Junge Wilde: profil traf Österreichs Athleten

Junge Wilde: profil traf Österreichs Athleten: Die Szene der Sportkletterer im Porträt

Die Junge Szene der Sportkletterer im Porträt

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Von Martina Lettner

Mitte des vergangenen Jahrhunderts entwickelte sich aus dem Bergklettern allmählich ein richtiger Sport. Vor nunmehr zwei Jahrzehnten fand der erste Kletter-Weltcup statt, 1991 die erste Weltmeisterschaft. Öffentliche Beachtung wurde den Siegern der Nischenveranstaltung damals freilich nicht zuteil. Erst in den vergangenen drei Jahren mauserte sich Sportklettern zur massentauglichen Freizeitbeschäftigung – egal, ob jung oder alt, sportlich oder Couchpotato, klettern kann im Grunde jeder. Höhere Schwierigkeitsgrade, bei denen das ohnehin nur geringe Verletzungsrisiko steigt, erreichen allerdings nur Geübte.

Mittlerweile buttern Ausrüster Millionenbeträge in die Entwicklung von neuen Schuhen, Gurten und Seilen, entstehen allerorts Kletterzentren, in denen auch bei Schlechtwetter unter geregelten Bedingungen die Vertikale bezwungen werden kann, und haben Sponsoren wie Red Bull und Vaude Sportkletterer als Werbeträger entdeckt. Der Sport boomt weltweit. Vier der weltbesten Athleten stammen aus Österreich.

Kilian Fischhuber, 25 „Es ist Abenteuer pur“

Kilian Fischhuber stammt aus Niederösterreich. Wohnhaft ist er mittlerweile in Innsbruck. Doch sein Leben findet eigentlich in der Wand statt. Am liebsten ist er draußen in der Natur, gemeinsam mit den anderen Kletterern der nächsten Generation – leichte Kletterpatscherln ersetzen schweres Schuhwerk, atmungsaktives Gewand dicke Daunenjacken. „Die Sonne, der Fels, die Herausforderung, am Abend das gemütliche Beisammensein vor den Zelten“, schwärmt Fischhuber, „das ist Abenteuer pur, das ist für mich Klettern.“ Dass Sportklettern in der Halle boomt, hat für ihn Vor- und Nachteile: Die vielen jüngst errichteten Kletterzentren böten neue Trainingsmöglichkeiten; die immer zahlreicheren Wettkämpfe brächten Besucher, Sponsoren und somit etwas Geld. Fischhuber wurde unter anderem bereits dreimal Weltcup-Gesamtsieger im Bouldern, dem horizontalen Klettern in geringer Höhe. „Es reicht, um jetzt davon zu leben, aber außer einem Berg und Freunden brauche ich auch nicht viel. Reserven für die Zeit nach dem Spitzensport gehen sich nicht aus“, meint der 25-Jährige. Derzeit ist er beim Bundesheer, später will er Englisch und Sport studieren. Der Nachteil des Kletterbooms liegt für ihn darin, dass Sportklettern von vielen auf Kraxeleien in Indoor-Zentren reduziert wird: „Dabei sind wir keine Hallenkinder. Das wahre Klettern findet immer noch unter freiem Himmel statt.“

Anna Stöhr, 21 „Klettern hat kein Ablaufdatum“

Sie wollte eigentlich nie hoch hinaus. Auch heute, wenn sie klettert, bleibt sie meist in Bodennähe. Im übertragenen Sinn hat Anna Stöhr allerdings längst lichte Höhen erreicht: 2007 wurde sie Weltmeisterin im Bouldern, im vergangenen Jahr gewann sie den Boulder-Weltcup. Abseits der Griffe blieb sie aber gänzlich am Boden, freut sich etwa über einen entspannten Tag mit Freunden, Kinobesuche und Zeit, Krimis zu lesen: „Manchmal genieße ich es, einfach nichts zu tun.“ Viele Faulenzer-Lücken bleiben in ihrem Trainingsplan ohnehin nicht. Bereits seit zwölf Jahren bezwingt Stöhr die kleinen bunten Griffe in der Halle und Routen im Fels. An ihre Ängste von damals kann sie sich gut erinnern. Auch heute noch hat die selbstbewusste und zugleich doch bescheidene Tirolerin Respekt vor schwierigen Passagen. Die Furcht vor Verletzungen aber ist längst passé – die gehörten dazu, seien aber nur selten wirklich schmerzhaft, meint die 21-Jährige. Über ihre Zukunft denkt die Sportstudentin derzeit lieber nicht nach – ein Ende des Studiums ist nicht absehbar. „Ich weiß ja nicht einmal, was morgen wird“, lacht sie. Nur eines weiß Stöhr: „Klettern gehört für mich zum Leben. Es hat kein Ablaufdatum. Ein 40-jähriger Russe startet noch immer bei den Weltmeisterschaften. Meine Eltern klettern. Warum sollte ich also ans Aufhören denken?“

Angela Eiter, 23 „Früher war’s ein Altherrensport“

Früher, als es noch keine Kletterhallen gab, sei Erfahrung sicher wichtig gewesen. „Da war Klettern ein Altherrensport“, witzelt Angela Eiter, zweifache Weltmeisterin im Sportklettern. Heute stünden Gipfelstürmern aber andere technische Möglichkeiten zur Verfügung. „Zum Glück“, sagt die quirlige 23-Jährige. Dadurch sei der Klettersport erst jung und dynamisch geworden. Moderne Sicherungsmethoden ersetzen jahrelange Erfahrung am Berg, in Kletterhallen kann auch im Winter trainiert werden. Dass Klettern von manchen abfällig als langweiliger Einzelsport bezeichnet wird, kann Angy, wie die kleine Tirolerin meist genannt wird, nicht nachvollziehen: „Natürlich hängt man alleine in der Wand. Aber ich treffe zum Klettern ja meine Freunde, wir plaudern miteinander, tüfteln gemeinsam mögliche Routen aus. Klettern ist auch ein echter Denksport: Es braucht strategisches Vorgehen und Flexibilität. Außerdem gebe ich mein Leben in die Hände meines Partners, der mich sichert. Dazu gehört viel Vertrauen, das Einzelkämpfer sicher nicht haben.“

David Lama, 18 „Ich mache es einfach gern“

Wenn David Lama in der Wand steht, einen kleinen Tritt findet, um sich nur wenige Sekunden danach abzustoßen, zum nächsten Vorsprung zu springen und dann, an einem Arm baumelnd, den nächsten Halt sucht, scheint ein Affe am Werk zu sein: Für seinen „Monkey Style“ ist der Tiroler in der Kletterszene mittlerweile denn auch weltberühmt. Und das, obwohl er erst 18 Lenze zählt. Lama wurde 2004 und 2005 Jugendweltmeister, 2006 jüngster Weltcup-Sieger im so genannten Vorstiegklettern, im gleichen Jahr jüngster Europameister im Vorstieg, 2007 jüngster Europameister im Bouldern und 2008 schließlich Weltcup-Gesamtsieger in der Kombination. Für ihn ist Klettern dennoch kein Beruf, sondern eine Leidenschaft. Ein Mann der großen Worte, um sein Hobby zu preisen, ist er nicht. „Ich mache es einfach gern“, sagt er, zuckt mit den Schultern und lächelt fast ein wenig verlegen. Es gibt nur wenige Tage, an denen Lama nicht in irgendeiner Wand hängt. Im Winter geht er Skitouren, im Sommer mountainbiken. Sollte in einigen Jahren oder Jahrzehnten seine Kletterkarriere zu Ende gehen, hat er schon klare Vorstellungen, welchen Beruf er ergreifen möchte: Bergführer. Was auch sonst?