Hofburg: Der Nachfolger

Die schwierigen Tage der Amtsübernahme

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Heinz Fischers erste Unterschrift als Bundespräsident der Republik Österreich betraf eine Personalie. Das frisch gekürte Staatsoberhaupt richtete ein Ansuchen an das Außenministerium, Botschafter Rene Pollitzer als Kabinettsdirektor in die Präsidentschaftskanzlei zu versetzen. In seinem zweiten offiziellen Schreiben benachrichtigte Fischer Bundeskanzler Wolfgang Schüssel von seiner Abwesenheit am 13. Juli aufgrund eines Besuchs in Ungarn. Und beim dritten Mal setzte Fischer seine Signatur unter ein vorbereitetes Gnadengesuch.

Die Stimmungslage am Donnerstag vergangener Woche, dem Tag der Angelobung Heinz Fischers zum neuen Bundespräsidenten, pendelte zwischen tiefer Trauer und leichter Heiterkeit. Für seinen Amtsvorgänger Thomas Klestil fand Fischer in seiner Ansprache bei der Gedenkfeier im Parlament bewegende Worte. Klestils Witwe Margot wünschte er, „dass sich der Schmerz des Abschieds einmal in eine helle Erinnerung verwandeln möge“.

Als der Kanzler und seine Regierungsmitglieder am Nachmittag bei Fischer erschienen, herrschte fast ausgelassene Stimmung. Fischer lehnte den von Schüssel traditionsgemäß angebotenen Rücktritt der Regierung ab und hatte beim Handschlag mit den Ministern und Staatssekretären für manchen ein Späßchen parat. Bei Martin Bartenstein erkundigt sich Fischer, wann der Wirtschaftsminister den nächsten Marathon in Angriff zu nehmen gedenke. Zu Innenminister Ernst Strasser sagte er: „Herr Minister, ich fühle mich sicher.“ Bei Landwirtschaftsminister Josef Pröll erkundigt er sich nach dem Befinden der Familie, Pröll antwortete auf seine und Strassers Funktion Bezug nehmend, auch die „Ernährung“ wäre „gesichert“. Nach dem Handschlag mit Karl Schweitzer erbat Fischer vom Kanzler Auskunft über die Kondition des Sportstaatssekretärs. Fischers sublime Botschaft: „Seht her, ich bin locker und stehe mit der Bundesregierung in bestem Einvernehmen.“

Volksnähe. Im neuen Amt will Fischer Volksnähe zelebrieren und auf jenen protokollarischen und militärischen Pomp, dem Klestil bisweilen zuneigte, zum Teil verzichten. Der erste Auftritt als Oberbefehlshaber des Bundesheers bei der Flaggenparade am Nachmittag nach der Angelobung beim äußeren Burgtor am Heldenplatz wurde dennoch zur gelungenen Übung. Die Ehrengarde marschierte Heinz Fischer – wahrscheinlich unabsichtlich – sogar im militärischen Gleichschritt mit Verteidigungsminister Günther Platter und Generalstabschef Roland Ertl ab.
Am kurzen Weg zurück in die Hofburg schüttelte Fischer Hände, grüßte die Passanten und freute sich über den spontanen Applaus der Bürger für ihr neues Staatsoberhaupt.

Thomas Klestil war vor zwölf Jahren mit ähnlichem Schwung in die Hofburg eingezogen.

So innig wie zuletzt war das Verhältnis zwischen Heinz Fischer und seinem Amtsvorgänger nicht immer. Als Klestil 1992 gegen den SPÖ-Kandidaten Rudolf Streicher die Bundespräsidentenwahl gewonnen hatte, saßen Schock und Argwohn bei den Sozialdemokraten erst einmal recht tief. Thomas Klestil tat anfangs auch wenig, um sich im roten Lager Freunde zu machen. Kurz vor dem österreichischen EU-Beitritt träumte der neue Präsident etwa davon, die Republik im Europäischen Rat zu vertreten – und kam damit dem damaligen Bundeskanzler Franz Vranitzky in die Quere. Heinz Fischer stand in dem monatelangen Disput auf Vranitzkys Seite. „Die gegenwärtige Kompetenzverteilung lässt dem Bundespräsidenten genug Spielraum“, erteilte er Klestil eine Abfuhr.

Im Dezember 1994 sorgte Klestil erneut für Aufruhr bei den Roten, als er sich für einen baldigen Beitritt Österreichs zur Westeuropäischen Union aussprach. Fischer schrieb ihm daraufhin einen Brief, der für seine Verhältnisse regelrecht grob ausfiel. Mit solchen Vorstößen würden „Grundprinzipien des parlamentarischen Systems in sensiblen Bereichen berührt“, befand Fischer.

Auch über den Wert der immerwährenden Neutralität konnten sich die beiden nie einigen. Klestil sprach sich mehrfach für einen NATO-Beitritt Österreichs aus, für Fischer ist jede Abweichung vom strikten Neutralitätskurs bis heute undenkbar.
In den vergangenen sechs Jahren war Klestil den Sozialdemokraten zunehmend ans Herz gewachsen – und umgekehrt. Im selben Maß, wie die Beziehungen des Bundespräsidenten zur eigenen Partei schlechter wurden, wurden sie zur SPÖ immer besser. Klestils – notgedrungen passiver – Widerstand bei der Bildung der schwarz-blauen Koalition im Jahr 2000 wurde ihm von den Sozialdemokraten hoch angerechnet.

Mehrere Male war Fischer in seiner Funktion als Nationalratspräsident in den bewegten Tagen im Jänner und Februar 2000 mit einem Exemplar des Bundesverfassungsgesetzes unter dem Arm auf Klestils Wunsch in der Präsidentschaftskanzlei zu Beratungsgesprächen erschienen.

Klestil hat sich im Wahlkampf um seine Nachfolge zwar nicht zu Wort gemeldet, sein schlechtes Verhältnis zur ÖVP-Kandidatin Benita Ferrero-Waldner war aber nie ein Geheimnis. Wie sehr er sich über den Sieg von Heinz Fischer freute, bewies Klestil unter anderem dadurch, dass er ihn einen Monat nach der Wahl zu einem Treffen europäischer Staatspräsidenten in Rumänien mitnahm.

Ideologische Differenzen. Ideologisch lagen stets Welten zwischen dem CV-Mitglied Thomas Klestil und dem bekennenden Agnostiker Heinz Fischer. Trotzdem bezeichnet der neue Bundespräsident seinen Vorgänger heute als Vorbild. „Sein Einsatz für die Republik Österreich war imponierend, obwohl er wusste, dass er nicht gesund ist“, so Fischer (siehe Interview).

Wie Klestil versprach das neue Staatsoberhaupt bei der Angelobung, überparteilich agieren zu wollen. Donnerstagvormittag vergangener Woche stellte Fischer seine SPÖ-Mitgliedschaft ruhend. Ein Lapsus passierte dem Bundespräsidenten hingegen auf seiner Hompage. Unter hofburg.at findet sich ein Link zu digitalehofburg.at, ein Projekt, mit dem Fischer eines seiner Wahlkampfversprechen umzusetzen gedenkt. Der Schönheitsfehler: Ein Link zu digitalehofburg.at findet sich auch auf der SPÖ-Homepage, die Domain gehört offiziell der Sozialdemokratischen Partei Österreich.