Indoor-Pool oder Schwimmteich?

DIE KONKRETEN VORWÜRFE GEGEN MARTIN

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Ende August 2008 ahnte die Familie, die im Erdgeschoß eines Wohnhauses im deutschen Tübingen wohnte, noch nichts von ihrem Unglück. Das Objekt war verkauft worden, der neue Eigentümer hieß Hans-Peter Martin. Man gratulierte ihm herzlich zum Hauskauf, alles Weitere wolle man gerne bei einem Glas Wein besprechen. Schließlich kannte man einander, Martin und seine Frau wohnten ja schon geraume Zeit unter demselben Dach.

Doch sie sollten HPM erst jetzt richtig kennen lernen. Martin wollte die Familie, die dort bereits zwei Jahrzehnte wohnte, aus dem Haus haben. Und das auf die unfeine Tour, wie die Anwaltskorrespondenzen, die profil vorliegen, zeigen. Demnach soll Martin verlangt haben, die Familie möge sich nur in einem klar begrenzten Gartenbereich aufhalten, eine im Grünen aufgestellte Bank entfernen, das Baumhaus der Kinder abbauen. Martin soll Kompostbehälter verlegt, den Keller zugemüllt, die nächtliche Ruhe der Familie gestört, deren Tochter angeherrscht haben. Eine Tübinger Anwaltskanzlei, spe­zialisiert auf Mietrechtsangelegenheiten, stand Martin hilfreich zur Seite und spendete Tipps in Sachen „Zermürbungstaktik“, wie aus dem Mailverkehr zwischen Martin und dem Justiziar hervorgeht.
Die Streitigkeiten eskalierten, nachdem Martin versucht haben soll, mit seinem Mercedes das Fahrzeug der Familie von der Straße abzudrängen. Die Angelegenheit landete vor Gericht, doch die Staatsanwaltschaft in Tübingen stellte das Verfahren im Dezember 2009 ein. Es lägen hier „Privatklagedelikte“ vor, „die von der Staatsanwaltschaft nur verfolgt werden, wenn dies im öffentlichen Interesse liegt“. Dies sei hier nicht der Fall, „es handelt sich um eine Streitigkeit zwischen Vermieter und Mieter“.

Nun skizzieren diese Vorfälle allein schon ein recht verstörendes Bild vom Mitmenschen Martin. Die darauf folgenden Ereignisse lassen aber auch Rückschlüsse auf das politische Agieren Martins zu.

Die Staatsanwaltschaft stellte also fest, dass es sich um eine private Fehde handelte, demnach in keiner Weise Martins politische Tätigkeit berührte. Konsequenterweise wurde Martin juristisch auch von einem Mietrechtsexperten vertreten. Er war aber nicht gewillt, die Kosten dafür aus der eigenen Tasche zu berappen.

• Am 10. Februar 2010 stellte jene Tübinger Kanzlei Martin eine Zahlungsaufforderung zu, mit folgender Anmerkung: „Anbei die Rechnung mit den gewünschten Änderungen.“ Die beigefügten Honorarnoten – Betreff: „Vertretung in Rechtsangelegenheiten in Deutschland“ – waren an den Wiener Rechtsanwalt Ernst Denk adressiert. Denk ist der Anwalt der Liste Martin. Martin mailte diese Rechnungen „wie besprochen“ mit der Bitte „um Begleichung“ an Denk weiter. Dieser reagierte höchst ungehalten. „Das haben wir gerade so NICHT besprochen“, schrieb er erbost an Martin zurück. „Auch in der Vergangenheit habe ich dir immer erklärt, dass diese von Dir angedachte Verrechnung nicht geht.“ Offenbar hatte Martin schon wiederholt versucht, Rechtskosten gegen den Willen seines Anwalts als Parteiausgaben abzurechnen, war damit aber ins Leere gelaufen. Also beglich Martin das Honorar der deutschen Mietrechtsanwälte – in Summe 2999,98 Euro – über seine Wiener Global Informations GmbH und buchte den Betrag später ungeniert unter „Rechts-, Prüfungs- und Beratungsaufwand“ in die Parteiausgaben ein.

Ein Einzelfall?
Keineswegs, wie Korres­pondenzen und Rechnungen belegen.

• Im Frühjahr 2010, die Familie hatte zu diesem Zeitpunkt bereits enerviert das Feld geräumt, wälzte Martin großspurige Ausbaupläne für sein Tübinger Domizil. Er beauftragte ein Architektenbüro mit der Planung, dieser sollten „die Themen Aussicht, Blickbeziehung, Wasser“ zugrunde liegen. Ein Dachausbau wurde überlegt, große Fensterfronten gewünscht, ein Indoor-Pool erwogen, letztlich aber einem „großzügigen Schwimmteich mit Uferterrasse“ der Vorzug gegeben. Am 2. Juni 2010 übermittelte das Architektenbüro via Mail die Rechnung für den Entwurf: 29.750 Euro. Martin wies seine Bank an, den Betrag zu überweisen. Der schlichte Verwendungszweck: Rechnung. Auch diese Ausgabe wird später aus Parteimitteln bestritten: In der Rubrik „Sachaufwand für Öffentlichkeitsarbeit“ findet sich der Betreff „Honorarnote für Aufbau“.

Verwechslung ausgeschlossen:
Der Name des Architekten ist angeführt. Martin hält fest: „Die Planungsarbeiten eines möglichen privaten Umbaus wurden völlig getrennt von der Liste Martin in Rechnung gestellt und bezahlt.“ Dasselbe gelte für die Leistungen der Tübinger Anwaltskanzlei. Die Schere zwischen der ausbezahlten Wahlkampfkostenrückerstattung und Martins Ausgaben dürfte allerdings nicht fristgerecht kleiner geworden sein. 2009 musste offenbar noch ein erklecklicher Teil „ausgegeben“ werden.

• Am Silvestertag des Jahres 2009, also buchstäblich in letzter Minute, nahm Martin noch eine Verrechnung vor. Er wies der Anwaltskanzlei Denk 104.623 Euro an. Zum Teil wurde damit eine ausstehende Rechnung beglichen, den Rest legte Martin als Akonto für künftige Rechtshilfe an.

Jedenfalls aber buchte Martin die 104.623 Euro zur Gänze in die Ausgabenrechnung noch für das Jahr 2009 ein, diesfalls korrekt unter „Rechts-, Prüfungs- und Beratungsaufwand“. Trotzdem ist die Verbuchung fragwürdig, haben ihm doch seine Wirtschaftsprüfer ausdrücklich erklärt: „Voraussetzung für die Aufnahme in den Rechenschaftsbericht 2009 ist, dass die entsprechenden Kosten bis zum 31.12.2009 entstanden sind.“ Und das kann bei Rechtsvertretungen in der Zukunft schwer der Fall sein.