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Helmut A. Gansterer Künstler sind Klasse

Künstler sind Klasse

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„Ein Künstler hat das Recht, bescheiden
Und die Pflicht, eitel zu sein“
Karl Kraus

Es gibt keinen Grund, irgendeinen Menschen zu verherrlichen. Wer je in der Lage war, eine so genannte Weltberühmtheit genauer zu erleben, weiß dies. Jede hat ihre Entenfüßchen, wie Heinrich Heine in „Waldeinsamkeit“ schrieb, dem Lieblingsgedicht Oskar Werners, der wusste, wovon die Rede war. Er wusste, wie eifrig die Menschen die Nähe des Erfolgreichen suchen und wie schnell sie fliehen, sobald er ruft:

„Ihr Nixen und Elfen, ich komme zurück,
doch ohne Reichtum und ohne Glück.“

Unvergesslich Oskar Werners letzte Lesung im Wiener Konzerthaus. Er war rhetorisch brillant. Er steckte in einem engen Steireranzug, eine unglückliche Modelaune, die sich niemand erklären konnte. In der Künstlergarderobe dann sein wissendes Reden über den eigenen Untergang. Und Monate später, im finalen Gleitflug, bei Theaterarbeiten für das Oskar-Werner-Festival Wachau 1983, ein Jahr vor seinem Tod, Alkoholparanoia und ein letzter Sonnenstrahl.

Ein Bewunderer des Künstlers, der Unternehmer F.J.H., verzichtete als Einziger der Gutwilligen, ihm Kalksburg anzuraten. Statt billiger Worte kaufte er was. Er schenkte Oskar Werner das größte TV-VHS-Gerät und VHS-Kassetten seiner Welterfolge, darunter Becket und Heinrich IV. & V. am Burgtheater, filmisch Jules et Jim und Zwischenspiel und als TV-Hauptrolle die erfolgreichste Columbo-Folge, Playback. Der Weltstar bedankte sich enthusiastisch für das „menschlichste Geschenk“. Vielleicht starb er 1984 in Marbach im VHS-TV-Applaus seiner feinsten Performances.

So kompliziert sich das Leben von Künstlern wie Oskar Werner darstellen mag: Sie sind die Einzigen, von deren Existenz und Werken wir Rückschlüsse aufs Menschsein erhoffen dürfen. Einzig sie haben den Luftballon ihrer Existenz von innen aufgestoßen, um mit den Händen und Gehirnen weiter ausgreifen zu können. Der so genannte normale Mensch, auf den sich die meisten Wissenschaften berufen, ist für Lebenserkenntnisse so wichtig wie die Bibelauslegung des Mittelstürmers von FC Liverpool.

Der normale, bürgerliche Mensch ist eine wasserdichte black box, die aus Angst, Erfahrung und familiärer Umsicht sich so klein und schweigsam wie möglich macht, wie eine Boje sich anpasst an die Gezeiten, immer oben schwimmend. Einzig die Künstler untertauchen die Wellentäler wie Barrakudas und überspringen die Wellenkämme wie Delphine. Und anders als die primitiven Aktienkurse an Wertpapierbörsen widersprechen sie oft den Erwartungen.

Alfred Hrdlicka, gefürchtet als potenzieller Gewaltmensch, konnte ein sanftmütiger Zuhörer sein, obwohl er die Statue „Sonny Liston“ schuf, mit einem Unterarm wie Meister Proper. Umgekehrt Erwin Wurm. Durch kunstfernes Körpertraining jung und fit erhalten, wirkt er zunächst wie der Ideal-­Schwiegersohn, affin für IBM und Sony, und wird erst im ­Gespräch mephistophelisch und schlitzohrig wie seine intelligenten Humoresken, die höchste Preise erzielen.

Gerade weil sie schwer zu berechnen sind, zeigen Künstler und ihre Werke die Vielfalt des Lebens. Nach den verstörenden Inwärts-Bildern von Franz Ringel, die im besten und vergriffenen Nachkriegs-Kunstbuch Österreichs versammelt sind („78 Bilder für Maria“), erwartete man nur noch schwarze Bilder. So wie bei Robert Hammerstiel nach der Aufarbeitung seiner traumatischen Banat-Erlebnisse, die er ausnahmslos dunkel darstellte. Ringel malte dann wider Erwarten Riesenformate heller Frühlingsfelder, gegen die jeder Monet ein Leichentuch ist. Und Hammerstiel fand in seinen späteren, befreiten Bildern sogar zur Farbe Pink.

Zur horizontalen Ausweitung der Farbpaletten von Ringel und Hammerstiel erlebte man dieser Tage die vertikale Vertiefung eines dritten Österreichers, Eduard Angeli. Er trieb in Venedig, seinem Zweitwohnsitz, die Ästhetik seiner Bilder ins Uneinholbare. Albertina-Boss Klaus Albrecht Schröder würdigte diese Anstrengung mit einer großartigen Hängung von Schwarz-Weiß-Riesenformaten. Brad Pitt und Angelina Jolie kauften mit gierigem Blick den Angeli-Katalog. Sie würden sich melden, sagten sie.

Jüngst wanderte Angeli mit seinen Bildern in eine arme Gegend der Steiermark, um einem Freund die Reverenz zu erweisen. Im Kunsthotel Gabelhofen nahe Fohnsdorf ging es um die Taufe des Buchs „Helmut M. Zoidl – Mein Weg zur Kunst“. Auf 324 Seiten erfährt man dort, wie ein Manager und Unternehmer zum Menschen reifte. Man wandert im Buch durch die Zoidl-Sammlung, in der Qualität von Holzhausen Druck, gestaltet vom besten Buchdesigner, Didi Tadler. Um es gleich zu gestehen: Ich scheine als Herausgeber auf. Das nimmt dem Lob den Glanz. Ich betrachte mich allerdings nur als Statthalter von Wolfi Bauer. Der Weltklasse-Dramatiker verfolgte einst die Zoidl-Metamorphose vom Manager (Eumig) und Unternehmer (AT&S) zum Privatmann und Kunstliebhaber. Bauer begleitete das Schloss Gabelhofen so lange mit grandiosen Lesungen, bis es zur erfolgreichen Kunst-Geheimadresse wurde.

Man geht dort gut mit Events um. So auch zuletzt. Man feierte Zoidl als durch die Kunst ins Höchste Geretteten. Werner Schneyder sprach auf Eduard Angeli die beste Laudatio, die je einem Maler vergönnt war. Erich „Keksi“ Kleinschuster blies wie zum Jüngsten Gericht. Harry Neuwirth diente genial am Klavier. Die Schloss-Bar glühte bis sechs Uhr morgens auf hohem Niveau. Fazit, wieder einmal: Künstler sind nicht nur unsere Wichtigsten. Ohne sie ist auch jeder Event nur die Hälfte wert.

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