Vitasek: „Kabarett ist vom Wesen her links“

„Kabarett ist vom Wesen her links“

Der Schauspieler und Autor im profil-Gespräch

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profil: Herr Vitasek, machen Sie Urlaub in Wien?
Vitasek: Nicht wirklich Urlaub, ich arbeite an einem neuen Programm, und das entsteht halt dann auch im Bad und beim Radfahren.
profil: Herrscht in Wien die richtige Atmosphäre für die Dinge, die Sie schreiben?
Vitasek: Ja, eigentlich schon. Einmal abgesehen davon, dass ich glaube, dass das Kabarett eine sehr österreichspezifische Kunstform ist, gibt Wien viel her.
profil: In einem Haus in der Toskana muss es sich doch auch ganz gut schreiben, oder?
Vitasek: Dylan Thomas wurde einmal eingeladen, bei irgendjemandem in Griechenland zu schreiben, in einem sehr schönen Haus. Er hat gesagt: Vielen Dank, aber nein – da würde ihm nichts einfallen, er würde nur Blau und Weiß sehen, und er brauche irgendwie das Verregnete von Irland, das Graue. Wenn ich auf einer Insel wäre, fiele mir auch nichts ein, außer: Soll ich noch einmal in den Pool springen oder nicht?
profil: Sie sind in Wien-Favoriten geboren, noch dazu am 1. Mai. Prägt das politisch?
Vitasek: Das ist eine Prägung sondergleichen. Um das Geburtsdatum ist mir so mancher sozialdemokratische Politiker neidig. Aber natürlich: Ich bin in bescheidenen Verhältnissen aufgewachsen. Wir haben kein Auto gehabt, wir haben lange keinen Fernseher gehabt, den Koks haben wir aus dem Keller holen müssen. Das klingt jetzt nach Sozialdrama, aber das war damals üblich. Es war eine schöne Kindheit. Ich habe sie sehr genossen.
profil: Ihr Vater war Tscheche. Reden Sie noch Tschechisch?
Vitasek: Leider nein. Mein Vater hat sich geweigert, mir das beizubringen. Das war damals noch ein Makel. Mein Vater ist nach dem Krieg über Deutschland nach Österreich geflüchtet. Er hat in der Tschechoslowakei eine Fabrik gehabt, die ihm von den Russen weggenommen worden ist. Da hat er die Koffer gepackt und ist gegangen.
profil: In den siebziger Jahren, als Sie begonnen haben, war das Kabarett automatisch eine linke Veranstaltung. Ist es heute auch noch so?
Vitasek: Ich glaube, dass Kabarett vom Wesen her links ist. Die Unterhaltung ist das nicht unbedingt. In den letzten Jahren ging es immer mehr in Richtung Comedy. Auf einmal sind sie alle Comedians, auch im Fernsehen heißen die Dinger nur noch Comedy. Das Wort Kabarettist hat offenbar eine politische Färbung. Aber ein Kabarettist, der unpolitisch ist, ist ein Widerspruch in sich.
profil: Früher war’s auch einfacher. Die Kabarettisten haben „Haider“ gesagt, und das Publikum hat schon gelacht.
Vitasek: Mit dem unerwünschten Nebeneffekt, dass man fast zu viel Werbung für ihn gemacht hat. Wie viele Haider-Covers hatte das profil?
profil: Sie sagten 1999 einen Auftritt in Velden ab, weil Haider Landeshauptmann geworden war. Ein sehr umstrittener Schritt …
Vitasek: … für den ich von ziemlich allen Seiten Prügel bezogen habe, selbst von Elfriede Jelinek, die zwei Jahre später verboten hat, dass ihre Werke in Österreich aufgeführt werden. Es war eine sehr spontane Aktion. Ich würde sie mir jetzt wahrscheinlich länger überlegen. Aber es hatte auch nicht unbedingt etwas mit Haider zu tun, der mir ja auch nicht so wichtig ist. Ich kenne ihn persönlich auch nicht. Damals gab es ja auf einmal europaweit einen Rechtsruck – vom Vlaams Blok bis zur Lega Nord. Die Nationalratswahlen standen vor der Tür, und ich hab einfach eine Gefahr gesehen. Danach kam Haiders Partei ja tatsächlich in die Regierung. So kurzsichtig war meine Aktion also nicht.
profil: Sie haben dann später gesagt: „Ich suche jetzt lieber den Faschisten in mir selbst.“ Haben Sie ihn schon gefunden?
Vitasek: Den kleinen Alltagsfaschisten findet man ja täglich. Man ertappt sich bei Vorurteilen, man ist ein bissl fremdenfeindlich, ein bissl frauenfeindlich, man ist ja kein Heiliger. Meine Stärke ist aber, dass ich sehr durchschnittlich bin. Ich habe das Gefühl, dass das, was mir gefällt, sehr vielen Leuten gefällt. Und die Fehler, die ich habe, haben viele auch, und deswegen kann ich sehr gut von mir ausgehen.
profil: Sie haben zuletzt in Beziehungskisten gekramt: etwa mit der szenischen Umsetzung „Haus, Frauen, Sex.“ von Margit Schreiner und in der TV-Trilogie „Drei Brüder“ mit Erwin Steinhauer und Wolfgang Böck. Ist das der Rückzug ins Private, weil man politisch nur noch wenig bewirkt?
Vitasek: „Haus, Frauen, Sex.“ war auch eine persönliche Beschäftigung mit Trennung und mit Scheidung. Das hatte für mich einen therapeutischen Effekt. Als die Scheidung vorbei war und wir uns einvernehmlich getrennt hatten, habe ich aufgehört, das Stück zu spielen. Es fehlte der Motor. Es hatten übrigens nur wenige die Illusion, dass man mit Kabarett wirklich etwas verändern kann. Man kann allerdings jemandem, der unten sitzt, zeigen: Ja, es gibt noch andere, die so denken wie du. Nachdem sich die SPÖ jetzt mit der Bawag so was von rausgeschossen hat aus der Politik, oder genauer: die Bawag die SPÖ rausgeschossen hat, muss man natürlich annehmen, dass die politischen Verhältnisse auf längere Zeit so bleiben, wie sie sind.
profil: Das hätten Sie sich wohl auch nicht gedacht, als Sie im Februar 2000 am Heldenplatz gegen die schwarz-blaue Koalition protestierten, oder?
Vitasek: Eine extrem rechte Partei wie die FPÖ in eine Regierung zu holen war einfach zu viel. Uns hat ja nicht gestört, dass die SPÖ einmal in Opposition gehen musste, darüber waren sehr viele Anhänger der Sozialdemokraten sogar froh. Aber sie haben immer geglaubt, sie kämen eh bald wieder in die Regierung.
profil: Immerhin: Haider wurde in der Regierungszeit der FPÖ entzaubert.
Vitasek: Schüssel sagt jetzt natürlich, er habe ihn in Wahrheit entmachtet, weil er ihn in die Regierung geholt hat. Dass er das bewusst gemacht hat, wage ich zu bezweifeln. Dass es so gekommen ist, ist für Schüssel pures Glück.
profil: Jetzt gibt es den Bawag/ÖGB-Skandal und Grassers Jacht-Affäre. Reizt es Sie nicht, diese Themen aufzugreifen?
Vitasek: Es gibt schon eine Nummer in meinem Kopf, in der ich als Kabarettist meinen Rücktritt anbiete, weil ich mit Grasser zufällig in einem VIP-Zelt in Kitzbühel war und weil ich noch ein Geschenk gekriegt habe, einen Glaskäfer von Swarovski.
profil: Wie erklären Sie übrigens, dass an manchen Politikern alles abtropft, wie etwa an Karl-Heinz Grasser, der trotz allem in der Öffentlichkeit in hohem Ansehen steht?
Vitasek: Damit, dass er selber der Meinung ist, dass das okay ist, was er tut. Das kommt so authentisch. Wenn er dauernd ein schlechtes Gewissen hätte, dann würde das völlig anders aussehen. Das ist sein Erfolgsrezept. Er ist einfach wirklich so.
profil: Haben Sie sich schon entschieden, wem Sie bei den kommenden Nationalratswahlen Ihre Stimme geben?
Vitasek: Nicht endgültig. Aber jetzt ist es an der Zeit, dass einmal die Grünen Regierungsverantwortung übernehmen – von mir aus auch in einer Koalition mit der ÖVP. Das kann genauso gut oder genauso schlecht klappen wie eine Koalition mit der SPÖ. Wenn man den Grünen dort, wo sie stark sind, ein Ministerium gibt, wäre das hochinteressant. Das Umweltministerium, eh klar, vielleicht auch das Wirtschaftsministerium, das wäre spannend.
profil: Es gibt viele Grüne, die mit dem Gedanken einer Koalition mit der ÖVP ein Problem haben.
Vitasek: Warum soll das nicht gehen?
profil: Weil man bei Themen wie der Homoehe, Familienpolitik und ähnlichen Fragen weit auseinanderliegt.
Vitasek: In diesen Bereichen ist ja die Frau Gastinger toll unterwegs. Eine erfreuliche Erscheinung, die könnte man ja noch mitnehmen. Die ÖVP müsste natürlich dieses Erzkonservative, dieses Christlich-Soziale deutlich zurückstellen.
profil: Was halten Sie eigentlich von Alfred Gusenbauer?
Vitasek: Ich habe ihn gleich zu Beginn seiner Amtstätigkeit als Vorsitzender der SPÖ zwei-, dreimal getroffen und hab mir – vor allem nach dem Klima – gedacht: Der ist aber intelligent, nicht so wischiwaschi wie die anderen, sondern wirklich ein Linker. Ich glaube auch, dass er in kleinem Kreis nach wie vor gut ankommt, aber er signalisiert dem Wähler das nicht wirklich. Und er hat auch Fehler gemacht.
profil: Welche?
Vitasek: Er hätte klar signalisieren müssen: Wenn wir die Wahl gewinnen, werden wir mit den Grünen koalieren, aber man hat alles immer offen gelassen.
profil: Damals war Rot-Grün in Deutschland nicht wirklich ein Erfolgsmodell.
Vitasek: Gut, aber jetzt müssten wir uns vor der großen Koalition fürchten, wenn wir nach Deutschland schauen. Aber man soll nicht immer nach Deutschland schauen, dort herrschen ja völlig andere Voraussetzungen.
profil: Sie haben vor einigen Jahren gesagt, die Kabarettisten würden viel zu tun haben, wenn erst einmal die Auswirkungen des EU-Beitritts deutlich werden. Ist das eingetreten?
Vitasek: Nein, das hat sich bei mir stark geändert. Ich bin heute von der EU mehr eingenommen als am Anfang. Bei der Abstimmung habe ich noch mit großen Vorbehalten dafür gestimmt. Ich habe eine Kulturvermengung befürchtet und den Verlust von Identität. Diese Gefahr sehe ich nicht mehr. Und das Schöne passiert mir jeden Tag, wenn ich einkaufen gehe und diese guten italienischen und französischen Sachen im Regal sehe. Das ist vielleicht ein nicht so wichtiger Aspekt, aber auch das ist eine kulturelle Öffnung.
profil: Sie haben kürzlich Ihren 50. Geburtstag gefeiert. Wie war das Erlebnis?
Vitasek: Ich habe schon im Jahr davor, ab dem 49. Geburtstag, offensiv gesagt, ich sei 50, um mich daran zu gewöhnen. Ich habe eigentlich eine irrsinnige Angst davor gehabt, weil die Zahl so rund ist. Mit dem Geburtstag war das dann vorbei. Jetzt ist das überhaupt kein Thema mehr. Aber man weiß natürlich, dass jetzt nicht mehr endlos viel Zeit da ist. Man kann nicht mehr einfach sagen, das probiere ich einmal ein paar Jahre aus, das interessiert mich. Jetzt stellt sich die Frage, soll ich mich auf ein Gebiet konzentrieren, oder springe ich weiter von einem Projekt zum nächsten, ohne dass ich mich darum kümmere, wie lange ich das noch machen kann.
profil: Haben Sie schon eine Entscheidung getroffen?
Vitasek: Nein, noch nicht wirklich.
profil: Sie hatten mit den Schwabenitzky-Filmen großen Erfolg beim Massenpublikum. Ist es nicht verlockend, sich auf diese Mainstream-Geschichten zu konzentrieren?
Vitasek: Es funktioniert ganz gut, weil man sich mit den mainstreamigen Sachen ein Publikum holt, das dann ins Kabarett geht, wo es auch mit, sagen wir, tiefsinnigeren Sachen konfrontiert wird. Das klingt jetzt wie eine Entschuldigung, dass man auch leichte Sachen macht.
profil: Haben Sie das Gefühl, dass Sie sich entschuldigen müssen?
Vitasek: Ja, auch vor mir selber. Und auch vor Fans. Es gibt ja Leute, die dann den Vitasek nicht schätzen, wenn sie ihn in solchen Filmen im Fernsehen sehen. Man muss halt sehr aufpassen. Man ist ja seine eigene Marke. Übrigens hat auch profil hin und wieder ein Titelbild, mit dem man sich andere Leser holen will. Ich erinnere mich da an die unlängst erschienene Titelgeschichte von den „Sex-Lügen“.
profil: Gefährlich wird das ja nur, wenn man sagt: Wenn das so gut geht, warum soll ich mir das andere, das Ernstere, dann noch antun?
Vitasek: Die Gefahr besteht bei mir sicher nicht, weil ich dann unzufrieden wäre. Ich habe noch immer den Anspruch, Künstler zu sein. Und ich will, dass man von mir sagt, ich sei ein gescheiter Künstler.
profil: Würden Sie gerne einmal am Burgtheater spielen?
Vitasek: Dort habe ich schon gespielt.
profil: Entschuldigung. Wann denn?
Vitasek: Als Komparse Ende der siebziger Jahre in der Strehler-Inszenierung vom „Spiel der Mächtigen“. Am selben Tag ist daneben die OPEC überfallen worden. Da standen auf einmal Kunst und Wirklichkeit Tür an Tür.
profil: Was würden Sie denn noch gerne spielen?
Vitasek: Einen Nestroy würde ich ganz gerne machen.
profil: Warum nicht James Bond?
Vitasek: Die Bonds müssen sich immer vertraglich verpflichten, dass sie nicht zunehmen. Das wäre allerdings eh ganz gut. Nein, ich wäre lieber ein Kommissar. Das Feld ist halt sehr abgegrast. Kommissar ist jetzt für die nächsten zehn Jahre der Krassnitzer. Ich habe einmal dem Peter Hayek vorgeschlagen, im „Kommissar Rex“ einen hundeallergischen Kommissar zu spielen, einen Katzenliebhaber, der diesen Hund hasst. Und der Hund rettet ihn dann eben nicht, oder so ähnlich.
profil: Das hat er sich dann nicht getraut?
Vitasek: Nein, aber der hundeallergische Kommissar, das hätte etwas. Na vielleicht steigt er mir noch ein.

Interview: Herbert Lackner