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Helmut A. Gansterer Die Wahrheit über Deix

Die Wahrheit über Deix

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"Vor Ihro Kaiserlichen Majestät hab ich, wie immer, schuldigen Respekt. Er aber, sag’s ihm, er kann mich im Arsche lecken!" (Goethe, erste Auflage: Götz von Berlichingen mit der eisernen Hand.)

Um gleich hineinzuspringen: Ich kann nicht länger zuschauen. Ich mag nicht länger schweigen. Ich finde nun endlich unerträglich, wie einer, der uns dauernd – und nicht immer geschmackvoll! – als Moralapostel den Spiegel vorhält und angeblich zu besseren Menschen machen will, selber „Dreck am Stecken“ hat, um die grobe Sprache von Herrn Manfred Deix aufzugreifen, um den es hier geht.

Von jungen und alten, gescheiten und doofen Österreichern längst seliggesprochen und in Krems in einem eigenen Taj Mahal („Karikaturenmuseum“) lebendig eingemauert, ist er ein undankbares Objekt für Angriff und Enthüllung. Schon höre ich die typisch österreichischen Widerworte: „Das ist doch lange her und vorbei!“ Gebildete werden historische Parallelen anführen. Selbst der ruppige Charles de Gaulle war geschmeidig genug, Volkshelden unangetastet zu lassen: „Einen Jean-Paul Sartre sperrt man nicht ein, man benennt Straßen nach ihm.“

Ich will aber keine hohle Deix-Gasse in Klosterneuburg, sondern die Wahrheit. Um der Sache ein wenig die Schärfe zu nehmen, kleide ich die Enthüllung zunächst in den Stoff eines Freundesbriefes. Zumal mein Schreibtag mit seinem sechzigsten Geburtstag zusammenfällt. Auch das wird man vorhalten. Zum Runden! Einem Katzenfreund noch dazu, werden Weiber kreischen. Tut mir leid, geht nicht anders. Deix muss endlich seine Vergangenheit aufarbeiten – also genau das tun, was er und seine profil-Kumpane seit Jahrzehnten wöchentlich von allen Ministern, Gerichtspräsidenten und Bischöfen fordern. Das ist korrekt und wünschenswert, aber nur so lange, wie gleiches Recht für alle gilt. Auch Deix ist fast ein Mensch wie du und ich.

Lieber Manfred, alles Liebe zum runden Datum. Ich vergönne Dir den Schmerz. Mit dem Schmerz kommt das Heilende, sagt meine Anna-Tant. Auch Depressionen sind good for you. Im Frühling, der vor der Tür steht, sind sie wieder vorbei. Fast alles, was Du im profil-Gespräch mit Jung-Pater Wolfgang Paterno (siehe profil 8/09) sagtest, ist schön gesagt und richtig gut. Senta Berger hat Dich im Vorhinein nachgeäfft, als sie zu ihrem Sechziger sinngemäß sagte: „Ich habe kein Problem mit dem Alter. Ich fühle mich jung, beweglich, erotisch begehrenswert und künstlerisch so gut wie nie zuvor. Ich verstehe nur eines nicht: Ich war doch gestern noch die kleine Senta aus Hietzing.“

Der blitzschnelle Flug der Zeit. Das trifft ins Herz, stimmt’s? Das macht das Deix-Knie und die Deix-Eier weich. Ich nütze diesen seltenen Moment Deiner Schwäche und spende Trost wie folgt: „Warum hast Du dem unschuldigen Paterno erzählt, Deine ersten Zeichnungen seien in Kir­chenzeitungen erschienen? Ist Dir das so viel lieber als die Wahrheit?“

Hier verlasse ich den Privatbrief. Die Wahrheit, zu der jeder profil-Fuzzi wie ich verpflichtet ist, ist folgende: Manfred Deix hat, wie er einst mit Kindermund in meine Kinderaugen versicherte, erstmals in „Hermes“ und/oder „Economy“ als Künstler aufgezeigt. „Hermes“ war das Magazin der Wirtschaftsuni, „Economy“ das Wirtschafts­magazin des Orac-Verlags. Beide waren konservative Magazine, die ich als Erzengel erzkonservativ führte. Deix war die einzige Ausnahme, die ich meiner unsicheren Seele gestattete. Ich schätzte sein freches Werk und zahlte über Gebühr. Meine Deix-Honorare lagen zehnfach über jenen aller Kirchenzeitungen zwischen St. Pölten und Böheimkirchen, der Heimatgemeinde von Manfred. Er zeichnete damals mit Feder schwarz-weiß, weil er kein Geld für Farbe hatte.

Sein Strich war fast so sicher wie heute. Deix war frühvollendet und bleibt immergrün. Mister Deix is here to stay, würde man in Stratford-upon-Avon sagen, wo man mit Shakespeare gute Erfahrungen machte. Da Deix für die österreichischen Köpfe und den österreichischen Körper stilbildend bleibt, solange er zeichnet, geht es nicht an, dass ein Papst Benedikt XVI. sich als Nachfahre der Deix-Entdecker fühlt. Dann schon lieber ein Gansterer als Original-Ent­decker und frommer Förderer vor dem Herrn. Lässt sich das eigentlich beweisen? Ja, nur nicht von mir. Als Nomade habe ich alles verloren, was einst in meinen Zelten lag, schließlich die Zelte selbst. Die Nationalbibliothek könnte helfen. Dort gibt’s aber Rauchverbot, und Lektüre ohne Tschick und Kaffee ist wie one-hand clapping.

Angenehm ist das alles nicht. Es wirft uns zu schlechter Letzt in die Frage: Warum fälscht Deix seine Vergangenheit? Ist es der witzigere Kontrast von einstigem Kirchenbüttel und heutigem Ketzer? Sind ihm die Wirtschafts-Gurus als erste Leser so viel prestigegefährlicher als die Dornenvögel? Warum, wenn er dereinst bekennen wird, dauerte es so lang wie bei Günter Grass? Müssen Nobelpreisträger aller Art so sein? Ich weiß es nicht und blättere im „Goldenen Deix“ (Ueber­reuter, 29,95 Euro). Er ist genau so groß und schwer wie Boes­ners Katalog für Künstlerbedarf 2009. Ich rastere jeden Quadratmillimeter der 335 Seiten ab. Nur keinen Text verlieren. Der ist so gut geschrieben, wie die Bilder gut gemalt sind. Das Werk kann nichts für den Werker. Es gab in der Kunstgeschichte immer Helles von Finsterlingen. Michelangelo prügelte seine Lehrlinge, Cellini war ein Raufbold und Mörder. Das, wie seine Katzen sagen, ist Deix noch nicht.

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