Hirnforschung: Explosionen im Kopf

Neurowissenschaft über die Chemie des Glücks

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Wenn die Nervenzellen im Gehirn ihre Hormonschleusen öffnen, Neurotransmitter wie Dopamin und Serotonin den Puls beschleunigen und ein wohliges Kribbeln über die Haut schicken, dann kann man sich im landläufigen Sinn „glücklich“ schätzen.

Neuere Forschungsergebnisse gehen von sechs für Glücksgefühle zuständigen Regionen aus. Das limbische System (Nucleus accumbens), das „Gefühlsgehirn“, bildet mit dem vorderen tegmentalen Areal des Mittelhirns sowie den hinter der Stirn liegenden Regionen der Großhirnrinde die Schaltstellen für Angst, Freude, Wut und Lust. Die oberste Instanz in Glücksangelegenheiten ist der Nucleus accumbens mit seinem Dopaminsystem. Dopamin, ein Transmitter, der zwischen den Regionen des Gehirns vermittelt, fungiert als Stoff gewordene Belohnung. Eine kleine Dopamin-Explosion im Gehirn signalisiert uns, dass wir das Richtige für uns getan haben und dies bei nächster Gelegenheit wiederholen sollten.

Dem Dopamin springt eine Heerschar chemischer Helferlein zur Seite: körpereigene Opioide und Cannabinoide. Zur ersten Gruppe gehören die Endorphine. Opioide produzieren Genussgefühle, die so köstlich sind, dass man rasch danach süchtig werden kann. Die körpereigenen Cannabinoide entdeckten die Hirnforscher erst vor wenigen Jahren. Die hochwirksamen Substanzen, die etwa in Haschisch und Marihuana vorkommen, sorgen für die vermehrte Freisetzung von Dopaminen im Belohnungssystem.

Anders als der Botenstoff Dopamin, dessen Aktionsfeld sich auf einige Hirnzonen beschränkt, schwirrt der Botenstoff Serotonin im ganzen Körper herum. Zu den Glücksstoffen zählt er, weil er Angst ausschaltet und uns mitteilt, wann wir satt und zufrieden sind.

Bis heute gibt das Glück der Wissenschaft Rätsel auf: Nicht geklärt ist etwa, wie viele Botenstoffe in den schönsten Momenten des Lebens im Einsatz sind. Auch das Zusammenspiel der verschiedenen Neurotransmittersysteme im zentralen Nervensystem liegt noch im Dunkeln.

Neueren Erkenntnissen zufolge hängen Glücksgefühle eng mit Verantwortung zusammen. Wer eine Aufgabe hat, fühlt sich wohler als jemand, der sein Leben mit Nichtstun zubringt. Der Körper belohnt sich nach sinnvollen Tätigkeiten mit angenehmen Schauern. Wer anderen hilft, bekommt eine Extraportion an Glückshormonen. Diese erzeugt das so genannte „Helper’s High“, das euphorische Hoch nach einer guten Tat. Marathonläufer schwören auf ihr „Runner’s High“, das sich einstellt, wenn die Muskeln erschlaffen und Milchsäure ins Blut abgeben. Dann schickt die Hirnanhangdrüse Endorphine ins Rennen, das wirksamste körpereigene Mittel gegen Schmerzen und Unruhe. Die Endorphine blockieren die Übertragung des Schmerzes und ermöglichen dem Läufer, seine Kilometer abzuspulen, obwohl er nicht mehr kann.

Ob Glücksgefühle auch genetisch bedingt sind, darüber streiten die Wissenschafter noch. Gesichert scheint, dass es von den Erbanlagen abhängt, wie viele Hormone ein Organismus produzieren und verarbeiten kann. Etwa 50 Prozent des Glückspotenzials könnten vererbt sein. Die verhaltensbiologischen Glücksforscher David T. Lykken und Auke Telegen folgern daraus: „Zu versuchen, glücklicher zu werden, ist für einen Menschen möglicherweise genauso sinnlos, wie zu versuchen, größer zu werden.“