„Sehnsucht nach Mortier“

Interview: „Sehnsucht nach Mortier“

Gabi Burgstaller über die Salzburger Festspiele

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profil: Die Politik wollte ursprünglich bereits vor der Eröffnung der heurigen Salzburger Festspiele einen Nachfolger für den Intendanten Peter Ruzicka bestellen: Warum hat man es nicht geschafft?
Gabi Burgstaller: Dafür gibt es verschiedene Gründe. Nicht alle Bewerber etwa hatten im Juli zu vertiefenden Gesprächen Zeit, weil sie selber ein Festival leiten oder aus ähnlichen Gründen verhindert waren. Bevor man unter Termindruck eine Kompromissentscheidung trifft, mit der nicht alle glücklich sind oder die sich in der Realisierung als schwierig erweist, ist es besser, sich Zeit zu lassen.
profil: Die politische Pattstellung sorgt ebenfalls für Verzögerungen: Warum können sich ÖVP und SPÖ nicht einigen?
Burgstaller: Es gibt keinen parteipolitischen Hintergrund, auch wenn das viele glauben. Wir haben nur ein Motiv, das uns leitet: die beste Lösung für Salzburg zu finden. Was es allerdings gibt, sind unterschiedliche Vorstellungen inhaltlicher Natur. Wir in Salzburg wünschen uns einen Manager als Intendanten, aufseiten des Staatssekretariats liegt die Betonung auf einem Künstler. Das Problem besteht darin, dass im Festspielkuratorium ursprünglich Einstimmigkeit darüber herrschte, dass wir einen Manager suchen. Wir waren erstaunt, dass diese Richtlinie im Nachhinein verändert wurde.
profil: Staatssekretär Franz Morak favorisiert den Dirigenten Franz Welser-Möst.
Burgstaller: Wir sind uns einig, dass Welser-Möst in den nächsten Jahren große Oper bei den Festspielen dirigieren soll. Dass er das hervorragend kann, hat er vor wenigen Wochen in Zürich wieder bewiesen. Es gibt in Salzburg freilich die Erfahrung und die Sorge, dass jemand, der parallel so vielen anderen Aktivitäten wie Welser-Möst nachgeht, sich zu wenig den Festspielen widmen könnte.
profil: Bürgermeister Heinz Schaden hat Intendant Peter Ruzicka wegen mangelnder Präsenz öffentlich scharf kritisiert.
Burgstaller: So ist es. Es wäre absurd, wenn man jetzt sagt, es macht nichts aus, wenn jemand ein so hervorragendes Orchester wie das Cleveland Orchestra leitet. Auch dirigiert Welser-Möst ab 2007 Richard Wagners „Ring“ an der Wiener Staatsoper. Das sind sachliche Gründe, bei denen es nicht um die Person geht. Salzburg muss im Mittelpunkt der Tätigkeit des künftigen Intendanten stehen.
profil: Es wird gemutmaßt, dass auf Bundesebene nicht Franz Morak, sondern Bundeskanzler Wolfgang Schüssel die Entscheidung mit Ihnen abstimmen will.
Burgstaller: Wir werden uns mit allen abstimmen. Alle stehen unter dem Druck, dass die Festivalkonkurrenz immer größer wird. Das ist nicht zu vernachlässigen. Wenn Salzburg einzigartig bleiben will, und das ist der Wunsch aller, brauchen
wir für die Intendanz eine sehr gute Lösung.
profil: Auf die Ausschreibung der Intendanz hin haben sich zwölf Kandidaten beworben. Ist die Liste verbindlich?
Burgstaller: Meiner Ansicht nach nicht, ich habe mir dafür auch ein juristisches Gutachten erstellen lassen. Aus meiner Sicht ist eine öffentliche Ausschreibung nicht notwendig. Es können sich noch immer Leute melden, was übrigens auch geschieht.
profil: Sie verhandeln auch mit Kandidaten, die sich nicht schriftlich beworben haben?
Burgstaller: Natürlich, die Liste ist interessant und lang. Auch gibt es viele Gesprächspartner, die sich nicht für die Intendanz, sondern gezielt als Schauspielchef oder Konzertchef bewerben. Denn es gibt nur selten jemanden, der alle künstlerischen Genres gleichermaßen abdeckt. Andere Kandidaten wiederum haben sich besonders eingehend darüber Gedanken gemacht, wie sie sowohl den Auftrag der Festspielgründer erfüllen als auch eine Demokratisierung des Festivals vorantreiben können. Die Gespräche sind spannend.
profil: Was erwarten Sie von den Festspielen unter einer neuen Intendanz?
Burgstaller: Es sollte ästhetische Grundpositionen geben, die das Programm tragen. Das bedeutet nicht, dass man rückwärts gewandt agieren sollte. Salzburg braucht Offenheit für Neues ebenso wie das breite Angebot von Konzert, Oper und Schauspiel. Das soll fortgesetzt werden, auch soll man darüber nachdenken, welche anderen Kunstformen mit einbezogen werden könnten.
profil: Wie konkret sind Ihre Vorgaben an die Kandidaten?
Burgstaller: Politik sollte sich nicht in die Programmgestaltung einmischen, aber was die Politik verlangen muss, ist eine Vision, wie sich die Festspiele in den nächsten Jahren entwickeln sollen. Es wäre gut, wenn es in Hinkunft jedes Jahr einen erkennbaren Themenschwerpunkt geben würde. Themen, die von aktueller Relevanz sind.
profil: Soll ein einziger Intendant die Festspiele leiten, oder wünschen Sie sich ein Team an der Spitze?
Burgstaller: Es gibt das Festspielgesetz aus den fünfziger Jahren, das von einem „Kunstrat“ spricht, denn einer allein ist wohl überfordert. In der Vergangenheit wurden ja auch immer Schauspieldirektoren ernannt. Mir würde es gefallen, wenn der künftige Intendant sich aus allen vertretenen Kunstbereichen die besten Kräfte sucht, mit denen er seine Vision abstimmt und entwickelt.
profil: Ein Tandem aus Regisseur Jürgen Flimm und Konzertmanager Christoph Lieben-Seutter ist vorstellbar?
Burgstaller: Es geht nicht um Posten oder Titel, vielmehr darum, dass ein Intendant seine Festspiele nicht allein im Kämmerlein entwickelt, sondern sich Konsulenten sucht.
profil: Bis wann wollen Sie einen Intendanten gefunden haben?
Burgstaller: Es wäre gut, wenn wir mit Abschluss des heurigen Festivals wissen, wie es weitergeht. Alle Experten versichern mir, dass man für Opernproduktionen rechtzeitig bei den Künstlern anfragen muss. Aber der Zeitpunkt ist natürlich auch von den Gesprächen abhängig – und von der Einigung der Kuratoren.
profil: Haben Sie schon einen Favoritenkreis für die Nachfolge?
Burgstaller: Natürlich, eine kleine Hand voll von Leuten. Doch die heurigen Festspiele laufen sehr gut, und wir sollten uns mit Debatten um Ruzickas Nachfolge zurückhalten. Er hat noch nicht einmal die Hälfte seiner Intendanz hinter sich, und ich möchte ihm nicht das Gefühl geben, dass wir nur mehr über seine Nachfolge reden.
profil: Die Liste der Bewerber wurde an die Medien weitergespielt. Hat das Ihre Suche erschwert?
Burgstaller: Es hat zur Folge gehabt, was immer meine Sorge war, als ich hörte, dass es eine öffentliche Ausschreibung geben soll: dass manche Kandidaten ihre Bewerbung zurückgezogen haben. Üblicherweise bewirbt man sich für so einen Job nicht über die Zeitung, vor allem, wenn man ein gutes Engagement an einem anderen Haus hat. Das Unangenehmste für Kandidaten ist, dass die Bewerbung öffentlich und dann trotzdem nichts daraus wird. Die Veröffentlichung hat unglaublich geschadet.
profil: Sollen Kulturposten weiterhin ausgeschrieben werden?
Burgstaller: Aus meiner Sicht ist diese Form der öffentlichen Ausschreibung nicht geeignet.
profil: Kunststaatssekretär Franz Morak schloss einen Wechsel von Burgtheaterdirektor Klaus Bachler an die Salzach kategorisch aus. Sie führten dennoch Gespräche mit ihm. Gilt das Veto nicht mehr?
Burgstaller: Es gibt im engsten Sinne kein Veto, sondern den Wunsch, die beste Lösung zu finden. Niemand sollte seinen Verhandlungsspielraum vorher mit irgendwelchen Positionen blockieren.
profil: Würden Sie Risikoproduktionen wie Christoph Schlingensiefs Bayreuther „Parsifal“ auch gern in Salzburg sehen?
Burgstaller: Ich habe nichts gegen Experimente. Es gehört zur Grundidee der Festspiele, nicht nur das Erbe Mozarts und jenes von Richard Strauss zu pflegen.
profil: Ihre Entscheidung, den Filmemacher Istvan Szabo als Festspielredner zu engagieren, wurde kritisiert: Filmschaffende seien als Eröffnungsredner ungeeignet, weil Kino in Salzburg keine Rolle spielt.
Burgstaller: Es gab eine äußerst positive Resonanz auf diese Rede. Warum sollte in Salzburg nur reden dürfen, wer mit den Festspielen unmittelbar zu tun hat? Auch Kardinal König oder der Präsident des Roten Kreuzes haben hier schon gesprochen. Die Kritik an Szabo erscheint mir grotesk.
profil: Bewerten Sie es als Affront, dass das Museum am Mönchsberg eröffnet wurde, während Sie Ihren Festspielempfang in der Residenz gaben?
Burgstaller: Es wird behauptet, Direktorin Agnes Husslein habe das absichtlich gemacht. Ich bin mir da nicht so sicher, weil Husslein dafür bekannt ist, dass sie sich nicht abstimmt, sondern tut, was sie will. Das ist nicht immer sehr geschickt.
profil: Wie gefällt Ihnen das Museum am Berg?
Burgstaller: Es läuft bei mir unter dem Motto: „Let’s make the best out of it.“ Es steht dort. Wir sollten keine Debatten mehr führen, welche anderen Projekte oder Ersatzprojekte es gegeben hätte, denn das, was möglich war, ist nun fertig gestellt – und es soll ein gutes Museum werden.
profil: Das Museum im Berg, das ursprüngliche Projekt von Hans Hollein, ist für Sie endgültig abgehakt?
Burgstaller: Ja, außer das Land kommt zu ungeahntem Reichtum oder es findet sich ein Sponsor, der das Museum bezahlt. In Zeiten wie diesen ist es unzumutbar, noch ein Museum zu errichten.
profil: Das Museum am Berg enttäuscht Sie architektonisch?
Burgstaller: Es ist eine andere Form eines Museums. Es ist eine Schachtel, im besten Sinn: Es geht darum, was man drinnen zeigen kann. Der Blick von innen nach draußen ist wunderbar. Es gefällt mir, und ich bin positiv überrascht.
profil: Der Ex-Intendant der Festspiele, Gérard Mortier, hat sich immer wieder dezidiert politisch eingemischt. Ist das erwünscht, legitim?
Burgstaller: Künstler dürfen keinen Maulkorb erhalten und sollen gesellschaftspolitisch mitmischen. Wir haben in Salzburg tatsächlich eine Sehnsucht nach Mortiers besten Seiten. Ich meine nicht, dass er Salzburg verbal in der Luft zerriss, sondern dass er Salzburg international ständig ins Gespräch gebracht hat. Das ist wichtig.