Kontrolle ist besser: Die FMA wird geprüft

IWF: Kontrolle ist besser

Der IWF schickt nun eigene Prüfer nach Wien

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Vorträge, Podiumsdiskussionen, Workshops, Händeschütteln, Netzwerken, Champagnisieren – wer im internationalen Finanzbusiness auf sich hält, kommt an der Jahrestagung des Internationalen Währungsfonds (IWF) und der Weltbank nicht vorbei. Ende vergangener Woche war es wieder so weit. In Washington, D. C., machten Minister, Notenbank-Gouverneure, Banker und Journalisten aus annähernd 200 Staaten einander drei Tage lang die Aufwartung. Mitten drin: ein Tross um Österreichs ÖVP-Vizekanzler und Finanzminister Wilhelm Molterer.

Es war Molterers erste IWF-Teilnahme als Finanzminister – und er nutzte die Gelegenheit für wohldosierte Eigen-PR. Noch vor Reiseantritt ließ er über sein Kabinett verkünden, er habe kurzfristig Meetings mit prominenten Herren arrangieren können: Robert M. Kimmitt, stellvertretender US-Finanzminister, Edward Lazear, Wirtschaftsberater von George W. Bush, Alan Greenspan, langjähriger Chef der US-Notenbank Federal Reserve System (Fed), sowie Donald Kohn, amtierender Fed-Vize.

So viel zum offiziellen Teil. Tatsächlich trieb Molterer mehr als nur gehobene Diplomatie nach Washington. Er soll die Reise auch dazu genutzt haben, bei ausgewählten IWF-Funktionären zu antichambrieren. Denn Österreich steht unmittelbar vor einer hochnotpeinlichen Untersuchung durch den Internationalen Währungsfonds. Vom 27. November bis 11. Dezember verfügt sich eine IWF-Delegation in Begleitung von Vertretern der Finanzaufsichtsbehörden Großbritanniens und Belgiens nach Wien. Zweck der Mission: die Prüfung des Finanzplatzes im Allgemeinen und der Rolle der Finanzmarktaufsicht (FMA) bei den jüngsten Skandalen im Besonderen. Auf der Agenda: Gespräche mit Spitzenvertretern des Finanzministeriums, der Finanzmarktaufsicht, der Oesterreichischen Nationalbank und heimischer Großbanken. Der Abschlussbericht soll Mitte kommenden Jahres vorliegen (siehe Kasten).

Der letzte Besuch des IWF im Rahmen des so genannten Financial Sector Assessment Program fand im Oktober 2003 statt. Damals hieß der Finanzminister Karl-Heinz Grasser – und dessen kleine Welt war noch in Ordnung. Die Prüfer zogen, von einigen „Verbesserungsvorschlägen“ abgesehen, ohne nennenswerte Beanstandungen wieder ab.

Skandalreigen. Vier Jahre, vier handfeste Skandale, einen parlamentarischen Bankenausschuss und einen Regierungswechsel später ist alles anders. Der Fall Bawag, die Swap-Affäre der Kärntner Hypo Alpe-Adria, der Kollaps des Wiener Fondsanbieters Amis und die Meinl-Turbulenzen haben Erschütterungen ausgelöst, deren Ausläufer auch in der IWF-Zentrale in Washington registriert wurden. „Diese Problemfälle sind natürlich bekannt“, sagt Österreichs Vertreter im IWF-Direktorium, Johann Prader. „Es bezweifelt hier auch niemand, dass es Mängel im Bereich der Aufsicht gegeben hat. Diese vergangenen Entwicklungen werden mit Sicherheit Bestandteil der Diskussionen sein.“

Finanzminister Molterer will dies nicht kommentieren. Über einen Sprecher lässt er ausrichten, dass die Vorbereitungen der IWF-Analyse „auf Hochtouren“ liefen. SPÖ-Finanzstaatssekretär Christoph Matznetter wird da deutlicher: „Einen Jubelbericht des Währungsfonds können wir eingedenk der Vorfälle in jüngerer Vergangenheit sicher nicht erwarten.“

• Im Oktober 2005 platzte der Skandal um den Bawag-Blitzkredit an das US-Brokerhaus Refco, in dessen Gefolge die mittlerweile gerichtsanhängige Karibik-Affäre aufgedeckt wurde.

• Im November 2005 schlitterte der Wiener Fondsanbieter Amis in die Pleite. Die in U-Haft sitzenden Amis-Gründer Harald Loidl und Dietmar Böhmer sollen nach Erkenntnissen der Justiz 15.000 Anleger in Österreich und Deutschland um knapp mehr als 60 Millionen Euro betrogen haben. Der Prozess soll um den Jahreswechsel beginnen.

• Im Frühjahr 2006 flog die Affäre um die Swap-Verluste der Klagenfurter Hypo Alpe-Adria-Bank auf. Das Kreditinstitut hatte im November 2004 bei hochspekulativen Geschäften mit Devisen- und Zinsoptionen 288 Millionen Euro verloren – und dies über Jahre vertuscht. Vorstandschef Wolfgang Kulterer musste zurücktreten, die Bank wurde mehrheitlich verkauft. Die Staatsanwaltschaft ermittelt bis heute.

• Im August dieses Jahres schließlich wurden die verheimlichten Aktienrückkäufe bei der börsennotierten Immobiliengesellschaft Meinl European Land und die aufklärungswürdige Rolle der Meinl Bank öffentlich. Auch hier sind mittlerweile die Behörden am Zug.

In allen vier Fällen spielte die FMA eine äußerst unglückliche Rolle – sie reagierte entweder zu verhalten oder zu spät (profil berichtete ausführlich). Das Versagen der Aufsicht, verschärft durch Abstimmungsprobleme mit der Oesterreichischen Nationalbank, hat die Regierung jüngst zu einer Systemreform gezwungen. Kern des Pakets, das mit 1. Jänner 2008 in Kraft tritt: Die so genannte laufende Bankaufsicht wird von der FMA zur Nationalbank transferiert, die dadurch in Zukunft das gesamte Prüfwesen verantwortet. „Wir machen damit einen großen Schritt in die richtige Richtung“, doziert Finanzstaatssekretär Matznetter. „Die Reform ist der beste Beweis, dass die Bundesregierung schnell auf gebotene Veränderungen reagiert hat.“ OeNB-Direktor Josef Christl sieht das ähnlich: „Es hat in der Vergangenheit zwischen FMA und uns da und dort Spannungen und Überschneidungen gegeben. Das wird in Zukunft nicht mehr der Fall sein.“ Wenngleich auch er einräumen muss, dass die IWF-Prüfer bei ihrer anstehenden Untersuchung mit Reformversprechen allein nicht zufrieden zu stellen sein werden. „Es ist wohl davon auszugehen, dass die Kollegen einige Punkte sehr kritisch hinterfragen werden.“ Matznetter dazu: „Einige Herren im IWF werden sich wohl fragen, ob ihnen seinerzeit nicht das Blaue vom Himmel erzählt wurde.“

Persilschein. Immerhin steht mittlerweile auch die Glaubwürdigkeit des Internationalen Währungsfonds selbst auf dem Spiel. Im Anschluss an ihren letzten Besuch 2003 hatten die IWF-Experten Österreichs damals eben erst geschaffene Finanzmarktaufsicht in den höchsten Tönen gelobt. In dem 2004 veröffentlichten Abschlussbericht hielt der IWF unter anderem fest, dass die FMA als „unabhängige Allfinanzaufsicht“ den internationalen Standards und Trends „voll entspreche“ und die Zusammenarbeit mit der OeNB „gut“ funktioniere.

Das damalige Resümee ist leicht erklärt: Die FMA hatte ihre Tätigkeit erst am 1. April 2002 aufgenommen – und zum Prüfzeitpunkt im Oktober 2003 war schlicht nichts Nennenswertes vorgefallen. Wie unterentwickelt das Problembewusstsein hierzulande war, lässt sich an einem früheren Aufsatz von FMA-Vorstand Kurt Pribil in einem Fachblatt Anfang 2006 nachlesen: „Bei den Prüfungen des IWF wurde dem Finanzplatz Österreich in den letzten Jahren stets ein gutes Zeugnis ausgestellt: Der Bankensektor ist stabil und schockresistent, die Aufsichtskompetenzen und -normen der FMA entsprechen den höchsten internationalen Standards, und die frühe Expansion der heimischen Kreditinstitute in Mittel- und Osteuropa hat wesentlich zur Stärkung der Ertragskraft beigetragen.“

Eine, soweit es die Finanzmarktaufsicht betraf, kühne Behauptung. Amis und Bawag hatten zu diesem Zeitpunkt bereits für heftige Turbulenzen gesorgt, der Skandal um Hypo Alpe-Adria flog kurz danach auf. Pribil, einst im Kabinett von Wolfgang Schüssel, steht zusammen mit seinem Vorstandskollegen Heinrich Traumüller, einst im Kabinett von Karl-Heinz Grasser, seit Monaten in der Kritik: weil das seinerzeit auch vom IWF wohlwollend bewertete Aufsichtssystem bei Bawag, Hypo Alpe-Adria, Amis und zuletzt eben Meinl versagt hat – und nun reformiert werden muss.

„Ich gebe zu bedenken, dass die FMA seinerzeit quasi bei null begonnen hat“, sagt IWF-Direktor Prader. „So gesehen war die Schaffung einer eigenständigen Aufsicht ein Fortschritt.“ Dass dessen ungeachtet Probleme bestünden, sei schwer zu ignorieren. „Alle Reformen bedürfen über die Zeit weiterer Reformen.“

Analyseängste. Die Einschätzungen des Währungsfonds haben weit über die Landesgrenzen hinaus Gewicht. Sie fließen unter anderem auch in die Bonitätsbewertungen international tätiger Ratingagenturen ein. Soll heißen: Fällt ein IWF-Bericht allzu negativ aus, weil beispielsweise die Arbeit einer Finanzaufsicht negativ bewertet wird, kann das auch auf die Ratings einzelner Banken durchschlagen.

Walter Rothensteiner, Generaldirektor der Raiffeisen Zentralbank und Sprecher der Kreditwirtschaft in der Wirtschaftskammer, sieht das naturgemäß differenziert: „Es werden ja nicht nur vier Fälle oder die FMA allein untersucht, sondern der gesamte österreichische Finanzsektor. Aus dem Blickwinkel der internationalen Stabilität ist es relativ egal, was beispielsweise mit dem Kurs von Meinl European Land passiert.“ Man werde den IWF-Prüfern darlegen können, dass in Österreichs Finanzsektor zu 95 Prozent alles in bester Ordnung sei. „Ich sehe da mehr eine Chance als ein Risiko.“

Dass eine Reform der Finanzaufsicht im Lichte der jüngsten Vorkommnisse überfällig war, bestreitet auch Rothensteiner nicht: „Man wird sich allfälligen weiteren Verbesserungsvorschlägen durch den Währungsfonds sicher nicht verschließen. Vor allem für Finanzminister haben die IWF-Untersuchungen etwas Heilsames.“

Von Michael Nikbakhsh