Interview: „Die Menschen sollen sich das wünschen“
profil: 1999 präsentierten Sie als Familienminister einen Bericht, in dem stand: „Der prognostizierte Niedergang der Werte ist bei den Jugendlichen nicht eingetreten.“ Was ist inzwischen passiert, dass Ihre Ministerkollegin Elisabeth Gehrer und der Bundeskanzler jetzt nach einer Wertediskussion rufen?
Bartenstein: Nichts. Wie junge Menschen heute mit Partnerschaft umgehen, finde ich bemerkenswert. Wer sagt, wir haben zu wenig Kinder, hat Recht. Die Diskussion läuft aber falsch. Im Zentrum der Debatte stehen die 35- bis 45-Jährigen. Deren geringe Fertilitätsrate stellt uns vor die Frage, wie wir den Generationenvertrag und die Wettbewerbsfähigkeit unserer Gesellschaft sichern können.
profil: Auf dieser Generation lastet enormer Druck vom Arbeitsmarkt. In dieser Notlage machen Sie den Menschen Vorhaltungen, dass sie sich auf ihre Jobs statt aufs Kinderkriegen konzentrieren?
Bartenstein: Ich sehe keine Notlage. Es gab allerdings eine Reihe von Paradigmenwechseln. Heute wird der Zeitpunkt, ein Kind zu bekommen, durch die Eltern bestimmt – ein ganz wichtiger Fortschritt. Das traditionelle Rollenbild hat sich zwar geändert, aber zu einer Mehrbelastung für die Frau geführt. Wir müssen lernen, besser mit diesem Empowerment der Frau umzugehen. Zwischen dem Kinderwunsch der 20-Jährigen und der kinderlosen Realität bei den 35-Jährigen klafft ja nicht ohne Grund ein riesiger Unterschied.
profil: Sollte die fünfköpfige Kinderschar der Familie Bartenstein die Benchmark für alle Österreicher sein?
Bartenstein: Das soll jeder halten, wie er möchte. Ich will mir die Reaktion meiner Frau nicht vorstellen, hätte man uns bei der Hochzeit fünf Kinder vorhergesagt. Heute ist es ein Riesenglück, wobei ich nicht verkenne, dass es mit fünf Kindern ganz schön schwierig wird, wenn man finanziell nicht besser gestellt ist.
profil: Versteht ein reicher Schlossbesitzer wie Sie überhaupt, wenn andere Menschen ebenfalls materielle Lebenswünsche hegen? Auch wenn es nicht das Feriendomizil in Lech ist.
Bartenstein: Selbstverständlich sollen sich die Menschen das wünschen. Ich glaube übrigens nicht, dass Hedonismus und Fun-Orientierung heute größer sind als vor 40 Jahren. Die Menschen arbeiten heute härter, die Jugend studiert besser und ist in vielerlei Hinsicht viel angepasster als 1968 und danach.
profil: Sie haben jüngst vorgeschlagen, Eltern ein Stimmrecht für ihre Kinder zu geben. Die ÖVP würde sich bei den nächsten Wahlen über fünf zusätzliche Bartenstein-Stimmen gewiss freuen.
Bartenstein: Ich weiß nicht, von welchem Wahltermin Sie ausgehen, aber 2006 werden zwei meiner Kinder bereits selbst wählen dürfen. Davon abgesehen, ist die Diskussion zulässig, gerade wenn man die Generationengerechtigkeit diskutiert. Zwei Millionen Pensionisten vertreten sich selber, doch wer vertritt die 1,7 Millionen nicht wahlberechtigten Kinder?
profil: Die 16-Jährigen werden sich schön bedanken, wenn der Papa für sie die Stimme abgibt.
Bartenstein: Als Erziehungsberechtigter übe ich viele Funktionen in Vertretung meiner Kinder aus.
profil: Es soll aber vorkommen, dass Jugendliche politisch anders denken als ihre Eltern.
Bartenstein: Das ist wohl eher die Regel als die Ausnahme. Das erlebe ich daheim selber. Unsere Sozialdemokraten und Grünen sollten sich die Argumente ihrer deutschen Kollegen zum Familienwahlrecht anhören, bevor sie reflexartig rufen: Das kommt nicht infrage.
profil: Nach dem Beschluss, die Voest über die Börse zu privatisieren, will jetzt die Raiffeisenlandesbank Oberösterreich ein maßgebliches Paket erwerben. Hätte man nicht besser gleich an einen Großinvestor verkaufen sollen, was vermutlich einen höheren Preis brächte?
Bartenstein: Ich halte den Weg über die Börse für sehr vernünftig. So ist für die Voest ein Mix aus österreichischen Kernaktionären und breiter Streuung im Sinn einer Public Company möglich. Die Voest braucht den Staat als Eigentümer nicht, der hat die gute Entwicklung zuletzt allenfalls behindert.
profil: Als Sie die Ladenschlussregelung an die Länder delegierten, wussten Sie doch im Voraus, dass die Länder nicht mitspielen werden. War das nicht eine Scheinliberalisierung?
Bartenstein: Es ist ein Schritt zur Liberalisierung. Mehr war vom Koalitionspartner nicht zu haben. Allemal, Niederösterreich geht jetzt mit gutem Beispiel voran. Da wird Wien bald mitziehen müssen.
profil: Der niederösterreichische Landeshauptmann ist auch mit Überlegungen vorgeprescht, bei den Bundespräsidentschaftswahlen zu kandidieren. Schlägt Ihr Herz mehr für Pröll, Außenministerin Ferrero-Waldner oder für die steirische Landeshauptfrau Klasnic als Kandidaten?
Bartenstein: Die Diskussion ist eine ausschließlich mediale. Jedenfalls finde ich es bemerkenswert, dass die ÖVP mindestens drei Kandidaten hat.
profil: Ist es nicht viel bemerkenswerter, dass Erwin Pröll seine Kandidatur von sich aus ins Spiel gebracht hat? Manche interpretieren das als Machtprobe mit dem Bundeskanzler.
Bartenstein: Den Eindruck habe ich nicht. Leute werden gefragt und geben Antworten. Vieles ist Interpretation. Der Bundeskanzler hat klar gesagt, wann die ÖVP über die Kandidatur entscheiden wird.
profil: Sie gelten als Architekt der Koalition mit der FPÖ. Erst jüngst haben Sie wieder gesagt, dass Schwarz-Grün nicht zur Diskussion steht. Sind Sie damit nicht zusehends in der Minderheit in der ÖVP? Auch die SPÖ hat erkannt, dass mehrere Optionen von Vorteil sind.
Bartenstein: Das gilt auch für mich. Es war richtig, mit allen Parteien Verhandlungen zu führen. Aber wir haben für vier Jahre eine Partnerschaft mit der FPÖ – so lange braucht es daher keine Diskussionen.
profil: In letzter Zeit wurde es still um Ihren Plan, die Notstandshilfe mit den Sozialhilfen der Länder zusammenzulegen. Verschwindet das Konzept gerade in diversen Schubladen?
Bartenstein: Die Sozialhilfe neu ist ein großes Projekt mit vielen Mitspielern. Gegen die Idee habe ich wenig Widerstände gehört, auch nicht von den Ländern. Zur Umsetzung in dieser Legislaturperiode zu kommen wäre ein ambitioniertes Ziel.
profil: Im Juni berichtete profil, dass Sie bei einem Schuhkauf Rabatt verlangten. Sie haben sich dazu nie geäußert. Verstehen Sie, warum viele Menschen Sie deshalb kritisiert haben?
Bartenstein: Es ist von den Medien eine üble Kampagne entwickelt worden. Da wurden Dinge frei erfunden – gar nicht von profil –, dass ich gegenüber einer Verkäuferin laut geworden wäre, den Minister hervorgekehrt hätte. Alles unwahr. Tatsache ist, dass ich im Hause Humanic aufgrund langjähriger freundschaftlicher Beziehungen zur Eigentümerfamilie einen Rabatt bekomme. Nicht mehr und nicht weniger.
profil: Aber haben Sie verstanden, dass es gewöhnliche Menschen aufregt, wenn ein Minister so etwas für sich in Anspruch nimmt?
Bartenstein: Ich bin sicher: Hätten sich profil und eine bestimmte kleinformatige Tageszeitung an die Fakten gehalten, hätte es die Menschen nicht aufgeregt.
profil: Die Gesundheitsministerin will vermehrt Generika anbieten, um die Arzneipreise zu senken. Das Unternehmen Ihrer Frau wird damit zu einem Profiteur einer Maßnahme jener Regierung, der Sie angehören. Was sagen Sie dazu?
Bartenstein: Ich habe mich vor fast zehn Jahren von meinem Pharmaunternehmen getrennt und äußere mich seither nicht mehr dazu. Dabei bleibt es: No comment.