Ich Chef, du Frau

Ich Chef, du Frau

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Und noch mehr beeindruckende Fälle aus den Akten der Gleichbehandlungskommission:

In einem Produktionsbetrieb sind alle Gruppenleiter in der Meistergruppe M 1 (oder noch besser) eingestuft, egal, ob sie die Meisterprüfung haben oder nicht. Die Gruppenleiterinnen hingegen finden sich ausnahmslos in niedrigeren Lohngruppen, was bedeutet, dass sie erheblich weniger verdienen. Zur Rede gestellt, erklären die Verantwortlichen, die männlichen Gruppenleiter verfügten über sehr gute Maschinenkenntnisse.

Bei der Überprüfung zeigt sich: Auch die Frauen kennen sich mit den Maschinen bestens aus, andernfalls könnten sie gar nicht Gruppenleiterinnen werden. Hingegen mangelte es einigen der Männer an der nötigen Vorqualifikation. Obwohl sie erst eingeschult werden mussten, wurden sie sofort höher eingestuft.

Zwei Akademikerinnen arbeiten in einer Spedition. Beide bauen jeweils gemeinsam mit einem Kollegen eine Abteilung auf – und kriegen dann den Mann als Chef vor die Nase gesetzt. Anders als seine Untergebene hat einer der Abteilungsleiter keinen Studienabschluss, schlechte Fremdsprachenkenntnisse (sie beherrscht drei Sprachen) und weniger Berufspraxis. Dafür kassiert er, wie auch der andere Mann, eine jährliche Prämie, die Frauen nicht. Als sie sich beschweren, wird die eine gekündigt. Die andere bekommt zu hören: Die Rolle der Frau sei es, Männern zuzuarbeiten. Eine Frau bewirbt sich um den Posten einer Abteilungsleiter-Stellvertreterin. Es wird ihr ein Mann vorgezogen, der deutlich schlechter qualifiziert ist. Sie wendet sich an die Gleichbehandlungskommission, die feststellt, dass sie diskriminiert wurde. Danach wird in derselben Abteilung die Stelle des Leiters frei. Die Frau bewirbt sich wieder, und erneut wird ihr Rivale bevorzugt. Rückt sie wenigstens jetzt zu seiner Stellvertreterin auf? Nein, denn um diesen Posten hat sie sich diesmal ja nicht beworben, ätsch! Eine Juristin möchte in einem Unternehmen Leiterin einer neu geschaffenen Abteilung werden. Auch sie hat keine Chance gegen einen Mann mit deutlich geringeren fachlichen Kenntnissen. Begründung: Ihr fehle es an „wohlwollender Fürsorglichkeit für die Mitarbeiter“. Dem Mann fehlt es daran offenbar auch, aber bei ihm macht das nichts, er wird gelobt, weil er „kühl und sachlich“ zu führen verstehe. Ein technisches Team. Alle haben die gleiche Ausbildung, alle machen die gleiche Arbeit. Doch während die Männer als „Konstrukteure“ gelten, wird die einzige Frau im Team als – schlechter bezahlte – „technische Zeichnerin“ geführt. Außerdem wird von ihr verlangt, dass sie Kaffee kocht, Jausenbrote holt und die Papierkörbe leert. Eine Frau wird Abteilungsleiter-Stellvertreterin in einem Fahrdienst-Unternehmen, einem Männerbetrieb. Das passt weder dem Abteilungsleiter noch ihren Kollegen. Sie wird sexuell belästigt. Ein Kollege stellt sie anderen als seine Sekretärin vor, obwohl sie seine Vorgesetzte ist. Als dann auch noch bekannt wird, dass einer der Kraftfahrer in der Firma ihr Lebensgefährte ist, bricht Psychoterror aus. Die Kollegen schicken ihr obszöne E-Mails und ignorieren ihre Anweisungen. Der Direktor sagt, sie solle „die Buben“ doch nicht so ernst nehmen. Die Buben sind Männer um die fünfzig. Zum Schluss wird der Direktor ärgerlich, weil sie ihre Anschuldigungen gegen die „Buben“ aufrechterhält, und versetzt sie zur Strafe als Hilfskraft in die Werksküche.

Jetzt nicht süffisant sagen: Ja, wenn sie sich’s gefallen lässt …

In allen hier beschriebenen Fällen haben sich’s die Betroffenen eh nicht gefallen lassen, sonst wären ihre Schwierigkeiten nicht aktenkundig geworden. Die Dreh- und Angelpunkte sind indes andere:

Erstens ist es eine Schweinerei, dass überhaupt ausgetestet wird, was sich Frauen alles gefallen lassen.

Und zweitens ist es durchaus riskant, wenn sie sich wehren:

Nicht immer kann die Diskriminierung eindeutig bewiesen werden, weil Gesetzestexte auch Auslegungssache sind. Zudem können Firmenverantwortliche sowohl Einsicht in die Unterlagen wie auch eine Aussage vor der Gleichbehandlungskommission verweigern. Häufig werden Beschwerdeführerinnen einfach gekündigt. Kündigungen müssen nicht begründet werden. Zu beweisen, dass sie aufgrund der Beschwerde erfolgen, ist oft schwierig bis unmöglich.

Und was ist mit der Benachteiligung von Männern? Auch sie haben Probleme, richtig, aber selten aufgrund ihres Geschlechts. In der Fallsammlung der Gleichbehandlungskommission finden sich bloß zwei Beispiele dafür, dass Männer einen Posten nicht bekommen haben, weil sie Männer sind. Einer wollte Supermarktkassier werden und erfuhr, dass junge Herren nur als Filialleiter vorgesehen wären, aber leider sei gerade kein Filialleiterposten frei. Der andere bewarb sich um einen Teilzeitjob in einem Sekretariat und bekam mitgeteilt, man suche ein „Mädchen für alles“, und das sei, noch dazu als Teilzeitjob, einem Manne nicht angemessen.

Auch ärgerlich, zugegeben, aber doch ganz klar ohne den Hintergrund der Geringschätzung, der weibliche Diskriminierung unrühmlich auszeichnet.