Austropop-Legende Wolfgang Ambros

Interview: „Das Prinzip Rock ’n’ Roll kann mich am Arsch lecken“

„Prinzip Rock ’n’ Roll kann mich am Arsch lecken“

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Wolfgang Ambros spielt Golf. Aber er nimmt das Spiel nicht sehr ernst. Weil so viel Zeit hat er gar nicht. Da sind zum Beispiel die Proben für das Kolonovits-Musical im burgenländischen Oberwart. Gut, es ist nur ein kleiner Auftritt, aber mit dem großen Vorteil, dass der Golfplatz in Wurfweite liegt. Außerdem hat er alle Hände voll damit zu tun, PR-Termine abzusagen. „München, zwei Tage“, sagt der junge Mann von der Plattenfirma mit flehendem Unterton. „Na, wirklich net“, sagt Ambros. Gestrichen voll hat er die Nase von großen Teilen der österreichischen Presse, da herrschen laut Ambros nahezu britische Zustände: „Die schreiben inzwischen original, was sie wollen …“ Woche für Woche muss er über sich Sätze wie „das einsame Raubein und sein stilles sportliches Glück, das er Annilein nennt“ lesen. Seine Freundin Anne, mit der er seit zwei Jahren zusammen ist, ist an Öffentlichkeit nicht interessiert. Aber keine Chance.

Deshalb gibt er trotz eben erschienener neuer CD „Steh grod“ praktisch keine Interviews – auch weil er nach 35 Jahren in der „Hack’n“ in jener Sphäre angekommen ist, die man mit dem Begriff Fünf-Sterne-Wurschtigkeit umschreiben könnte. Ambros muss niemandem mehr etwas beweisen. Er hat über fünf Millionen Platten verkauft und 23 Studioalben eingespielt. Er hat zigfach die Wiener Stadthalle gefüllt. Er hat Nummern wie „Zwickt’s mi“ oder „Schifoan“ gesungen, die schnurstracks zum nationalen Kulturgut avancierten.

Mit „Da Hofa“, einer Ode an die Wiener Verschlagenheit, legte Ambros 1971 den Grundstein für eine Strömung, die dem Land eine musikalische Identität gab: Austropop. Er wurde hochgejubelt und später niedergemacht. Er verlor sich manchmal im Pathos. Er hat eine heftige Scheidung mit medialem Rosenkrieg hinter sich. „Steh grod und vergiss dein Zorn, denn es steht sie ned dafür …“ singt er – mehr zu sich selbst wohl – auf der Titelnummer seines neuen Albums. Im Interview ist Ambros von milder Grundgrantigkeit und vermittelt den Eindruck, einen mittelschweren Zahnarztbesuch über sich ergehen lassen zu müssen. Wenn das Tonband nicht läuft, ist er charmant und umgänglich.

profil: Das 35-jährige Jubiläum der Nummer „Da Hofa“ wäre zu feiern.
Ambros: Bitte, wer feiert das?
profil: Immerhin ist „Da Hofa“ fest im österreichischen Bewusstsein verankert. Welche Erinnerungen haben Sie an die Zeit damals?
Ambros: Ich war gerade aus England zurück, wo ich ein Jahr lang in einem Plattengeschäft gearbeitet hatte. Ich hab mir damals alles angehört, quer durch: Led Zeppelin, Cream, Beatles. Im Gegensatz zum Schiffi (Anm.: Schiffkowitz von STS) war ich nie der Meinung, dass die Musik bei Crosby, Stills & Nash aufhört. Damals herrschten ja musikalisch richtige Glaubenskriege. Auch „Da Hofa“ löste einen solchen Krieg aus. Die orthodoxen Rockfans in ihrem Cream-Wahn waren entsetzt. „Des is Oasch“ war eine weitverbreitete Rückmeldung. Damals bin ich viel im Hawelka gesessen.
profil: Mit der Partie von André Heller?
Ambros: Nein, das waren die aus Hietzing. Mit dem Heller bin ich erst knapp nach meinen ersten Demos in Kontakt gekommen, auf Vermittlung meiner damaligen Freundin in seiner Dachmansarde. Die Pluhar war auch da.
profil: Hingegossen auf einem Eisbärenfell?
Ambros: Na, die hat g’rad was gekocht. Ich habe dem Heller drei Nummern vorgespielt, und er ist immer nervöser geworden. „Hast eh eine gute Stimme“, hat er gemeint. „Aber jetzt horchts zu, jetzt spiele ich euch meine neue Platte vor.“ Dann haben wir uns diese ganze Zigeuner-Platte anhören müssen. Und dann sind wir wieder gegangen.
profil: Wurden Sie von Heller unterstützt?
Ambros: Nein, es hat sich meiner die österreichische Plattenfirma Amadeo erbarmt und das produziert. Und innerhalb von zwei Wochen war die Single auf Platz eins.
profil: Wie selbstbewusst waren Sie damals?
Ambros: Ich wusste immer schon: Wenn ich die Chance krieg, werde ich auch Erfolg haben. Es ging nur darum, dass die Wuchtel veröffentlicht wird.
profil: Wird Ambros von den Österreichern mehr geliebt, als er die Österreicher liebt?
Ambros: Dass die Österreicher mich in Bausch und Bogen lieben, kann man nun wirklich nicht behaupten.
profil: Wieso? Sie werden doch längst als nationales Eigentum verehrt.
Ambros: Ich habe ein paar Lieder gemacht, die als Eigentum der Nation betrachtet werden. Und das ist auch gut so. Andere streben das ein Leben lang vergeblich an. Man lernt im reiferen Alter, dass man darauf durchaus auch stolz sein kann.
profil: Gab es im Laufe Ihrer Karriere ernsthafte Durchhänger?
Ambros: Es gab Momente, in denen man sich Sorgen machen musste.
profil: Welche Art von Sorgen?
Ambros: Keine Details bitte. Das hängt mit einschneidenden Erlebnissen zusammen.
profil: Privater oder künstlerischer Natur?
Ambros: Das ist in meinem Fall schwer zu trennen, vor allem heutzutage. Früher herrschten ja geradezu paradiesische Zustände.
profil: Spielen Sie damit auf die mediale Aufbereitung Ihrer Scheidung und Ihrer neuen Beziehung an?
Ambros: Genau.
profil: Das lag aber nicht nur an den bösen Medien. Ihre Exfrau Margit hat sich in diversen Magazinen sehr eifrig zu Wort gemeldet.
Ambros: Sie war naiv und hat sich aufs Glatteis führen lassen. Und dadurch ist der komplette Irrsinn erst entfacht worden. Das ist mir damals alles sehr nah gegangen. Ich war ziemlich erledigt.
profil: Traf Sie das Ende Ihrer Ehe unvorbereitet?
Ambros: Völlig aus dem Blauen. Dieses Gefühl der Machtlosigkeit war unbeschreiblich. Die wahre Therapie war für mich der „Watzmann“, den ich damals noch bis zum Exzess ausgelutscht habe. Ich war Gott sei Dank über Monate mit dem Ensemble zusammen, das für mich zum Familienersatz wurde. Das hat mir sehr geholfen. Aber können wir jetzt bitte über etwas anderes reden?
profil: Noch nicht. Auf Ihrer neuen CD widmen Sie die sehr melancholische Nummer „I geh“, die fast eine Liebeserklärung ist, offensichtlich Ihrer Exfrau.
Ambros: Ja.
profil: Wie war ihr Feedback?
Ambros: Wir haben darüber nicht gesprochen.
profil: Aber Sie wohnen doch nach wie vor gemeinsam unter einem Dach.
Ambros: Das funktioniert auch alles ganz wunderbar. Wir sind eine Art Notgemeinschaft, denn keiner von uns beiden könnte allein das Haus in Pressbaum halten. Aber wir reden nur über pragmatische Dinge. So nach dem Motto: „Wer mäht den Rasen?“
profil: Im Zuge der damaligen Medienschlacht haben Sie den österreichischen Wortschatz um den Begriff „Frustbuchteln“ bereichert.
Ambros: Falsch. Ich habe „Frustwachteln“ gesagt, das ist ein gängiger Wiener Ausdruck. Die Redakteurin hatte offensichtlich ein Hörproblem. Frustwachteln sind für mich Frauen, die ihr eigenes Leben nicht in den Griff kriegen und dafür immer einen Prellbock brauchen, anstatt die Schuld bei sich selbst zu suchen. Ein weitverbreitetes Phänomen. Aber können wir bitte jetzt wirklich über was anderes reden? Wir haben überhaupt noch nicht über die neue Platte gesprochen.
profil: Was ist Ihre Lieblingsnummer auf der CD?
Ambros: Na, bitte nicht so!
profil: Zweiter Versuch: Das Gefühl einer optimistischen Wehmut zieht sich durch das Album. Besonders bei der Titelnummer „Steh grod“ hat man das Gefühl, dass Sie sich mit Durchhalteparolen selbst anfeuern.
Ambros: Ja, durchaus. Nach meinem Scheidungswahnsinn bin ich schon sehr gekrümmt gegangen. Eines Nachts habe ich mir die Zeile „Steh grod und schau nach vorn“ notiert. Und dann ist es losgegangen. Gerade bei dieser Nummer sind mir die Strophen so rausgeflossen, dass ich sie kübelweise wegschmeißen musste.
profil: Werfen Sie viel weg?
Ambros: 90 Prozent. Ich muss das Gefühl haben, dass ein Lied von A bis Z stimmt und nicht nur eine Zeile.
profil: Wir haben einmal die Exhaushälterin von Bob Dylan kennen gelernt, die heute noch darüber weint, dass sie die Mistkübel auch wirklich immer ausgeleert hat.
Ambros: Meine Perle kommt aus der Slowakei und versteht kein Deutsch. Deswegen bin ich diesbezüglich sicher.
profil: Fällt Ihnen diese Form der Selbstentblößung, wie sie auf „Steh grod“ zu hören ist, schwer?
Ambros: Wovor soll ich mich bitte fürchten? Vor einem Verriss? Mein Wohl und Weh hängt außerdem schon lange nicht mehr vom Erfolg einer Platte ab.
profil: Genießen Sie dieses Gefühl der Unverwundbarkeit?
Ambros: Es ist herrlich. Das Alter hat doch auch seine Vorteile. Eigentlich geht’s mir besser als je zuvor. Radio Burgenland spielt mich brav. Und Florian Silbereisen hat mich auch schon zum Fest der Volksmusik nach Chemnitz eingeladen.
profil: Unser Mitgefühl gehört Ihnen.
Ambros: Wieso? Das ist ein sehr netter Bursche, dieser Silbereisen. Als deutsch singender Mensch um die 55 muss man damit rechnen, in der Schublade Schlager kategorisiert zu werden. Die haben doch sonst überhaupt keine Ahnung, wo sie
dich hintun sollen. Ich hab da keine Berührungsängste. Aber Chemnitz ist grauenhaft, da wird man richtig depressiv.
profil: Die physischen Einschränkungen, die das Alter neben der Weisheit mit sich bringt, wie etwa Leberwerte, sind auch Thema des Albums.
Ambros: Natürlich geht nicht mehr alles so, wie man möchte, und auch nicht jederzeit. Es gibt drei Möglichkeiten im Umgang damit. Eine ist, alles zu ignorieren und so weiterzumachen wie bisher. Die andere ist eine Form der Hypochondrie, wo man bei jedem Durchfall alle Zustände bekommt. Die dritte Möglichkeit ist, einigermaßen entspannt damit umzugehen, aber doch aufmerksam in sich hineinzuhorchen. Dafür habe ich mich entschieden.
profil: Ihre Leberwerte stellten also nie ein existenzbedrohendes Problem dar?
Ambros: Ich habe nie sehr exzessiv gelebt. Abstinent war ich de facto auch nicht, aber es hat sich immer in überschaubaren Grenzen gehalten.
profil: Das klingt sehr vernünftig. Braucht das Prinzip Rock ’n’ Roll nicht auch den Exzess, um überhaupt funktionieren zu können?
Ambros: Das Prinzip Rock ’n’ Roll kann mich am Arsch lecken. Das ist mein Leben und mein Beruf. Glauben Sie, ich könnte anders 35 Jahre lang so da oben stehen? Ich verlange bei Konzerten nämlich Eintritt und hänge der altmodischen Vorstellung an, dass ich dafür mein Bestes zu geben habe.
profil: Was denken Sie, wenn Sie einen selbstzerstörerischen Rockprinzen wie Pete Doherty sehen?
Ambros: Ein Wahnsinn, dass es das noch gibt. So wurscht muss einem alles einmal sein. Aber er wird die Konsequenzen noch bereuen.
profil: Ihr 24-jähriger Sohn Matthias ist auch Musiker.
Ambros: Ja, ich wurde gerade meiner Sauna beraubt, weil er sich dort ein Studio reinbaut. Aber natürlich freut es mich, dass er diesen Weg einschlägt.
profil: In die Kokain-Affäre um Rainhard Fendrich haben Sie sich nicht eingeschaltet. Was empfanden Sie dabei?
Ambros: Abscheu. Es ist sehr leicht zu sagen: Warum macht der so was? Aber wenn man weiß, wie man in solche Situationen hineingetrieben werden kann, versteht man auch die andere Seite. Ich habe diese ungeheure Medienmaschinerie im Zuge meiner Scheidung selbst erlebt und war fassungslos. Wirkliche Abscheu habe ich für die Herrschaften empfunden, die sich über den Rainhard danach monatelang das Maul zerrissen haben.
profil: Georg Danzer hat kürzlich in profil seine Krebserkrankung öffentlich gemacht. Wussten Sie davon?
Ambros: Das war natürlich ein großer Schock. Er hat mich vorher angerufen, weil er nicht wollte, dass ich es aus der Zeitung erfahre. Ich war zu der Zeit gerade in Griechenland. Meine Mutter, die ja Georgs Buben als Kindermädchen großgezogen hat, hatte es mir schon vage angedeutet. Natürlich beginnt man bei solchen Nachrichten auch darüber nachzudenken, wie es mit einem selbst weitergehen wird.
profil: Warum lassen Sie das Projekt Austria 3 entschlummern? Gibt es dafür private Gründe?
Ambros: Das war längst gemeinsam beschlossene Sache und ein weiser Schritt. Es wäre doch nichts schlimmer gewesen, als wenn sich Austria 3 von selbst totgelaufen hätte und nur der leiseste Verdacht aufgekommen wäre, dass wir die Idee bis zum Gehtnichtmehr auslutschen. Viel weiter hätten wir damit nicht kommen können. Es war die logische Konsequenz.
profil: Wie kommentieren Sie die Tatsache, dass BZÖ-Chef Peter Westenthaler ein erklärter Ambros-Fan ist?
Ambros: Geh bitte, hörts mir auf mit dem Westenthaler! Zufällig habe ich diesen TV-Auftritt mit dem gefälschten Brief gesehen. Ein Wahnsinn! Wie blöd kann man eigentlich sein?
profil: In einem profil-Interview im Jahr 2000 meinten Sie, dass Politik sowieso nur temporär und Ihnen eigentlich egal sei, ob da irgendwelche blauen oder grünen Kasperln herumhupfen. Bleibt diese Politikverdrossenheit bis heute bestehen?
Ambros: Ich halte es für höchst fraglich, dass ein Kanzler Gusenbauer irgendetwas verändern würde. Jössas, habts ihr diese Radlerhose vom Gusi eigentlich gesehen?
profil: Ja, sie war schwer zu übersehen. Sie sind doch ein Kind der Kreisky-Ära …
Ambros: Ich kann keine einzige der kandidierenden Parteien guten Gewissens wählen. Weil ich nicht mehr weiß, wem ich was glauben kann.
profil: Werden Sie weiß wählen?
Ambros: Möglicherweise werde ich gar nicht wählen, ich bin nämlich zum fraglichen Datum gar nicht da.
profil: Es gibt immerhin Wahlkarten.
Ambros: Das ist wieder so eine Riesencheckerei. Ich kenn mich auch außerdem viel zu wenig aus. Wahrscheinlich fehlt es mir einfach auch an Interesse.
profil: Sie sind zu diesem Zeitpunkt „auf Tour und kana Kur“, um Wolfgang Ambros auf der neuen CD zu zitieren. Udo Jürgens hat erklärt, dass er am liebsten auf einer Bühne tot umfallen möchte.
Ambros: Wenn sich’s irgendwie vermeiden lässt …
profil: Picasso malte im hohen Alter einige seiner besten Bilder.
Ambros: Der hat aber zwischendurch keine 500 Kilometer fahren müssen.
profil: Sind Sie eigentlich Romantiker geblieben?
Ambros: Ja, was soll ich denn machen? Ins Kloster gehen?
profil: Golf spielen zum Beispiel.
Ambros: Golf spiel ich sowieso.

Interview: Angelika Hager, Sebastian Hofer