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Heim ins Reich

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Wolfgang Amadeus Mozart war Einwohner des Heiligen Römischen Reichs deutscher Nation, also nicht bloß so ein provinzieller Österreicher, argumentiert der deutsche Fernsehsender ZDF, der in einer groß angelegten Suchaktion ("Unsere Besten") von seinen Zuschauern (nee, Mozart war deutsch, also: Zuguckern) feststellen lassen will: "Wer ist der oder die größte Deutsche?"

Zu denen gehört natürlich auch der, sozusagen im Niedergau geborene Joseph Haydn, wohl deshalb schon, weil aus seinem ursprünglichen Kaiser-Quartett - kurz entschlossen gefladert (klambüsert) - die deutsche Bundeshymne wurde.

Auch der in der deutschen Wiener Berggasse praktizierende Seelenforscher Sigmund Freud, den von Wuppertal bis Brunsbüttel jedes Kind kennt, zählt zu jenen Auserlesenen, die nominell annektiert wurden.

Das deutsche Wesen ist ein staubsaugerartig gründliches; Heinrich Heine wird vermutlich für immer ein Franzose bleiben, Kurt Tucholsky ein Schwede, aber John F. Kennedy ist Berliner, und wenn sie einmal draufkommen, dass der deutsche tschechische Wiener Billy Wilder in Berlin die erste Fassung von "Emil und die Detektive" gedreht hat (und, viel später, noch dazu "Eins, Zwei, Drei"), dann ist er auf ihrer Liste. Herbert von Karajan hat die Berliner Philharmoniker geleitet, Ernst Happel den HSV zum deutschen Fußballmeister gemacht, Arabella Kiesbauer talkt im deutschen TV - reich mir die Hand zum Kleben.

Es ist natürlich durchaus erklärbar, warum wir wieder heim ins Reich geholt werden dürfen. Schon bei einem flüchtigen Blick auf unsere Landkarte muss unseren Freunden aufgefallen sein, dass es bei uns Deutsch-Wagram, Deutsch-Kreuz, Deutsch-Landsberg gibt und dass unsere erhabenen Entertainer wie Peter Alexander oder Udo Jürgens ihre größten Erfolge in Deutschland gefeiert haben. Sogar Gerhard Zeiler ist dort was geworden. Und wenn die Sangria-Touristen auf dem Ballermann in Mallorca "Ich bin der Anton aus Tirol" singen, liegt nahe, dass selbst der gelinde Unterschied zwischen einer vermeintlich gleichen Sprache kein Ausschlie- ßungsgrund dafür sein kann, ein Scherz und eine Kehle zu sein.

Interessanterweise haben die sonst so akkuraten Wessis beim Zusammenklauben (An-sich-Nehmen) doch einige grandiose Deutsche vergessen. So wurden etwa die ersten Lipizzaner der deutschen Wiener Spanischen Hofreitschule von zwei deutschen Tierwärtern zwar nicht geritten, aber gefüttert.

Als sehr berühmter Deutscher galt auch der Südtiroler Luis Trenker, der auf seinen Vortragsreisen mit gebirgigen Flunkereien tausende Seelen ins Flammen brachte. Ebenso erfolgreich waren der in Österreich entdeckte deutsche Holländer Johannes Heesters, der deutsche Wiener Pianist Peter Kreuder und der einst Wien unsicher machende, jetzt in Berlin lebende, daher "deutsche Altkabarettist" Georg Kreisler.

In Deutschland kam auch ein Tapezierer aus Braunau ganz groß raus, der ab 1933 dieses Land doch recht eindrucksvoll prägte; niemals zuvor und danach wurde ein Massenmörder mit so allgemeiner Begeisterung umjubelt, es ist geradezu unbegreiflich, dass es bis heute in München noch keinen Bierkeller gibt, der "Adolfsbräu" heißt.

Des Kaisers Franz Joseph Ehefrau, Sisi, wollen sie auch haben, weil sie in Bayern zur Welt kam; ich würde vorschlagen, dass sie auch Georg Marischka in die Ehrenliste aufnehmen, denn durch seine drei "Sissi"-Filme erfuhren unsere Freunde überhaupt erst, dass es zu einer Zeit, zu der Deutschland noch mit Frankreich Krieg führte, in Wien ohne völkerlichen Aufstand möglich war, Königin von Ungarn zu werden.

Das Affirmative liegt ja immer noch so nah, dass auch bedeutende Ehrenträger in den Choral hinzugezogen gehörten: Karl Lueger war "ein christlicher deutscher Bürgermeister Wiens", der gebürtige Berliner Baldur von Schirach bekannte sich als "Wahlwiener" und wurde dementsprechend "Reichsstatthalter Wiens"; Ernst Kaltenbrunner, der sich liebevoll der "Schutz-Staffel" annahm, nannte sich "das deutsche Gewissen Oberösterreichs", Franz Nowak war ein todsicherer Fahrdienstleiter, und Reinhard Heydrich hatte die Konzentration, um "im Dienst um das deutsche Vaterland" Menschen in allerlei Lager zu verschicken.

Aber auch unter den Österreichern jüngerer Zeit gab und gibt es einige hervorragende Deutsche. Wir hatten einen Norbert B., der "der erste deutsche Bundespräsident Österreichs" werden wollte, wir haben einen hoch begabten Wahlkärntner, der Ansprachen an "die deutsche Republik Österreich" gehalten hat, wir haben einen Migrationserlass, in dem darauf Wert gelegt wird, dass Einwanderer die deutsche Sprache "umfänglich" zu lernen haben.

Eventuell ist den Freunden vom ZDF eine Kleinigkeit entgangen: Sie sollten alle Spieler des SV Superfund (Pasching) schleunigst zu Deutschen erklären.