In der That: Rephorm ist von Noeten!

In der That: Rephorm ist von Noeten!

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Seyen wir doch zur Gaenze ehrlich: Es war höchste Eisenbahn, daß diese Debatte nun des langen und breiten stattfindet, daß nun auch die „Neue Kronen Zeitung“ befindet, es müsse „Schluß mit der Rechtschreibreform“ sein. Endlich traut sich ein sprachlich kompetentes Blatt, sich keines mehr vor den Mund zu nehmen, und zu schreiben, wie uns der Schnabel gewachsen ist.

Schluss jetzt aber mit den Schrecksekunden für unsere Korrektur-Abteilung. Im Folgenden versuche ich, mich dem offenbar brennendsten Thema dieses wohl doch nicht folgenlos heißen Sommers in einem Idiom zu widmen, das ich stets für eine immer wieder noch vergebliche Annäherung an die Muttersprache halte.

Jedes Thema wäre ja ein Hammer gewesen, das imstande ist, den „Spiegel“ und die „Bild“-Zeitung zu vereinen, aber dass zwei Blätter, die die gemeinsame Sprache gemeinhin diametral entgegengesetzt verwenden, gerade an diesem Strang und noch dazu in dieselbe Richtung ziehen, ist entwaffnend. Das muss der letzte testamentarische Schmäh der beiden Herren Rudolf Augstein und Axel Cäsar Springer gewesen sein. Er verleitet einen geradezu, das Stereotyp vom teutonischen Furor zu bemühen, wäre der halbblinde Eifer nicht gleich grenzüberschreitend.

Wäre es möglich, zaghaft anzumerken, dass in das allgemeine Schriftbild dreist implantierte Redewendungen wie „erste Sahne“, „große Sause“, „Abzocke“ in jeglicher Schreibweise obszön schiach sind und „außen vor bleiben“ müssten. Wäre noch Zeit, schüchtern darauf hinzuweisen, dass uns „flapsig“ nicht so gut klingt wie „salopp“, dass wir nicht ganz leger bleiben, wenn wir „unverkrampft“ lesen müssen, dass uns auch unser altes „schockiert“ besser gefällt als norddeutsches „geschockt“, dass wir, ohne die alten Schreibungen zu sehr „schönen“ zu wollen, Frisör und platziert und Delfin für provinziellste Verarmungen und nicht für smarte Bereicherungen halten. (Schiraffe blieb uns deshalb erspart, weil die Deutschen das Tier wie Gir-Affe aussprechen, ebenso zwanghaft, wie sie Bongbong und Schangse sagen müssen.)

Dennoch hätte so ein Diskurs nicht deutschfeindlich ausfallen dürfen, denn der österreichische Umgang mit dem dritten und vierten Fall ist fahrlässig genug, seine oft übertriebene Furcht vor Fremd- und Lehnwörtern ist kleinhäuslerisch xenophob, und die Ausdrücke „supi“, „geil“, „ur“ und „cool“ grassieren hüben wie drüben.
Jetzt aber ist sowieso alles anders, wir scheinen den Scherm ebenfalls aufzuhaben und sind mittendrin im Scherbengericht.

In seinem Dialekt, der sich jeglicher Umfärbung gottlob entzogen hat, hat Josef Weinheber erkannt: „’s waa ned Wien, wo ned durt, wo ka G’frett’ is, ans wurd.“

Auf deutscher Zunge lassen wir uns das mit „Es wäre nicht Wien, würde nicht dort, wo keine Bredouille ersichtlich ist, eine geschaffen“ zergehen. Folglich machen wir im angeblichen Umkrempeln angeblicher Werte tatendurstig mit.

Die Leserschaft muss wissen, was es geschlagen hat und dass es was zu denken oder besser noch zu tun gibt. Erstens einmal sind wir beim Rückkehren schon immer weltmeisterlich gewesen, zweitens trägt alles, was mit „nicht mehr länger“ beschrieben werden kann, den unerschütterlichen Keim des Freiheitskampfs in sich, und drittens können uns, wenn wir nur wollen, alle am Dings, und wir werden dem Duden schon zeigen, wo der Bartel wohnt oder so.

Was eigentlich kann verständlicher, ästhetischer, ethisch fairer werden, wenn manches klein- und wieder zusammengeschrieben werden darf und der eilige Geist sich bei Schifffahrt ein f erspart? In welcher Schreibweise gewänne der (viele Jahre alte) „Bild“-Titel: „Entmenschte Mutter kocht Kleinkind auf Sparflamme!“? Aufgrund welcher Interpunktion würden Mitteilungen über die „vielen Afrikaner, die bei uns Rauschgifthändler sind“, differenziert wirken? Welche Schreibweise transportiert „sündteure Nobelrestaurants“ in ein selbstbewusstes Weltbild? Wie klein sollen „Hass-Tiraden gegen unser Land!“ geschrieben werden, um Völkerverständigung zu nähren?

Das sind alles vielleicht ganz blöde Fragen. Die Antworten darauf haben mit dem Problem der Dynamik einer Sprache vielleicht nicht unmittelbar zu tun. Gegenwärtig beeindruckt uns die Erkenntnis angesichts des Verhaltens einiger größerer, anderssprachiger Nationen, dass Verblödung in jeder Sprache funktionieren kann. Wer das tun will, schickt seine Sprache auf den Strich, nicht auf den Beistrich. Eine Zeit, die dazu neigt, die Verpackung höher zu bewerten als den Inhalt, läuft Gefahr, die althergebrachte Tumbheit bloß gefällig zu kostümieren, das Vorurteil fashionable zu verkaufen.

Wie sinnvoll es wäre, so radikal vorzugehen wie die Berliner „tageszeitung“, künftig mit Ausnahme der Eigennamen alles kleinzuschreiben, weiß ich nicht. Aber wenn’s in anderen Weltsprachen geht, warum nicht auch auf Deutsch? Das Argument des Vereinfachens wäre der Idee nicht abzusprechen.

Und einen Lieblingstitel hätt ich auch schon: „helft den not leidenden vögeln.“