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Ist Haider wirklich auferstanden?

Ist Haider wirklich auferstanden?

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Ich gehör auch zu denen, die die erste schwarz-blaue Koalition Wolfgang Schüssels damit verteidigt haben, dass sie die FPÖ und Jörg Haider entzaubert hat. Dieses Argument, schrieb Christian Rainer in seinem Leitartikel zum vergangenen Wahlsonntag, hat ausgedient.

Durchaus möglich, dass er Recht hat, während ich ein Opfer meines Wunschdenkens geworden wäre. Ich plädiere nur dafür, mit dem endgültigen Urteil noch etwas zu warten: Haider hat eine Wahl, die Wahl in seinem Kärntner Heimatgau, für die FPÖ gewonnen – bei allen anderen Landtagswahlen, inklusive der letzten in Salzburg, ist die Partei, für deren geheimen Führer die Wähler ihn nach wie vor halten, jämmerlich abgestürzt.

Ob dieser eine Sonntag schon reicht, ihn für „unbesiegbar“ (profil) zu halten, erscheint mir daher zumindest noch fraglich.
Natürlich ist es beeindruckend – oder erschütternd –, dass Haider dieses für ihn beste Kärntner Wahlergebnis trotz seiner permanenten verbalen Entgleisungen, trotz seiner Saddam- und Gaddafi-Eskapaden und vor allem trotz mäßigster Kärntner Wirtschaftsdaten erzielen konnte, aber Kärnten – ich kenne es gut, denn ich bin dort aufgewachsen – ist nun einmal ein ganz besonderer Boden: Wo selbst sozialistische Landeshauptleute damit punkten konnten, Hitler-Jungen gewesen zu sein, ist der Maßstab, der an Politiker angelegt wird, ein mehr als spezieller.
Noch weigere ich mich zu glauben, dass er demnächst auch außerhalb Kärntens wieder die Norm ist.

Zulässig scheint mir vorerst nur der Schluss: Haider ist in Kärnten „unbesiegbar“ – zumindest wenn ein unendlich farbloser Apparatschik wie Peter Ambrozy sein Gegenspieler ist und wenn man das Wahlergebnis entgegen seinem demokratischen Sinn interpretiert. Denn wenn man den zugrunde legt, dann wurde Jörg Haider am vergangenen Sonntag nicht bestätigt, sondern abgewählt.

Die Wähler, die SPÖ gewählt haben, wollen keinen Landeshauptmann Jörg Haider mehr – ihre Partei hat sie ausnahmsweise nicht im Unklaren darüber gelassen, dass sein Sturz ihr Wahlziel ist. Die Wähler, die den Grünen ihre Stimme gegeben haben, wollen grundsätzlich keinen Jörg Haider. Und für die Wähler der ÖVP hat die viel geschmähte Frau Scheucher, wie das in einer entwickelten Demokratie die einzig korrekte Vorgangsweise darstellt, vor den Wahlen klargestellt, dass ihre Partei Jörg Haider nicht zum Landeshauptmann machen wird. Jene elf Prozent Wähler, die am Sonntag ÖVP gewählt haben, wollten Jörg Haider also auch nicht.

Sofern ich noch zusammenzuzählen vermag, hat die Wahl daher in Prozenten und Mandaten eine klare Mehrheit gegen die Bestellung Jörg Haiders zum Landeshauptmann erbracht.
Stünde an der Spitze der Kärntner SP ein Politiker von Mut und Format, er hätte das Wahlergebnis im TV-Interview genau so interpretiert und Koalitionsverhandlungen mit Schwarzen und Grünen begonnen, aus denen er vermutlich selbst als Landeshauptmann hervorgegangen wäre. (Allerdings hätte ein solcher Politiker den roten Vorsprung vor der FPÖ gar nicht erst eingebüßt, aber das ist ein anderes Kapitel.)

Nur in einem demokratiepolitisch unterentwickelten Land wie Österreich konnte Jörg Haider mit diesem Wahlergebnis „selbstverständlich“ Anspruch auf die Position des Landeshauptmannes erheben und wird ihm dieser Anspruch von keinem Medium bestritten, während Frau Scheucher für ihre ebenso anständige wie politisch korrekte Festlegung mit Hohn überschüttet wird.

Vor allem ÖVP-Sympathisanten und Funktionäre, die um Wolfgang Schüssels Zukunft zittern, aber auch erstaunlich viele eingefleischte Haider-Gegner meinen, dass es gar nicht so schlecht ist, dass er neuerlich Landeshauptmann wird: Das würde ihn wenigstens hindern, sich wieder ganz der Bundespolitik zu widmen und dort weit größeres Unheil anzurichten.
Ich halte das für Wunschdenken.

Aus der gesicherten Position eines Landeshauptmannes wird sich Haider noch viel intensiver, mit größerem Gewicht und erneuertem Selbstbewusstsein, in die Bundespolitik einmischen. Aus der gesicherten Position eines Landeshauptmannes wird er auch dann die lautstärkste und wirkungsvollste Opposition darstellen, wenn er erwartungsgemäß wieder zum Obmann seiner Regierungspartei gekürt wird, obwohl er sie in Knittelfeld erfolgreich halbiert hat. (Für die FPÖ-Funktionäre gilt etwas Ähnliches wie für die Kärntner: Haider kann sich gar nicht so abenteuerlich verhalten, dass sie ihn nicht wiederwählten, und ihr Gedächtnis reicht nicht weiter zurück, als die Kuh scheißt.)

Dass die Regierung angesichts dieser wieder erstarkten Haider’schen Privat-Opposition ins Trudeln kommt, halte ich, wie fast alle Kommentare, nicht nur für möglich, sondern für wahrscheinlich – und politisch für mehr als gerecht: Wolfgang Schüssel hat historisch versagt, als er die FPÖ zum zweiten Mal zum Partner genommen hat – jetzt wird ihm dafür die Rechnung präsentiert. „Wer den Drachen umarmt“, da bin ich mit Rainer einig, verdient, von ihm getötet zu werden.

Dass Jörg Haider hingegen abermals zum Feuer speienden Drachen der österreichischen Innenpolitik werden könnte, dass er Rote und Schwarze abermals vor sich hertreiben und Anspruch auf die Kanzlerschaft erheben könnte – das glaube ich trotz des vergangenen Wahlsonntags nicht.