Interview: „Ich knie vor Alice Schwarzer“

„Ich knie vor Alice Schwarzer“

ÖVP-Generalsekretär Hannes Missethon

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profil: Sie haben sich neulich als Fan von Alice Schwarzer geoutet. Wie kommt das?

Missethon: Weil Alice Schwarzer und ich darauf hinweisen, dass die Unterdrückung der Frau wieder auflebt – in Teilen von Migrantenfamilien. Das widerspricht dem Grundgedanken des Feminismus, nämlich der Gleichstellung von Mann und Frau. Schwarzer ist die Einzige aus der Frauenecke, die sich lautstark zu Wort meldet. Ich teile ihre Meinung. Und es wundert mich, dass die Feministinnen in Österreich in aller Ruhe zuschauen.

profil: Und jetzt reden Sie?

Missethon: Es wird mir nichts anderes übrig bleiben. Wenn die Frauenministerin das nicht macht, werde ich mich stärker einmischen.

profil: Sie geben sich als linke Emanze?

Missethon: Zumindest als Verfechter einer partnerschaftlichen Lebensform zwischen Mann und Frau. Mich wundert, dass Frauenministerin Doris Bures das nicht thematisiert. Initiativen wie „Mama lernt Deutsch“ sind ja ganz lieb. Aber überlegen Sie, was los gewesen wäre, wenn in den Achtzigern mit „Mama geht arbeiten“ geworben worden wäre. Das hätte den Männern damals nicht mal ein müdes Lächeln gekostet.

profil: Wie sollen sich denn Feministinnen konkret einbringen?

Missethon: Sie sollen den Frauen Rückenstärkung geben und auf die Männer Druck aufbauen. So wie sie in den siebziger und achtziger Jahren Druck auf die österreichischen Männer ausgeübt haben. Denn im Nachhinein muss ich sagen: Das war damals richtig.

profil: Warum nehmen Sie Feministinnen in die Pflicht und nicht die Politik?

Missethon: Weil Feministinnen der Entwicklung zusehen. Warum wird das Verhalten der Migranten nicht thematisiert? Wenn sich Werthaltungen einschleichen, die den offenen, toleranten Zugang zur Gesellschaft nicht haben, dann gehören sie kritisiert. Und von den Feministinnen höre ich gar nichts.

profil: Wen meinen Sie mit Feministinnen: Politikerinnen? Die Frauenbewegung?

Missethon: Alle mitsammen. Die Feministinnen sind müde und satt geworden. Da ist nichts mehr von Fieber zu spüren. Man hat sich offenbar arrangiert. Dabei wäre es doch einmal interessant, eine Studie über Zwangsverheiratungen in Auftrag zu geben. Da gibt es im Moment ja nur Vermutungen.

profil: Die Enquete Ihrer Parteifreundin Ex-Frauenministerin Maria Rauch-Kallat war Ihnen zu wenig?

Missethon: Das war ein Anfang. Aber Frauenministerin Bures macht gar nichts. Dabei sollte sie einmal Migrantinnen zuhören, die den Emanzipationsprozess geschafft haben. Das sind ganz schwierige Abnabelungsprozesse. Und die muss man stärken. Es macht doch nachdenklich, wenn junge Mädchen plötzlich nicht mehr in Schulen auftauchen.

profil: Und was sollen Bures oder die Feministinnen dagegen tun?

Missethon: Ich hätte gerne, dass die moslemischen Mädchen aufwachsen wie alle österreichischen Kinder, dazu gehört auch das gemeinsame Turnen. Das ist eine wichtige Frage.

profil: Aber wie soll jetzt der Staat konkret eingreifen?

Missethon: Da muss man in die Migranten-Community und sagen: Freunde, so geht das nicht. Wir wohnen nicht in einem islamischen Staat, sondern in einer demokratischen Republik.

profil: Das kann man schon sagen. Aber wie geht’s dann weiter?

Missethon: Nochmals: Gehen wir zurück die letzten 20, 30 Jahre, wie die Johanna Dohnal aufgetreten ist …

profil: Wir wussten nicht, dass Sie so ein Dohnal-Fan sind. Immerhin hat die ÖVP Dohnal das Leben so schwer wie möglich gemacht.

Missethon: Aber die Dohnal hat permanent eine öffentliche Debatte entzündet. Das war schwierig für die Männer.

profil: Besonders für die ÖVP.

Missethon: Ja, aber nicht nur. Die Männer in der SPÖ haben sich genauso geärgert. Aber Dohnal hat immer wieder unser Rollenverhalten infrage gestellt und uns pausenlos provoziert. Ich war schon in der Früh auf 180, wenn ich die Zeitung aufgemacht habe. Im Nachhinein muss ich sagen: Sie hat uns Männer gefordert. Sie hat gesetzlich gar nicht so viel gemacht, aber sie hat ihre Chance genutzt. Wie Schwarzer in Deutschland. Das gefällt mir, dass sie sich da einmischt. Ich knie vor Alice Schwarzer.

profil: Dohnal hat auch eine Bildungsoffensive für Frauen gestartet. Warum starten Sie nicht eine Bildungsoffensive für Migrantinnen?

Missethon: Ja, aber wer sagt den Männern, dass wir nicht in Anatolien sind?

profil: Na Sie.

Missethon: Das ist schon interessant, dass der konservative Generalsekretär die linke Emanze spielt. Bildung allein ist ja zu wenig.

profil: Im Bildungssystem haben Migranten schlechte Chancen, die Gesamtschule würde das verbessern. Trotzdem ist die ÖVP dagegen.

Missethon: Als die ÖVP die verpflichtenden Sprachkurse einführte, waren wir Rechtsradikale. Als ich im Frühjahr sagte, Migrantenkinder haben ein Sprachproblem, gab es einen Aufschrei von den Linken. Aber grundsätzlich geht es nicht nur um Sprachkurse und schon gar nicht um die Gesamtschule. Wir haben eine Wertedebatte zu führen. Die werden wir mit einer Schuldiskussion nicht schaffen.

profil: Geht es Ihnen um Migranten oder um den Islam?

Missethon: Es geht um Verhaltensweisen, die wir nicht tolerieren wollen: um zwangsverschleierte Frauen, um Zwangsverheiratungen, um den Druck der Männer.

profil: Gehen wir es konkret durch. Was wollen Sie gegen Zwangsehen unternehmen?

Missethon: Das Thema muss aus der Anonymität herausgeholt werden. Erst dann bekommen auch jene innerhalb der Community Schutz und Sicherheit. Das braucht Öffentlichkeit.

profil: Sind Sie für ein Kopftuchverbot im öffentlichen Raum?

Missethon: Ich möchte mir mit dieser Bewertung Zeit lassen, weil mir die Diskussion dazu fehlt. Es ist ja auch die Frage: Wenn das Kopftuch erzwungen ist, habe ich ein Problem damit. Wenn es die freie Entscheidung der Frau ist, weniger.

profil: Und Sie wollen jede Frau einzeln dazu befragen?

Missethon: Meine persönliche Meinung ist: An Schulen und Universitäten brauche ich kein Kopftuch, weil es politisch-religiösen Charakter hat. Selbst in der Türkei war das Kopftuch lange Zeit verboten, daher haben religiöse Familien ihre Töchter nach Wien zum Studieren geschickt. Das können wir doch nicht wollen!

profil: Soll das Kopftuchverbot auch für andere Religionen gelten, etwa für Perücken orthodoxer Juden?

Missethon: Da gibt es schon einen wesentlichen Unterschied zu den Moslems. Das Kopftuch ist im Gegensatz zu anderen Religionen ein politisches Signal.

profil: Und was ist mit dem Kreuz?

Missethon: Das soll bleiben. Europa baut auf den christlichen Wurzeln. Soll ich mich jetzt schämen? Da sollten wir schon selbstbewusst auftreten.

profil: Ein eigenes Einkommen emanzipiert. Sollte man daher Migrantinnen nicht eine vom Ehemann unabhängige Beschäftigungsbewilligung erteilen, um sie aus der Abhängigkeit zu holen?

Missethon: Wir reden ja nicht von Arbeitsbewilligung. Das ist so ein Mädi-Thema. Das zentrale Thema ist, dass Frauen massiv benachteiligt werden und innerhalb des Familienkreises in eine Abhängigkeit kommen.

profil: Und der Staat hilft mit. Weil er diese Frauen nicht arbeiten lässt.

Missethon: Das Problem ist doch ein anderes: Wir scheuen uns vor der Diskussion über die Familienformen. Migrantenfamilien, die da sind, wurden von den Linken gefördert, und jetzt haben sie ein Problem, ihre eigene Klientel zu kritisieren.

profil: Bleiben wir bei Ihrer Klientel. Warum sitzt für die ÖVP keine Türkin im Parlament?

Missethon: Wir haben eine im Wiener Landtag.

profil: Aber das Parlament hat mehr Öffentlichkeit.

Missethon: Keine Partei hat eine Migrantin im Parlament. Die ÖVP ist da nicht hintennach.

profil: Jetzt haben Sie zu allen konkreten Integrationsansätzen Nein gesagt. Geht es Ihnen um Gleichberechtigung oder um Wählerstimmen?

Missethon: Ich will, dass endlich einmal ehrlich diskutiert wird. Und mit diesem verlogenen Multikulti-Gerede Schluss ist.

Interview: Eva Linsinger, Ulla Schmid