Fischer: „Ich werde nicht verlieren“

Heinz Fischer im profil-Interview: „Ich werde nicht verlieren“

Über Kanzler Schüssel und den "gerechten Krieg"

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profil: Herr Präsident, wie oft waren Sie schon am Opernball?
Fischer: Noch nie.
profil: Sollten Sie zum Bundespräsidenten gewählt werden, dann werden Sie nächstes Jahr den Ball der Republik eröffnen müssen.
Fischer: Nicht müssen. Wenn man Bundespräsident ist, dann macht man das mit Freude.
profil: Ihre Kontrahentin wurde vergangene Woche beim FPÖ-Hearing in Kärnten mit einem Glücksschwein bedacht. War das schon eine blaue Wahlempfehlung für Benita Ferrero-Waldner?
Fischer: Na ja, es war eine Art Vereinnahmung der Frau Außenministerin durch Jörg Haider.
profil: Erhoffen Sie sich bei Ihrem FPÖ-Hearing am Dienstag auch ein Schweinderl von Jörg Haider?
Fischer: Ich erhoffe mir, dass ich meine Standpunkte darlegen kann. Und dass die Menschen sehen, dass meine Argumente vernünftig sind und kein Opportunismus dabei ist.
profil: Kommen wir zum – von Ihnen in der Wahlkampfberichterstattung so sehr vermissten – Bereich der Sachpolitik: Sie haben sich sehr seltsam zur Transitproblematik geäußert: Die Präsidentschaftswahl solle zu einer Testabstimmung darüber werden.
Fischer: Dass die Transitpolitik der Regierung gescheitert ist, tut den Bewohnern der Transitstrecken sehr weh. Sie sind verzweifelt und wollen ihren Protest ausdrücken. Dafür gibt es zwei Möglichkeiten: eine Autobahnblockade – oder aber den Protest mit dem Stimmzettel.
profil: Wo bitte ist der Konnex zur Bundespräsidentenwahl?
Fischer: Die Kandidatin des Kanzlers trägt Verantwortung für die verfehlte Transitpolitik. Warum sollte vor diesem Hintergrund die Außenministerin Ferrero-Waldner mit der Funktion des Bundespräsidenten belohnt werden?
profil: Sie lassen plakatieren: „Politik braucht ein Gewissen“. Setzt man sich gewissenhaft mit dem Pensionssystem auseinander, kommt man zum Schluss, dass Handlungsbedarf besteht. Sie tun so, als wäre alles paletti und die Regierung erfreue sich daran, den Bürgern etwas wegnehmen zu können.
Fischer: Es gibt zweifellos Handlungsbedarf. Das Pensionssystem muss langsam den sich ändernden Verhältnissen angepasst werden. Diese Politik wurde seit Jahren und Jahrzehnten auch von sozialdemokratischen Politikern gemacht – aber mit Augenmaß und in engstem Einvernehmen mit den Betroffenen und den Sozialpartnern. Und es wurde auf inakzeptable Härten verzichtet. Der Vorwurf an die jetzt amtierende Regierung ist nicht, dass sie im Pensionsbereich langfristig denkt, sondern dass die Maßnahmen unfair und einseitig sind und das Versprechen der Pensionsharmonisierung nicht eingehalten wird. „Speed kills“ ist kein guter Ratgeber.
profil: Ähnlich flott agieren die deutschen Sozialdemokraten. Halten Sie Gerhard Schröders Reformpolitik ebenso für verwerflich?
Fischer: Gerhard Schröder ist in einer anderen Situation. Die deutsche Regierung muss jährlich 90 Milliarden Euro für den Wiederaufbau Ostdeutschlands verwenden. Vielleicht sollte man die Lasten anders verteilen – da gibt es nicht zu Unrecht Protest. In Österreich könnte man aber auf soziale Ausgewogenheit mehr Rücksicht nehmen. Eine besondere Provokation für die Pensionisten ist, dass man bei ihnen jeden Euro zweimal umdreht, während man bei den Kampfflugzeugen nach der Devise „Was kostet die Welt“ vorgeht.
profil: Kampfflugzeuge? In der jetzigen Konfiguration sind die Eurofighter Abfangjäger.
Fischer: Da werden die Deutschen und die Engländer aber nicht erfreut sein, wenn sie hören, dass ihr Spitzenprodukt kein Kampfflugzeug ist. Die entscheidende Frage ist aber, ob wir in der jetzigen Situation überhaupt solche Flugzeuge brauchen.
profil: Sie wären als Präsident Oberbefehlshaber des Bundesheeres. Ignorieren Sie dann einfach die Wünsche der Offiziere der Luftstreitkräfte?
Fischer: Das ist wie beim Opernball: Als Präsident werde ich meine Funktionen auf das Gewissenhafteste ausüben. Ich gehöre zu den wenigen Politikern, die ihren Präsenzdienst auch abgeleistet haben. Als Zugsführer kenne ich das Bundesheer von innen. Deswegen muss ich die bisherige Prioritätensetzung bei den Ausgaben aber noch lange nicht für richtig halten. Und man muss sich fragen: Was ist die Aufgabe des Bundesheeres in einer Zeit, in der Österreich von befreundeten Staaten umgeben ist?
profil: Also überhaupt keine Luftraumüberwachug mehr?
Fischer: Wir sollten das untersuchen. Slowenien etwa hat keine Kampfflugzeuge.
profil: Slowenien lässt seinen Luftraum von der NATO überwachen.
Fischer: Wir sollten uns Irland ansehen, das ebenfalls keine Kampfflugzeuge benötigt.
profil: Slowenien tritt am 1. Mai der EU bei. 1991 wollten Sie und Altkanzler Franz Vranitzky die Republik Slowenien nicht anerkennen.
Fischer: Das ist total unrichtig. Das ist ÖVP-Propaganda. Der slowenische Präsident Milan Kucan hat Österreich 1991 für seine kluge Politik gegenüber Slowenien gedankt und drei Personen ausdrücklich hervorgehoben: Heinz Fischer, Franz Vranitzky und Alois Mock. Ich war damals der Meinung, dass die UNO, die EU und Österreich einen möglichst einheitlichen Standpunkt in Bezug auf die Anerkennung Sloweniens haben sollten.
profil: War das ein Freiheitskampf der Slowenen?
Fischer: Ja. Ich glaube, dass es gerechtfertigt war, dass Slowenien seinen eigenen Weg gegangen ist. Aber es war eben ein sehr schmerzhafter Prozess.
profil: Aber es ist damals der Eindruck entstanden, Sie stünden irgendwo in der Mitte zwischen der jungen demokratischen Republik Slowenien und dem Diktator Slobodan Milosevic. Sie verhielten sich quasi neutral.
Fischer: Keineswegs. Ich weiß mich eindeutig auf der Seite der Demokratie, aber so ein Loslösungsprozess eines Landes aus einem Völkerrechtsobjekt ist eben keine einfache Sache. Die Aufgabe eines verantwortungsvollen Politikers ist: Wie kann dieser Weg erfolgreich zurückgelegt werden – mit einem Minimum an Opfern.
profil: Einen „gerechten Krieg“ – gibt es so etwas?
Fischer: Seit Julius Cäsar sind tausende Kriege geführt worden. Alle unter der Marke „gerechter Krieg“. 99 Prozent davon haben diese Marke nicht verdient. Notwendig war sicher der Krieg der Alliierten gegen Hitler-Deutschland.
profil: Auch die NATO-Intervention in Bosnien und im Kosovo?
Fischer: Diese haben die Zustimmung der Vereinten Nationen gefunden. Wenn wir militärische Aktionen reduzieren auf solche, bei denen grünes Licht des Sicherheitsrates vorliegt, dann haben wir einen großen Schritt gemacht – hin zum internationalen Rechtsstaat.
profil: Aber Österreich soll sich auf jeden Fall heraushalten?
Fischer: Weil wir ein neutraler Staat sind. Man kann nicht bei einem Teil der Welt solidarisch und bei einem anderen Teil neutral sein. Diese These der Frau Außenministerin halte ich für eigenartig. Dann soll man gleich sagen, wir wollen die Neutralität nicht. Diese Position haben Schüssel und Ferrero-Waldner ja bis vor kurzem vertreten.
profil: Auch Ihr spanischer Parteifreund Javier Solana neigt zur Ansicht, die Neutralität sei eine alte Schablone. Was würden Sie ihm als Präsident ausrichten?
Fischer: Dass über die österreichische Neutralität das österreichische Volk entscheidet, sonst niemand.
profil: Aber da verabschieden wir uns von der europäischen Entwicklung.
Fischer: Ich kann Ihnen Zitate führender österreichischer Politiker – von Vranitzky bis Mock – zeigen, die klar darlegen: Ein Ja zur EU ist kein Nein zur Neutralität.
profil: Fühlen Sie sich eigentlich verantwortlich für die Neuauflage von Schwarz-Blau? Angeblich haben Sie Schwarz-Rot Anfang 2002 platzen lassen. Alfred Gusenbauer und Wolfgang Schüssel waren schon handelseins.
Fischer: Das ist die Version des ÖVP-Pressedienstes. Die Wahrheit ist, dass sich Gusenbauer und Schüssel nicht nur nicht handelseins waren, sondern noch nicht einmal richtige Verhandlungen begonnen hatten. Schüssels Bedingung war damals: Koalitionsverhandlungen können nur dann starten, wenn die SPÖ vorab schriftlich erklärt, alle wesentlichen ÖVP-Positionen zu akzeptieren. Das war eine echte Zumutung – da waren sich Alfred Gusenbauer und Heinz Fischer absolut einig.
profil: Wollte Thomas Klestil Sie im Jahr 2000 tatsächlich mit dem Amt des Bundeskanzlers und mit Regierungsverhandlungen betrauen, wie das Hannes Androsch in einem Interview angedeutet hat?
Fischer: Also das höre ich heute zum ersten Mal.
profil: „Der Standard“ schrieb vergangene Woche über den Präsidentschaftswahlkampf: „Heinz Fischer ist der konservativere Kandidat, eine Anknüpfung an die Kreisky-Jahre. Ferrero-Waldner steht für die manchen eher suspekte Moderne, für Internationalität und Europa.“ Würden Sie dem zustimmen?
Fischer: Sicher nicht. Ferrero-Waldner ist konservativ in der Frauenpolitik, in der Sozialpolitik, in der Frage gleichgeschlechtlicher Beziehungen, in der Bildungspolitik …
profil: In Karenz sind Sie als Vater aber auch nicht gegangen.
Fischer: Das war vor 30 Jahren. Ich hätte gar nicht gehen können, weil die Voraussetzungen dafür erst später geschaffen wurden. Ich war damals gerade geschäftsführender Klubobmann geworden.
profil: Was tun Sie, wenn Sie verlieren sollten?
Fischer: Ich werde nicht verlieren.
profil: Wenn doch – ziehen Sie sich dann in die Pension zurück?
Fischer: Ich werde nicht verlieren.