tageszeitung? Und wie errang er das Vertrauen des Kanzlers?

Am Beginn steht, wie so oft, Helmut Zilk. Der damalige Bürgermeister hatte Havranek irgendwann in den achtziger Jahren entdeckt, als dieser ihn und seine Dagi in einer Steuercausa günstig beriet. Als wenig später einige rote Kommunalpolitiker offene Fragen mit dem Finanzamt hatten, war Havranek abermals zur Stelle.

So kam er in Kontakt mit dem Rathaus, wo Werner Faymann im Gemeinderat saß. Helmut Zilk hatte das Talent aus Liesing früh ausgespäht und gefördert. Er hatte ihn auch dem großen Zeitungszaren Hans Dichand vorgestellt, der sofort Gefallen an dem tüchtigen jungen Mann fand. Gut denkbar, dass Zilk Faymann auch mit Havranek zusammenbrachte.

Als Zilk 1994 als Bürgermeister abtrat, tat Faymann gerade den ersten wichtigen Karriereschritt. Er wurde Wohnbaustadtrat und verfügte damit über ein beträchtliches Budget für Öffentlichkeitsarbeit. In Beilagen in der „Krone“, zu einem geringeren Teil auch im „Kurier“, bewarb er nun die rege Bautätigkeit der Gemeinde. Faymann hatte in diesen Jahren im Rathaus zwei Mitarbeiter, die ebensolchen Zug zum Tor hatten wie er selbst: Bürochef Josef Ostermayer und Pressesprecher Wolfgang Jansky.

In die Amtszeit Faymanns als Wohnbaustadtrat fiel die Gründung der ersten Wiener Gratiszeitung „U-Bahn Express“ durch Hans Dichand. Faymann setzte sich im Rathaus dafür ein, dass Dichand seine Zeitungsständer aufstellen durfte.

2003 machte sich das Trio Faymann/Ostermayer/Jansky selbst an die Herausgabe einer Zeitung, interessanterweise schon damals mittels einer Stiftung, der Urbania. Sie war von der Wiener Städtischen Versicherung eingerichtet worden, Josef Ostermayer saß ihr vor und das von der Stiftung herausgegebene Gratisblatt für die Mieter von Gemeindebauten (in ihnen wohnt in Wien etwa ein Drittel der Bevölkerung) hieß „Die Stadt“. Mehrere „Krone“-Redakteure lieferten Texte.

2004 drehte die deutsche WAZ, 50-Prozent-Eignerin der „Krone“, Hans Dichand den „U-Bahn Express“ ab: Er hatte das Blatt vertragswidrig ohne Zustimmung der Partner gegründet. Unbemerkt von der Öffentlichkeit brach jetzt wildes Stiften und Gründen aus: Die Gemeindebauzeitung wurde plötzlich von einem Verlag namens Fidelis her­ausgegeben, an dem die Urbania zu 49 Prozent beteiligt war. 51 Prozent von Fidelis gehörten Günther Havranek. Geschäftsführerin war Eva Dichand, gelernte Investmentbankerin und Frau von „Krone“-Chefredakteur und Verlegersohn Christoph Dichand.

Etwa zur selben Zeit wurde von einem früheren Bank-Austria-Vorstand namens Heinz Gehl auf Anraten von Faymanns Pressesprecher Jansky eine Stiftung namens Periodika gegründet. Günther Havranek saß im Stiftungsrat.

Gleichzeitig wurde von einem AHVV Verlag (Besitzerin: eine Treuhandgesellschaft) eine neue U-Bahn-Zeitung namens „Heute“ gegründet, in die Jansky als Geschäftsführer einzog.

Schon wenig später wurden die Dinge so geordnet, wie sie bis heute bestehen: „Heute“ gehört zu 74 Prozent Fidelis und zu 26 Prozent der Periodika Privatstiftung. Womit also Günther Havranek die Mehrheit halten müsste.

Überraschend daher, was die schon bald nach der Gründung zur Herausgeberin avancierte Eva Dichand vergangene Woche in ihrem Blatt schrieb: „Es gibt nur zwei, die Einfluss auf ‚Heute‘ haben: Eva Dichand und Wolfgang Jansky.“

Wie sieht das der Mehrheitseigentümer Havranek? Sehr gelassen: „Ohne mich mit ihm vergleichen zu wollen: Aber der alte Turnauer hat sich ja auch nicht ins operative Geschäft eingemischt“, meinte er vergangene Woche gegenüber profil.

Heinz Gehl, der seinerzeitige Gründer der Periodika-Stiftung, dem 26 Prozent an „Heute“ gehören, erinnerte sich im Mai 2010 bei einem Prozess an gar nichts mehr, obwohl die Vorgänge erst sechs Jahre zurücklagen: Er wusste nicht, woher das Anfangskapital kam, nicht einmal der Umstand, dass sein Stiftungsvorstand Günther Havranek Mehrheitseigentümer bei „Heute“ ist, war Gehl geläufig …

Logisch, dass angesichts dieser sonderbaren Gründungsgeschichte rasch das ­Gerücht auftauchte, „Heute“ habe ganz ­andere Eigentümer als diesen Herrn Havranek.

Man tippte auf Hans Dichand, der auf diese Weise mithilfe von Freund Fay­manns Truppe die WAZ überdribbelt habe. Außerdem: Hätte Faymann mit seinen Leuten dem großen Alten gegen dessen Willen ein Zeitungsprojekt vor die Nase gesetzt? Die Variante gewann an Glaubwürdigkeit, als Günther Havraneks Sohn Thomas (ebenfalls ein Wirtschaftstreuhänder) entschlüpfte, sein Vater sei vom alten Dichand als „Kontrollor“ eingesetzt worden. Vater Havranek dementierte sofort „ehrenwörtlich“ und gab an, Hans Dichand nur einmal in seinem Leben gesehen zu haben. Die Dichands klagten alle Zeitungen, die eine wirtschaftliche Beteiligung der Familie an „Heute“ behaupteten.

Dass, wie von manchen vermutet, die Wiener SPÖ hinter dem Stiftungsgeflecht steckt, wird von Eingeweihten fast durchwegs ausgeschlossen: Die Stadt stelle sich zwar großzügig mit Inseraten ein und sichere sich so das Wohlwollen, habe aber keine Anteile, glauben Kenner des Parteiinnersten. Bürgermeister Michael Häupl hatte gegenüber den anfragenden WAZ-Männern ehrenwörtlich jede Beteiligung ausgeschlossen.

Günther Havranek selbst schloss vergangene Woche im profil-Gespräch ungefragt noch brisantere Varianten aus: „Ich lege jeden Eid ab, dass Werner Faymann keinen gesellschaftsrechtlichen Bezug hat.“ Genau der war in den vergangenen Tagen in ÖVP-Kreisen kolportiert worden: der Bundeskanzler – insgeheim ein Zeitungsbesitzer. Das wäre Berlusconi hoch zwei.

An Fahrt hatte die Debatte über die reichlich undurchsichtigen Eigentumsverhältnisse bei Wiens auflagenstärkster Tageszeitung durch die „Inseratenaffäre“ gewonnen: Mehr als 15 Prozent der gesamten Politikwerbung des Landes fließen an „Heute“. Auf dem „echten“, also dem kommerziellen Anzeigenmarkt lukriert die Wiener U-Bahn-Zeitung nur fünf Prozent des gesamten Kuchens. Der Großteil der Politikanzeigen in „Heute“ kommt aus der roten Reichshälfte.

Das müsste besonders Günther Havranek, den angeblichen „Heute“-Mehrheitseigentümer, freuen. Der bleibt auf die Frage nach dem finanziellen Gewinn, den er bisher aus dem Zeitungsunternehmen lukriert hat, aber eher vage: „Ein wenig.“

Über mangelnde Unterstützung durch die Politik konnte sich der unauffällige Wirtschaftstreuhänder in den vergangenen Jahren jedenfalls nicht beklagen. Sein Förderer Helmut Zilk hatte ihm den Obmannposten im Verein „Rettet den Stephansdom“ verschafft. In dessen Stiftung sitzt Havranek noch immer, diese schütte aber beklagenswert wenig aus, berichten Kenner der Kassen.

Als es dem Wiener Tierschutzverein vor einigen Jahren finanziell miserabel ging, gründete Havranek mithilfe der Gemeinde Wien das Konkurrenzunternehmen „Tierschutz-Stiftung“ – Havranek liebt Stiftungen – und begann mit Inseraten in „Heute“ dem Tierschutzverein Spenden abzujagen. Mit der Haus-Tiertante Maggie Entenfellner ist auch die „Krone“ im Vorstand vertreten. Demnächst soll in Wien-Donaustadt auf einem von der Gemeinde zur Verfügung gestellten Areal das erste Tierheim der Stiftung errichtet werden. Tierschutzvereins-Präsidentin Madeleine Petrovic: „Havranek ist ein umtriebiger Mann und nützt seine Verbindungen, um uns in unfairster Weise zu schaden.“

Im Herbst seiner Karriere zieht der 73-Jährige jetzt auch noch in äußerst glamouröse Gremien ein. Das Bundeskanzleramt zum Beispiel hat Günther Havranek als seinen Vertreter ins Kuratorium der Albertina entsandt – einer der begehrteren Posten im Gesellschaftsleben der Stadt.

Der Vertraute des Chefs dürfe mit dem Wagen bis in den Hof des Kanzleramts fahren, erzählen Beobachter. Dieses Privileg ist sonst Ministern und Spitzenbeamten vorbehalten.

Im Herbst 2010 übernahm Havranek auf Wunsch von Werner Faymann auch den Aufsichtsratsvorsitz der Merkur GmbH, in der die Reste des einstmals stolzen Parteivermögens der SPÖ geparkt sind. Derzeit hat die Merkur noch das Gartenhotel Altmannsdorf in Wien und das Café auf der Schönbrunner Gloriette im Portefeuille. Zur Jahreswende tauchten Gerüchte auf, Havranek werde sich auch in der SPÖ selbst um „Synergien“ kümmern.

Der ging dann im Frühjahr im Auftrag des Parteivorsitzenden tatsächlich an die Arbeit. Der Partei geht es finanziell nicht gut: Sie ist auf 220.000 zahlende Mitglieder geschrumpft (zum Ende der „Ära Kreisky“ waren es 700.000), wegen der bescheidenen Wahlergebnisse sinkt die Parteienförderung; immer weniger Abgeordnete liefern immer weniger „Parteisteuer“ ab, den Pflichtobolus von SPÖ-Mandataren. Überdies sei die Presse- und Informationsabteilung der Parteizentrale – zuständig: Laura Rudas – noch so groß wie zu Oppositionszeiten, obwohl die meiste diesbezügliche Arbeit in Kanzleramt und Ministerien geleistet wird. Dass es bei den Einsparungen unter Havraneks Ägide bisher durchwegs Abteilungsleiter erwischte, die zu Bundesgeschäftsführer Günther Kräuter ressortieren, wird von internen Beobachtern aufmerksam vermerkt.

Der Zeitungsbesitzer, Steuerberater und Parteisanierer Havranek scheint mit seinen vielfältigen Aufgaben trotz seines fortgeschrittenen Alters noch immer nicht ausgelastet zu sein. So gründete er im Vorjahr als Tochter der Periodika Privatstiftung die QMM Quality Multi Media GmbH, die weitere Zeitungen herausgeben will. Sofort nach der Gründung der QMM vermittelte ihr „Heute“-Geschäftsführer Wolfgang Jansky einen schönen Auftrag: die Herstellung der Zeitung der SPÖ-nahen Mietervereinigung „Fair Wohnen“ (Auflage: 80.000), die bisher vom roten Echo-Verlag gestaltet worden war. Am Relaunch arbeitete auch Kanzlergattin Martina Ludwig-Faymann mit, wie der „Falter“ in der Vorwoche berichtete, eine gelernte Journalistin.

Eingeweihte schließen nicht aus, dass auch das SPÖ-Mitgliedermagazin, das Wochenblatt für Funktionäre und das Theorieorgan „Zukunft“, alle derzeit in der SPÖ-eigenen „Edition Rot“ erscheinend, bald zu Havraneks QMM wechseln könnten. Der will dazu nichts Genaues sagen: „Wir sondieren den Markt, ob wir eine Zeitung besser machen können.“

Wenn stimmt, was der „Standard“ im Juli 2010 nach dem Tod von „Krone“-Herausgeber Hans Dichand schrieb, ist Havranek aber auch mit von der Partie, wenn es um größere Dinge geht. Demnach hätten damals Kanzler Werner Faymann, seine beiden Vertrauten Josef Ostermayer und Wolfgang Jansky, Günther Havranek und Vienna-Insurance-Group-Chef Günther Geyer bei einer Geheimsitzung über Möglichkeiten beraten, mittels einer Stiftungsvariante allfällig frei werdende WAZ-Anteile an der „Kronen Zeitung“ zu übernehmen, um so einer Übernahme durch Raiffeisen zuvorzukommen. Faymann und Ostermayer dementierten nach dem „Standard“-Bericht „ein Gespräch in dieser Konstellation“. Die anderen kolportierten Sitzungsteilnehmer wollten keinen Kommentar abgeben.
Um etwas mehr Licht in die Besitzverhältnisse von Wiens auflagenstärkster Tageszeitung zu bringen, will ÖVP-Klubobmann Karlheinz Kopf jetzt in einem „Medientransparenzgesetz“ verankern, dass sich Zeitungseigentümer nicht mehr hinter Stiftungen verbergen dürfen.

Staatssekretär Josef Ostermayer antwortete postwendend: Er sehe dafür „keine Notwendigkeit“.