Interview

Interview: "Positionen durchspielen"

"Positionen durchspielen"

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profil: Ihre Arbeit scheint vom Spiel mit geometrischen Formen geprägt. Warum sehen Sie sich dennoch nicht als abstrakter Künstler?
Rockenschaub: Zumindest nicht in erster Linie. Mich hat es nie interessiert, das Abstrakte gegen das Gegenständliche auszuspielen. Ich mag es, das eine mit dem anderen zu mischen. Ich ziehe ja auch die geometrische Abstraktion nicht eins zu eins durch. Die Abstraktion bietet natürlich fantastische Möglichkeiten, aber es geht mir darum, so viele Positionen wie möglich durchzuspielen. Das Gegenüberstellen und Verbinden der scheinbaren Pole ist für mich das eigentlich Spannende.
profil: Im gegenwärtigen Kunstbetrieb ist die abstrakte Kunst eher abwesend. Warum dominieren stattdessen narrativ arbeitende Videokünstler, politische und dokumentarische Kunst.
Rockenschaub: War das nicht immer so? Das Gegenständliche bietet die Möglichkeit, viel leichter konsumiert zu werden. Und was sich leichter erschlie ßt, wird schneller angenommen und besser verkauft. Ob man sich als Künstler danach richten will, ist eine andere Frage. Ich glaube, je reflexiver Kunst funktioniert, desto weniger publikumswirksam ist sie. Man sieht das auch im Kino: Wenn man die so genannten Blockbuster Hollywoods analysiert, wird man begreifen, dass weniger Reflexivität zu mehr Erfolg führt.
profil: Simplizität gewinnt?
Rockenschaub: Simplizität gewinnt, das lässt sich überall beobachten: Nehmen Sie etwa politische Programme.
profil: Wenn man das Gebot der Simplizität tatsächlich ernst nimmt und radikale Reduktion betreibt, wird die Kunst sperrig.
Rockenschaub: Ja, das betrifft auch meine Arbeit: Ich reduziere die Dinge und Ideen so weit, dass das Ergebnis spröde wird. Diese Art von Kunst verschließt sich dann in gewisser Weise auch wieder, weil sie letztlich zu sehr auf sich selbst verweist, zu wenig narrativ ist.
profil: Die Sprödheit ergibt sich auch durch den Mangel an äußeren Bezugspunkten: Abstrakte Kunst befasst sich nicht mit sozialen Aktualitäten, sondern allein mit dem eigenen Material, mit Farben, Formen, Kompositionen.
Rockenschaub: Oder eben mit den Erfahrungen, die man als Besucher aus der gebotenen Kunst gewinnen kann.
profil: Ist das nicht ein altes Thema in der Kunstgeschichte? Wollte nicht Mondrian ganz Ähnliches, als er die Welt auf klare Linien und Primärfarben reduziert hat?
Rockenschaub: Natürlich, ich lebe ja als Künstler auch mit der Geschichte der Kunst, schreibe Traditionen weiter. Es wäre dumm, das leugnen zu wollen. Ich beziehe mich auf Konstruktivismus und Pop Art, definiere mich aber zugleich selbstverständlich im Heute.
profil: Was lassen Sie in Ihrer Arbeit als Einfluss zu?
Rockenschaub: Neben der Pop Art, neben Warhol und Velvet Underground, die mich sehr geprägt haben, ist es vor allem die Musik, die meine Arbeit, mein Denken weitertreibt. Ich arbeite bisweilen auch als DJ, kaufe unentwegt Platten, House, Techno, was auch immer, Musik jedenfalls, die sich als indirekter Einfluss in fast allem, was ich künstlerisch tue, abzeichnet.
profil: Es fällt auf, dass Sie in Ihren Installationen Musik praktisch nie verwenden.
Rockenschaub: Ich wollte Musik nie illustrativ einsetzen. Es gibt unzählige Berührungspunkte zwischen meinen visuellen Arbeiten und bestimmten musikalischen Quellen, aber diese Punkte sollen eher nur erahnt werden. Würde ich etwa über meine Animationen, die extrem musikalisch angelegt sind, tatsächlich Klänge legen, würde es zu flach werden, zu plakativ, zu gegenständlich auch. Das heißt nicht, dass diese Arbeiten in Clubs nicht funktionieren - im Gegenteil. Aber in den Ausstellungen soll der imaginäre Rhythmus in den Werken zum Tragen kommen. Das ist auch eine Form der Abstraktion: Sie verweist den Betrachter auf sich selbst zurück. Mein Weg ist das Oszillieren zwischen den Polen; ich gebe keine Dogmen vor, keine eindeutig definierten Inhalte. Meine Arbeiten muss man sich im Kopf selbst zusammenstellen.