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Helmut A. Gansterer Österreich 2010

Österreich 2010

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„Bescheiden können nur jene sein, die genug Selbstbewusstsein haben“ Gabriel Laub

Der Beruf Journalismus hat vier sonnige Seiten. Man wird von der Umwelt nett behandelt, obwohl in allen anonymen Umfragen als Unsympathler eingestuft, gleichauf mit Politikern und Anwälten. Man ist gezwungen, weiterzulernen, also die natürliche Indolenz zu überwinden. Man darf schreiben und kriegt auch noch Geld ­dafür. Und man hat leichten Zugang zu außer­gewöhnlichen Menschen, die hundertmal klüger sind als man selbst.

Letzteres schien mir das größte Privileg. Ich habe es weidlich genützt, sammelte Wissenschafter, Wirtschafts-Stars und Künstler in aller Welt. Leider habe ich drei Österreicher versäumt. Wahrscheinlich hielt ich sie für unsterblich. Zwei davon waren weltberühmt, Friedrich Hayek und Peter Drucker. Dem Dritten, Stephan Rudas, hätte ich höhere Berühmtheit vergönnt. Ihn hatte ich wenigstens für fünf Minuten. Sie reichten für eine Verzauberung. Dieser Psychiater war glücklich mit seinem Beruf und einverstanden mit dem, was er tat. Was wir an ihm verlieren, wissen die Leser aus der Rubrik „profile“ in Heft 26. Mir ist aus jenen fünf Minuten in Erinnerung, dass er neben der „Verdrängung des Schlechten“ (Erwin Ringel) auch eine selbstgeißlerische „Verdrängung des Guten“ in der Seele der Österreicher vermutete. Wir wollten dies später einmal genauer besprechen.

Etwa zeitgleich mit Stephan Rudas’ Tod am 19. Juni erreichte uns die Nachricht, Österreich sei knapp nach Island der sicherste Staat Europas. Theoretisch waren Silvesterfeuerwerke angesagt. Praktisch aber war Allerseelen. Meine spontane Achtel-Tour-Umfrage, zunächst in Strebersdorf, dann in Downtown-Vienna, ermittelte flächen­deckende Empörung. Wisse man denn nicht, dass wir ständig von Osthorden ausgeraubt werden? Dass Russen-Killer unablässig Juweliere der Kärntner Straße erschießen? Lese denn niemand die „Krone“? Das Wort Lügen-Statistik hatte ich zuvor erst einmal gehört. Als nämlich eine internationale Umfrage nach der lebenswertesten Großstadt die Wienerstadt erstmals über Zürich hob, als Nummer eins. Auch hier wieder: wenig Stolz und Freude, viel Kritik.
Wahrscheinlich sind in beiden Fällen ohnehin viele stolz gewesen, zählen aber zur so genannten „schweigenden Mehrheit“, die gerne vertuscht, dass es ihr gut geht.

Dies mag persönlich begründbar sein, führt aber in Summe zu einer schiefen Vogelschau. Jene, ­denen es schlecht geht und die sich als Verlierer empfinden, brauchen zur Selbstachtung das Gefühl, in einer schlechten Stadt und einem schlechten Land zu leben. Wenn nur noch ihre Stimme hörbar ist, weil die anderen schweigen, wird es gefährlich. Dann glauben es bald viele. Und jene, die ­dafür sorgten, dass Wien und Österreich international bewundert werden, geben irgendwann mangels heimatlicher Motivation auf. Sie kaufen wie Heidegger eine Almhütte und werfen wie Schopenhauer einen grimmigen Blick aufs Ganze.

Die Unternehmer Österreichs dürfen sich mittlerweile erkannt fühlen. Man sieht sie nicht mehr als Zwerge. Man begriff, dass absolute Größe powidl ist. Relative Kennzahlen entscheiden. Man weiß heute, dass KMU (Klein- & Mittelunternehmer) und Industrielle uns in die Top Ten des Weltwohlstands hoben. Und dass wir aktuell den zweitbesten Nachkrisenindex zeigen, als Verhältnis von Personalaufnahme und Personalkündigung. Auch unsere Tourismusunternehmer, die zirka zehn Prozent der Bevölkerung beschäftigen, haben in der Wirrnis der Jahrtausendwende alle vergleichbaren Länder überrundet. Im Vorjahr nahm man 22 Milliarden Euro ein, 1660 Euro pro Kopf, einzig übertroffen von Zypern.

Der einst schiefe Blick auf Österreichs Unternehmer ist nun geradegerückt. Eine wunderbare Botschaft für den internen Frieden. Unverändert kompliziert scheint das Verhältnis der so genannten Intellektuellen zur Exekutive. Man liefert aus historischer Abneigung die Polizei den Populisten aus, die sie grundsätzlich hofieren. Das ist politisch dumm und faktisch unfair. Man wird bald ­erkennen, dass auch dort vieles ins Bessere läuft.

Fazit: Österreich ist gut unterwegs, will es aber nicht wahrhaben, vielleicht aus Gründen eines smarten Instinkts. Bundespräsident Rudolf Kirchschläger sagte mir einst: „Wir Österreicher glauben, die schlechteste Bürokratie der Welt zu ­haben. Das schadet nichts. Auch wir können uns verbessern. Allerdings empfange ich fast täglich Delegationen von Ausländern, die von uns lernen wollen.“

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