good news: Helmut A. Gansterer

Helmut A. Gansterer Lichter im Dunkel

Lichter im Dunkel

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„Ich habe überhaupt keine Hoffnung mehr in die Zukunft unseres Landes, wenn einmal unsere Jugend die Männer von morgen stellt. Unsere Jugend ist unerträglich, unverantwortlich und entsetzlich anzusehen“ Aristoteles

Ich würde gerne ein Jahr lang über anderes als die Krise ­schreiben. Man vergönnt sich ja sonst nix. Lieber schriebe ich beispielsweise über die wenigen österreichischen Künstler, die ihre Werke besser verkaufen denn je, beispielsweise Arnulf Rainer (Alles Gute zum Achtziger!), Franz West und Erwin Wurm, oder ob die Frauen im Jahr 2020 wirklich mehr verdienen werden als die Männer, wie ich jüngst las. Doch hier stutze ich schon. Selbst in den Themen, die man sich erträumt, steckt schon wieder die Krise. In diesem Fall jene der Mehrheit der Künstler, die vor Hunger schreien, und jene der Frauen, die noch immer 30 Prozent weniger für gleiche Arbeit kriegen und sich den Kopf an der gläsernen Decke stoßen, die sie von oberen Management-Rängen trennt.

So wie ein Gesunder viele Probleme hat, ein Kranker aber nur eines, fallen einem Schreiber in guten Zeiten viele Themen ein, in schlechten aber nur eines. Besonders krass ist die Lage, wenn dein Beruf dich täglich mit Bankern, Managern, Unternehmern, Politikern, Burn-out-Ärzten, Verlegern, Fotografen, Grafikern, Cartoonisten und Publizisten zusammenwirft, die allesamt nur noch aus Knochen, Fleisch, Blut und dem bösen K-Wort gefügt sind. Da gibt es kein Entkommen.

Kein Grund, dies nicht ernst zu nehmen. Die Krise ist da, und sie bleibt noch eine Zeit lang treu. Sie wegzubeten, müsste man Priester sein, sie wegzudenken, ein Schamane, sie auszuräuchern, ein tibetischer Mönch. Welche good news steht derzeit zur Verfügung, wenn man gern ein „berüchtigter Optimist“ ist, zu „Trost und Rat“ angelegt wie Radio-Onkel Willi Resetarits (Alles Gute zum Sechziger!) und sich vorgenommen hat, als letzte Ratte das Schiff namens „Zuversicht“ zu verlassen? Es gibt nicht viele helle Argumente. Doch das Wenige soll fein geordnet gesagt werden.

good news 1: Darf ich alle profil-LeserInnen ersuchen, sich stellvertretend für die Gesamtbevölkerung von ihren Plätzen zu erheben und sich selber Applaus zu klatschen, wie einst das Zentralkomitee der Sowjetunion? Anlass: Wir sind Helden. So wie wir einst Glückskinder waren und nach dem Zweiten Weltkrieg in die längste Epoche von Frieden und Wohlstand seit den Hethitern fielen, so mussten wir nach den achtziger Jahren auch heftigere Umschwünge abfedern als alle Vorfahren. Mit Fleiß, beträchtlicher Intelligenz und einer gewissen Anmut lernten wir, immer besser mit den Wallungen dreier Wechsel umzugehen. Erstens dem Wechsel von Handarbeit zu Kopfarbeit. Zweitens dem Wechsel von Analog zu Digital. Drittens dem Wechsel von National zu Global. Wir machten das gut, doch traf uns die Finanzkrise im ungünstigen Moment der Ermattung. Die Banker ließen uns im Stich.

good news 2: Nicht alles, was heute schlecht ist, ist neu. Es ist nur kaum besser geworden. Jüngst traf ich in St. Pölten (WKO-Center, Kreativkongress) mit Theoretikern und Praktikern der Werbung zusammen. Logisch klagten sie über Einbrüche der Werbeeinnahmen in harter Zeit. Ein altes Lied. Es ist nie gelungen, den Gedanken „antizyklische Werbung“ zu verankern. Kleiner Silberstreif: Es gibt mehr Unternehmer als früher, die eine Baisse als Chance auf starke Marktanteilsgewinne begreifen, weil in der Hochkonjunktur das Geschäft ein jeder kann. Das geht nicht ohne begleitende Werbung. Auch hier wirken heute die Banker negativ, als Kreditbremse. Die wunderbaren Ausnahmen sollten vor den Vorhang geholt werden, als Aufputschmanöver für die anderen.

good news 3: In Bregenz, Zell am See, Salzburg, Eferding und Wien traf ich im vergangenen Halbjahr junge Bürger, darunter Nachwuchspolitiker, die deutlich besser geschult sind als jene Alten, deren polternd-erregte Gebärden („Wir werden Ordnung schaffen“) sie verachten. Sie begreifen, dass man nicht alles zentral regeln und kontrollieren kann, schon gar nicht im Bankbereich, wo der Staat zu wenig Sachsubstanz hat. Jene Jungen begrüßten meine Idee, die Bankengemeinschaft selbst per 1. Februar 2010 aufzufordern, die Lage der Dinge selbstkritisch darzustellen und Zukunftsversprechungen abzugeben: „Was machten wir Banker übereinstimmend falsch? Was machen wir übereinstimmend künftig besser? Wie stehen wir zum Gier-Glauben, mit Wertpapieren langfristig mehr Geld verdienen zu können als mit echter Arbeit? Wie halten wir es künftig mit unseren Gehältern und Boni? Interessieren uns produzierende Betriebe noch? Und eine Wiedergewinnung der Wertschätzung der Bürger?“ Rund um die Überlegung, wie wohl die Banker um ein gemeinsames Kommuniqué ringen würden, erlebte ich mit der Jugend heitere Nächte.

good news 4: Wirtschaftshistoriker wissen, dass der wichtigste Platz im Unternehmen, jener zur Rechten des gottähnlichen Bosses, einst dem Vertriebsmanager vorbehalten war. Das war in den fünfziger Jahren. Es ging darum, Waren in leere Märkte möglichst gewinnbringend zu verteilen. Dann kam die Zeit der Personalmanager. Bis in die achtziger Jahre gab es ein Jugendparadies, von dem heutige Kinder nur träumen können. Man brauchte mehr von ihnen, als es gab. Dann, ab den neunziger Jahren, kam die Zeit der Finanzmanager. Nun saßen sie zur Rechten des Chefs. Sie verhießen mehr Geld durch Profit-Veranlagung in Wertpapiere als durch Re-Investment in den Betrieb. Nun werden sie wieder durch Vertriebsmanager ersetzt. Und diese bald ihrerseits, im Wege der Zyklen, durch Personalmanager, die darauf schauen müssen, möglichst viele der besten Mitarbeiter zu kriegen.

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