Irisch Moos

Irisch Moos: Ermittlungen gegen Wirtschaftsprüfer KPMG

Niederösterreich. Millionenverluste durch Spekulationen mit Wohnbaugeldern - Ermittlungen gegen Wirtschaftsprüfer KPMG

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Der Dezember des Vorjahres hatte es in sich. Im SP-regierten Salzburg kämpft sich Finanzlandesrat David Brenner durch Berge von toxischen Papieren; im SP-regierten Linz liefern einander Stadt und Bawag einen juristischen Schlagabtausch wegen schiefgelaufener Zinsspekulationen. Nur im VP-regierten Niederösterreich feiert die öffentliche Hand ihren Midas-Touch. Also dozierte Landeshauptmann Erwin Pröll in einem „Kurier“-Interview folgendermaßen: „Ich kann nur allen wünschen, dass ihnen in Zukunft so ein Geschäft gelingt. Wir haben den Weg gewählt, Gelder für das Land arbeiten zu lassen.“

Dummerweise hat das Geld gegen das Land gearbeitet.

Seit gut fünf Jahren kleben die missglückten Veranlagungen von Landesgeldern wie Pech an der niederösterreichischen Führungsspitze. Die Causa ist mittlerweile bei der Korruptionsstaatsanwaltschaft in Wien anhängig, es geht um Untreue, Bilanzfälschung und Verletzung der Sorgfaltspflicht.

Kein Anlass für Jubelmeldungen
Wie ausführlich berichtet, hat das Land ab 2002 rund 4,4 Milliarden Euro Wohnbaugelder am Kapitalmarkt angelegt. Wie diese Geschäfte genau gelaufen sind, weiß bis heute keiner so genau. Der zuständige Landesrat Wolfgang Sobotka sagt nur so viel: bestens. Oder in anderen Worten: „Die politische Verantwortung des Finanzlandesrats liegt darin, einen leistungsfähigen Haushalt zu gestionieren und damit die sehr positive Entwicklung des Landes Niederösterreich, die durchschnittlich über dem österreichweiten Wachstum liegt, sicherzustellen. Mit der Veranlagung konnte bisher ein Gewinn von 824 Millionen Euro erzielt werden“, lässt Sobotka über einen Sprecher ausrichten.

profil-Recherchen geben indes keinen Anlass für Jubelmeldungen: Mithilfe von New Yorker Treuhändern, Offshore-Gesellschaften und Bilanztricks wurden toxische Papiere in Absprache zwischen der landeseigenen Veranlagungsgesellschaft Fibeg (Finanzierungs- und Beteiligungs GmbH) und der ebenfalls landeseigenen Hypothekenbank verschoben. Und das alles zu einem Zeitpunkt, der nur eine Vermutung nahelegt: Die versenkten Landesmillionen sollten im Vorfeld der Landtagswahlen 2008 nicht publik werden. Nun platzen die ersten Erkenntnisse aus den juristischen Aufräumarbeiten in den aktuell angelaufenen Landtagswahlkampf. Das nüchterne Zwischenergebnis: Das Land hat trotz klandestiner Bemühungen die Verluste nicht nur nicht kompensiert, sondern sogar vervielfacht.

Alles begann vor mehr als zehn Jahren. Zwischen 2002 und 2007 füllte das Land Niederösterreich durch den Verkauf von Forderungen aus Wohnbaudarlehen und Beteiligungen vier Fonds mit einer Gesamtsumme von schlussendlich 4,4 Milliarden Euro. Das Geld wurde auf dem Kapitalmarkt veranlagt, mit dem Ziel: wundersame Geldvermehrung. Zuständig dafür war die landeseigene Fibeg, welche sich wiederum weiterer Gesellschaften bediente wie der im Einflussbereich der Landesbank stehenden Hypo Capital Management sowie einer Handvoll Investmentbanken. Die Strukturen wucherten rasch: Die vier Landesfonds gründeten ab 2005 weitere Fonds, die von der Kapitalanlagegesellschaft DWS Austria, einer mittler­weile liquidierten Tochter der Deutschen Bank, verwaltet wurden. Als Fondsmanager musste die DWS regelmäßig Rechenschaftsberichte ablegen. Ein Formalakt. Damit soll gewährleistet werden, dass Anlegern – in diesem Fall das Land Niederösterreich und somit der niederösterreichische Steuerzahler – ständig eine möglichst wirklichkeitsgetreue Darstellung über den Wert des Portfolios vorliegt. Diese Berichte werden dann von einem unabhängigen Wirtschaftsprüfer, in diesem Fall der KPMG Austria, geprüft und bestätigt.

Nun blieb auch Niederösterreich von der Finanzkrise nicht verschont. Die in den Gesellschaften angehäuften Papiere verloren ab 2007 massiv an Wert.
In den Büchern spiegelte sich das freilich nicht wider.

Wert der Papiere nie evaluiert
Zwar war in den Rechenschaftsberichten 2008 und 2009 bereits von „illiquiden Papieren“ die Rede. Der Markt war damals überschwemmt mit unverkäuflichen Finanzprodukten. Wie bemisst man also den Wert einer Ware, die niemand kaufen will? Im konkreten Fall wurde laut DWS-Aus­tria-Rechenschaftsbericht „auf die Kurse zuverlässiger Datenprovider oder alternativ auf Marktpreise gleichartiger Wertpapiere oder andere anerkannte Bewertungsmethoden zurückgegriffen“. Eine Vorgangsweise, die auch bei der KPMG Anklang fand. „Im gegenständlichen Fall bestätigte der Bankprüfer ausdrücklich die angebliche Bewertung der Wertpapiere auf Basis von Modellen“, heißt es in Ermittlungsunterlagen.
Klingt alles sehr plausibel, ist so aber nie passiert.

Tatsächlich wurde der aktuelle Wert dieser Papiere nie evaluiert, wie die Prüfer der Finanzmarktaufsicht (FMA) festhalten: „Die im Rechenschaftsbericht behauptete und vom Bankprüfer bestätigte Bewertung anhand eines Modells kann … nicht zur Anwendung gekommen sein, weil weder die Kapitalanlagegesellschaft noch die Depotbank Informationen zur Modellbewertung bei entsprechenden Datenprovidern eingeholt haben.“

Im Gegenteil. Egal, wie dramatisch der Wertverlust auch ausgefallen war, in den Büchern der Fondsgesellschaften stand stets nur der – längst nicht mehr gültige – Anschaffungspreis. Ganz so, als wäre Lehman nicht krachen gegangen und die Welt nicht in die schlimmste Finanzkrise seit den dreißiger Jahren geschlittert.

Von einer bilanziellen Unschärfe kann hier durchaus keine Rede sein. Viel eher handelt es sich um Verschleierung der tatsächlichen Vermögensverhältnisse. Und all das unter den Augen der KPMG? Diese zählt immerhin zu jener Handvoll Großkanzleien, welche in Österreich Großbanken und Versicherungen prüfen dürfen. Keine Anfänger also. „Wir haben als Prüfer der DWS die Rechenschaftsberichte testiert. Im Zusammenhang mit dem Abschluss 2009 sind wir in die behördlichen Untersuchungen einbezogen“, sagt eine KPMG-Sprecherin auf Anfrage. Soll heißen: Die Staatsanwaltschaft ermittelt gegen KPMG wegen des Verdachts auf Bilanzfälschung.

Nur: Warum das Versteckspiel? Immerhin hatten damals gewieftere Finanzprofis Verluste zu gewärtigen, weshalb nicht auch die biederen Niederösterreicher?

Tatsache ist, dass sich die Verluste bereits im Herbst 2007 abgezeichnet hatten. Damals stand Niederösterreich wenige Monate vor Landtagswahlen, die im März 2008 über die Bühne gehen sollten. Wäre dies publik geworden, wären nicht nur die Papiere unter Wasser gestanden, sondern auch die Umfragewerte der ÖVP.

Also: Dezember 2007. In einem der von der DWS verwalteten Fonds hatten sich kapitale Buchwertverluste angehäuft. Der Markt für alternative Investments brach ein, viele Wertpapiere konnten nur mit hohen Abschlägen – mitunter bis zu 80 Prozent – abgestoßen werden. Den Niederösterreich-Fonds drohten Verluste von bis zu 30 Millionen Euro. Statt aber das Abenteuer Kapitalmarkt mit einem blauen Auge zu beenden, stieg die Fibeg unter tatkräftiger Unterstützung der landeseigenen Hypo Investment Bank AG erneut in den Ring.

Diesmal in einer höheren Gewichtsklasse. Im irischen Dublin wurde eine Gesellschaft gegründet und mit dem kaiserlichen Namen „Augustus“ versehen. Augustus übernahm die hochspekulativen Assets der Niederösterreich-Fonds. Die bestechende Idee dahinter: Laut irischem Recht können solche Papiere zum Anschaffungspreis bilanziert werden. Damit treten bis zum endgültigen Verkauf auf dem Papier keine Verluste ein. So weit die Theorie, in der Praxis kam es anders, wie sich später zeigen sollte.

Verletzung der Großveranlagungsgrenze
Die Risikostruktur des Fonds muss man sich wie ein Haus vorstellen: Im oberen Stock und im Mezzanin steckten Kredite der Hypo an Augustus – in Summe 799 Millionen Euro. Diese Senior Loans sollten bei Gewinnen einen kleinen, aber sicheren Zinssatz einbringen. Im Keller steckten Papiere im Gegenwert von 102 Millionen Euro, welche der Fibeg zuzurechnen waren – im Fachjargon Income Notes genannt. Wirft Augustus Gewinne ab, füllt sich der Keller überproportional – die Fibeg wollte ja schließlich hohe Verluste wettmachen. Nur: Werden umgekehrt Verluste eingefahren, müssen diese zuerst von den Inhabern der Income ­Notes getragen werden. Mit anderen Worten: Bei Hochwasser wird zuerst der Keller überflutet. 2009 stolperte die Oesterreichische Nationalbank (OeNB) im Zuge einer Vor-Ort-Prüfung bei der Hypo Niederösterreich über deren Augustus-Engagement und stellte eine Verletzung der Großveranlagungsgrenze fest. Eine Bank darf nämlich nicht mehr als 25 Prozent ihrer Eigenmittel in ein Geschäft stecken. Auf diese Weise soll verhindert werden, dass Kreditinstitute Gewinne um den Preis überproportional hoher Risiken anstreben. Die Finanzmarktaufsicht verlangte konsequenterweise einen Abbau des Engagements auf unter 100 Millionen Euro.

Und: Die FMA stellte fest, dass die Bücher nicht nach irischem Recht geführt werden dürfen. Damit hätten die Hypo und die Niederösterreich-Fonds aber erstmals die Verluste offenlegen müssen. Undenkbar.

Wieder entschied sich Niederösterreich, das Dilemma zu verschleiern. Augustus sollte abgebaut werden. Wie profil recherchierte, kam es dabei zu Transaktionen zwischen den Vertragspartnern, die das Land Niederösterreich und die Landesbank in Summe 120 Millionen kosten sollten.

In aller Kürze:

Die Positionen, die das höchste Risiko in Augustus trugen, also die Income Notes der Fibeg, wurden sofort aufgelöst – womit ein Verlust von 41 Millionen auflief. Warum die Fibeg dieser für sie ungünstigen Regelung zustimmte – immerhin gingen damit 40 Prozent des eingesetzten Kapitals flöten –, ist nicht nachvollziehbar. Fibeg-Geschäftsführer Johannes Kern will zu den in der Vergangenheit angehäuften Verlusten keine Stellungnahme abgeben. „Als Geschäftsführer trage ich Verantwortung für die Periode ab meiner Bestellung mit 1. Dezember 2010. Der ­realisierte Ertrag bei der Auflösung war höher als die Bewertung zum Bilanzstichtag am 31. Oktober 2010“, so Kern.

Gleichzeitig leistete die Hypo Landesbank eine „Kompensationszahlung“ von 10,5 Millionen Euro an die Fibeg – bar jeder Grundlage. Ein Hypo-Sprecher dazu: „Seitens der Bank wurden mehrere ­Restrukturierungsmöglichkeiten geprüft. Durch die letztlich gewählte und vom Aufsichtsrat beschlossene Variante wurde ein Restrukturierungsbeitrag in Höhe von 10,5 Millionen Euro in Form eines Forderungsverzichts vereinbart. Es wurde auch durch Expertenmeinungen bestätigt, dass die gewählte Variante die wirtschaftlich mit Abstand günstigste ist.“

Damit nicht genug: Das Loch-auf-Loch-zu-Spiel zwischen den beiden landeseigenen Unternehmen ging munter weiter:
Die Hypo musste auf Geheiß der FMA ihr 800-Millionen-Engagement an Senior Loans unter 100 Millionen drücken. Also sprang die mittlerweile ohnehin schon schwer angeschlagene Fibeg ein und kaufte ihr um 106 Millionen Euro Augustus-Papiere ab. Kein gutes Geschäft, weil:
Allein aus dieser Position erwuchsen der Fibeg, als Augustus im Februar 2011 geschlossen wurde, noch einmal Verluste in der Höhe von fast 29 Millionen Euro. Mindestens. Denn diese Papiere wurden an einen Schwesterfonds verkauft, blieben also im Portfolio der Fibeg. Wie sie heute bilanzieren, ist nicht bekannt.

Zusammengefasst heißt dies: Die Fibeg hat das Abenteuer, welches einen drohenden Verlust von 30 Millionen abwenden sollte, zumindest 60 Millionen Euro gekostet. Weiter gerechnet: Die Hypo musste – wegen der Überschreitung der Großveranlagungsgrenze – eine Strafzahlung von 58 Millionen Euro blechen – und das alles nur aus dem Titel Augustus. Macht in Summe 120 Millionen Schaden.
Ein teures Versteckspiel.