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Helmut A. Gansterer Minister Innauer

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„Schritt, Schritt, Atmen, und immer wieder Staunen“ Toni Innauer: „Am Puls des Erfolgs“

Die Titelzeile gibt Auskunft über das Ziel dieser Kolumne. Welcher Gentleman mit Toni Innauer gemeint ist, dürfte auch klar sein. Bevor ich genauer auf die personelle Aufwertung der gegenwärtigen Regierung eingehe, sind ­einige vorbereitende Absätze notwendig. In der Sportlersprache des Titelhelden: Ich brauche 100 Meter Anlauf für einen Sprung von zwei Metern.

Mein Studium der Krisenfolgen im Denken und Verhalten – teils durch objektivierende Umfragen gestützt, teils nicht – mündete in eine erstaunlich lange Liste positiver Vektoren. Diese könnten auf lange Sicht die handfesten Wirtschaftsschäden übertreffen. Das nützt zwar keinem Geldanleger, der seine Altersverwöhnung an der Börse ­verlor, und keinem Unternehmer, der an der Kreditdrossel erstickte. Aber allen, die überlebten (die meisten eher durch Angstpsychosen als materiell verletzt), kann das Positive eine neue Kraft durch Zuversicht vermitteln.

E Die Älteren zeigten nicht annähernd die Endzeitstimmung der 1970er-Jahre. Erstens sind sie schon trainiert auf Krise & Baisse. Zweitens lernten sie in den Erdölpreiskrisen 1973 und 1979, die ursprünglich als „Apokalypse“ gefürchtet wurden, dass die Politiker und Unternehmer heute besser damit umgehen können als in den klassischen Großkrisen davor.
E Man verzeichnet auf breiter Front eine materielle Umwertung von Fett auf Substanz. Man gibt sich mit weniger ­zufrieden. Das ist zunächst ein Nachteil für die Umsätze. Da diese Entwicklung aber mit einer Erhöhung des Qualitätssinns einhergehen wird („Das Beste ist preiswerter als das Billigste“ und „Lieber wenig Gutes als viel Schrott“), richtet diese vernünftige Neuorientierung in Summe keinen ­ökonomischen Schaden an, ist sogar segensreich für die Ökologie.

• Massenzeitungen berichten, vermutlich korrekt, von einer „Wiederkehr der einfachen Freuden“, die oft mit Sport verbunden sind (Radfahren, Bergwandern, Heurigenkrügerl-Stemmen), was u. a. von Ärzten und Inlandstouristikern wohlwollend vernommen wird.

• Feine Printmagazine, einzelne Radiosender (BBC, Ö1) und bildungslastige TV-Sender (3sat, Bayern-Alpha, arte, auch der ORF ist besser als sein Ruf) ermitteln seit 2007 geistige Umwertungen in Richtung verstärkter Sinnsuche, höherer Lesefrequenz und Geisteshobbys. „Gehirn-Jogging“ wurde zu einem Bestseller-PC/Handy-Programm. Vereinzelt fühlt man gar in eine „Epoche höherer Ethik“ vor, stochert dabei aber noch im Zwielicht. Beispielsweise offerierte 3sat unter Chefmoderator Gerd Scobel eine ­Lawine von Diskussionen und Dokus zu Themen wie ­Lebenssinn, Glaube & Religion und Glück. Sie waren allesamt spannend, boten aber – was für ihre Seriosität spricht – ­unter dem Strich noch keine Guglhupfrezepte, die für alle Küchen und Köche gültig wären.

Gespenstischerweise gibt es ein Buch, das all diese Punkte intelligent berührt und daneben, waagrecht wie senkrecht, noch darüber hinausgeht. Ich darf mir nicht schmeicheln, Erstentdecker zu sein. Die profil-Kollegen vom Ressort „Gesellschaft“, mit feinem Frühwarnsystem fürs Gute, haben dieses Buch schon in Heft 11 mit Aus­zügen gewürdigt.

Von vorn bis hinten studiert, erweist sich Toni Innauers 368-Seiten-Werk „Am Puls des Erfolgs“ (Verlag CSV, 24,95 Euro) als Schweizermesser mit scharfer Schneide, Kapselheber, Korkenzieher und Lupe. Als Autobiograf ist der dominierende Skispringer seiner Zeit – zum Beispiel Olympia-Silber-Gold 1976 und 1980 – sympathisch-bescheiden, stellenweise kokett-masochistisch.

Als Sachautor vernichtet er zwei Vorurteile: erstens jenes der Unvereinbarkeit von Intellekt und Sport, wie vor ihm sein Lehrer Baldur Preiml; zweitens jenes, Spitzensportler könnten keine klassen Manager und Funktionäre sein. Sie seien grundsätzlich Opfer des Peter-Prinzips: Beförderung bis zur Stufe der Inkompetenz. Toni Innauers eigenes Wirken bis zu den heutigen rot-weiß-roten „Superadlern“ ist ein triumphaler Gegenbeweis.

Meditativ noch anregend: Schilderungen über das Alleinsein in der Natur. Das Schärfste freilich ist der ethische Überbau des Buchs, vom kranken Doping bis zum Sportler als High-Tech-Testvieh, dessen Verletzungen billigend in Kauf genommen werden. All dies elegant und luftig geschrieben, dank augenfreundlicher Typografie in zwei Tagen schmerzfrei zu lesen. Nach diesem Buch wünschte man sich Toni Innauer als Europas Sportminister. Oder wenigstens als Boss eines ­eigenen österreichischen Sport-Ministeriums, weg vom Verteidigungsministerium, in das es genauso wenig passt wie früher ins Kulturministerium. Wenn Austria ein neues Athen werden will, braucht es ein avantgardistisches Sparta. „Am Puls des Erfolgs“ ist schon jetzt im Frühling als wichtigstes Buch 2010 vorstellbar.

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