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Helmut A. Gansterer Formel 1A

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Meine klugen Leserinnen und schönen Leser werden in langjähriger Harmonie zustimmen, dass Österreich am 14. November 2010 größer wurde. An diesem Tag überquerte ein tierisch bemalter Formel-1-Monoposto hiesiger Herkunft als Erster die Ziellinie in Abu Dhabi. Für den österreichischen Grundnahrungsmittel-Konzern Red Bull GmbH war damit ein sportliches Arbeitsjahr passabel zu Ende gegangen. Die Formel-1-Markenweltmeisterschaft hatte Red Bull Racing (RBR) schon in der Tasche ­gehabt, vor McLaren-Mercedes und Ferrari. Nun, im letzten Rennen der Saison, sicherte man sich zusätzlich die so ­genannte Formel-1-Fahrerweltmeisterschaft.

Man versteht darunter den Saisonsieg eines fixen Auto-Motor-Fahrer-Pakets, das von Red Bull mit politischer Umsicht geschnürt worden war. Genauer: Man überlegte präzise, welchen EU-Ländern man welchen Beitrag zum verheißungsvollen RBR-Projekt gestattete. Resultat: Frankreich durfte Renault-Motoren beistellen und Deutschland ein junges Fahrertalent namens Sebas­tian Vettel. Man bewies damit Sinn für Historie. Man bot den Feinden unserer vordem glanzvollen k. u. k. Monarchie die endgültige Freundeshand. Vergessen, dass Napoleon einst österreichische Wasserburgen bewohnte und in deren Wehrgräben schiffte. Und keine Rache für Königgrätz mehr, wo die Preußen mit humorlosen Hinterladern über unsere hübschen Vorderlader siegten. Schwamm drüber, dank Red Bull.

Das höfliche Zentralkomitee im RB-Headquarter zu ­Fuschl am Fuschlsee ging noch einen Schritt weiter. Man erinnerte sich feinfühlig, dass England so wie Österreich schon mal größer war. Daher gab man auch Briten Brot, in der Konstruktion und Herstellung von Fahrwerk und aerodynamischer Hülle. Ein Adrian Newey ist darunter, der, wie man sagt, keinen Computer einschalten kann. Er zeichnet seine spleenigen Ideen immer noch mit Bleistift auf Servietten. Red Bull festigte damit seinen Ruf, ein christliches Auffangbecken für schwer vermittelbare Sozialfälle zu sein.

Einzig bei mastermind und spiritus rector Dr. Helmut ­Marko ging RB-Boss Dietrich Mateschitz patriotisch auf Nummer sicher. Er wählte mit Marko einen engen Freund, der zufällig auch ideal geeignet war. Der Grazer Gentleman ist ein entspannter, finanziell unabhängiger ­Ex-Formel-1-Fahrer, Sieger und bis vor Kurzem Distanzrekordhalter von Le Mans, avantgardistischer Unternehmer und unter anderem Eigentümer des Grazer „Schlossberghotels“, das für ­polyglotte Kunstfreunde das Romantik-Hotel Nr. 1 ist. ­Keine andere Herberge bietet so viel modern art.

Markos Bedeutung für den Formel-1-Triumph von Red Bull wurde offenkundig, als er nach Sebastian Vettels Sieg mit seinem jungen Schützling auf das Siegerpodest sprang und von arabischem Adel gewürdigt wurde. Diese Szene bleibt mir schon deshalb unvergesslich, weil ich sie in Zimmer 345 des „Schlossberghotels“ im Fernseher sah. Ich war gerade zufällig in Graz, um mit Schauspieler August „Gustl“ Schmölzer seine „Schule der Herzensbildung“ zu verfeinern, die neben Willi Resetarits’ „Integrationshaus“ in Wien und der Caritas die Formel 1 in Österreichs Charity darstellt. Gustl und ich sind Erzengel, leider auch boshaft und schadenfroh. Wir wussten: Helmut Marko, der auch Obstler verträgt, trank auf dem Siegerpodest aus der Champagnerflasche nur warmes Wasser, die Scheichs von Abu Dhabi sind darin streng. Nie zuvor hat uns der im Marko-Hotel gebotene Weißburgunder von Manfred Tement so gut ­geschmeckt.

Nach diesem sonnigen Sonntag ein schattiger Montag. Österreichs Tagesmedien reagierten grosso modo fad auf den Formel-1-Triumph. So, als hielten sie jedweden Patrio­tismus für unnatürlich und antiintellektuell. Hätte Alonso auf Ferrari die Fahrer-WM gewonnen, hätten die italienischen Zeitungen ihre Storys in war letters gesetzt, die TV-Stationen Sonderschichten eingelegt und alle Italiener auf offenen Plätzen Tiere geschlachtet. Man hätte in diesem ­gebeutelten Land auch die weltweite Werbung geschätzt. Ein finaler Formel-1-WM-Sieg erreicht Milliarden Erdenbürger, erst recht ein doppelter.

Red Bulls Triumph nützt Österreich mehrfach. Er zeigt der Welt, dass die Austrians (in Tibet: Audili) nicht nur Ski fahren und geigen können und namens KTM alle brutalen Bike-Rallyes à la Dakar gewinnen, sondern auch auf vier ­Rädern eine Macht sind. Wichtiger noch: Er zeigt, dass ­Österreichs Wirtschaft nicht nur aus seinem überragenden KMU-Mittelstand besteht, sondern auch aus feinen Industriekonzernen. Diese brillieren meist mit unsichtbaren ­Investitionsgütern. Red Bull zeigt, dass wir nun auch bei so genannten Konsumgütern angekommen sind, mit sagenhaftem Marketinggeschick, das selbst den darin bisher führenden Giganten Coca-Cola unheimlich alt aussehen lässt.

Wie feiert man den 14. November? Um es gleich zu ­gestehen: Ich finde den Geschmack des erfolgreichsten ­Energy-Drinks immer noch merkwürdig und witzig-entlegen. Am besten nehme ich Red Bull mit Wodka. Oder Wodka mit Red Bull? Dieser Feiertag rechtfertigt auch kühne ­Mischungen.

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