Karl-Heinz Grasser:

Interview: „Augenmaß bewiesen“

„Augenmaß bewiesen“

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profil: Am Donnerstag hat Jörg Haider, der FPÖ-Steuer-Chefverhandler, noch erklärt, von der Salzburger Regierungsklausur seien so gut wie keine Resultate zu erwarten, die Positionen von Schwarz und Blau klafften noch viel zu weit auseinander. Jetzt hat die Regierung doch ein komplettes Steuerreformpaket beschlossen. Was hat den Wandel bewirkt?
Grasser: Die Konsensbereitschaft und Handlungsfähigkeit der Regierung ist offensichtlich wesentlich größer, als man uns zugetraut hat.
profil: Ist nicht vielleicht auch die Bereitschaft der ÖVP, den Wünschen Jörg Haiders entgegenzukommen, doch größer, als man gedacht hat? Der hat ja vehement auf ein Vorziehen eines Teils der Steuersenkung auf 2004 gepocht, die ÖVP war strikt dagegen. Jetzt kommt sie.
Grasser: Dem Regierungsübereinkommen ist die Aufteilung der Reform in ein Element 2004 und eines 2005 zu entnehmen, und dem entsprach meine ursprüngliche Position. Knapp vor Weihnachten gab es Gespräche zwischen den Koalitionsparteien, bei denen rasch klar wurde, dass die FPÖ ihre Vorstellungen extrem stark auf einen Vorzieheffekt fokussiert. Ungefähr seit dieser Zeit ging es um die Frage: Wie hoch könnte das Volumen sein, das wir auf 2004 vorziehen? Dieses jetzt beschlossene Volumen beträgt 250 Millionen Euro, also zehn Prozent des gesamten Entlastungspakets 2004/05.
profil: Das bedeutet, dass sich Jörg Haider durchgesetzt hat?
Grasser: Nein, das bedeutet, dass sowohl die ÖVP als auch die FPÖ und Jörg Haider in dieser Frage Augenmaß bewiesen haben.
profil: Zuletzt wurde darüber debattiert, zu welchem Anteil man diese Steuersenkung durch Anhebung anderer Steuern gegenfinanzieren und zu welchem Anteil sie auf Pump erfolgen werde.
Grasser: Bundeskanzler Schüssel hat in der Pressekonferenz schon betont, dass diese Steuersenkung ausschließlich durch die in Gang befindlichen strukturellen Reformen auf der Ausgabenseite des Budgets gegenfinanziert wird. Es gibt keine Gegenfinanzierung auf der Einnahmenseite.
profil: Dabei haben Sie doch bis vor wenigen Wochen ernsthaft angepeilt, diverse Vermögensteuerarten oder die Erbschaftssteuer zur Gegenfinanzierung heranzuziehen.
Grasser: Richtig ist, dass wir uns mit einer Vielzahl von Varianten sehr ernsthaft beschäftigt haben.
profil: Aber wozu denn eigentlich, wenn Sie doch jetzt den Eindruck zu erwecken versuchen, einnahmenseitige Maßnahmen der Gegenfinanzierung seien ohnehin gar nicht nötig?
Grasser: Hier handelt es sich um die größte Steuerreform, die wir je hatten. Vom Volumen her und von der Veränderung der Steuerstruktur her. Angesichts eines solchen Projekts wurde von uns natürlich jede Diskussion geführt, die vorstellbar ist.
profil: Dieser Tage haben Sie Ihren Ministerkollegen mitgeteilt, dass sie drei Prozent der im Budget 2004 für ihre Ressorts angesetzten Ermessensausgaben auf Eis zu legen hätten. Jeder wusste: Damit wurden in Wahrheit drei Prozent dieser Kategorie von Ermessensausgaben 2004 von Ihnen unwiderruflich gestrichen. Es geht dabei um immerhin 330 Millionen Euro. Sind die – quasi als Element der Gegenfinanzierung – der Steuerreform zum Opfer gefallen?
Grasser: Wenn man die Einnahmenseite des Budgets reduziert, muss man auch die Ausgabenseite reduzieren – sofern man an der Konzeption eines ausgeglichenen Budgets über den Zyklus hinweg festhält. In diesem Sinn wird der besondere Druck, den wir auf die Ausgabenseite ausüben, ganz sicher auch künftig anhalten.