EURO-Millionen

Dörfler setzte Kontrolle über Werbemillionen außer Kraft

Affäre. Wie Gerhard Dörfler die Kontrolle über Kärntner Werbemillionen außer Kraft setzte

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Das waren Spiele, wie sie Jörg Haider liebte: Im Juni 2008 schaffte es "sein“ Kärnten dreimal, in den Fokus der Fußballwelt zu rücken. Drei Vorrundenspiele der Europameisterschaft fanden im eigens errichteten Wörthersee-Stadion statt. Eindeutiger Gewinner am Austragungsort Klagenfurt waren die Kroaten, die sowohl gegen Deutschland (2:1) wie auch gegen Polen (1:0) als Sieger den Platz verließen.

Eindeutiger Verlierer war das Land Kärnten.

Landeshauptmann Jörg Haider und Tourismusreferent Gerhard Dörfler hatten sich das Event viel Geld kosten lassen. Die Kärnten Werbung sprach gar von einem "Geschenk des Himmels“.

Fragt sich nur, für wen?

Die damalige Landesregierung stellte der landeseigenen Kärnten Werbung im Vorfeld der Großveranstaltung ein Sonderbudget von acht Millionen Euro zur Verfügung. Sie trickste dafür nicht nur die Landesbeamten aus, sondern verhinderte überdies mit allen Mitteln, dass die Verwendung der Gelder überprüft werden konnte. Jetzt steht der Verdacht im Raum, die Millionen könnten in undurchsichtigen Geschäften versickert sein.

Im Herbst 2005 krempelte Jörg Haider die Ärmel auf, um das anzugehen, was er am besten konnte: Festspiele inszenieren und Geschenke verteilen, alles auf Kosten des Landesvermögens. Die EURO 2008 sollte touristisch vermarktet werden, daher beschloss die Landesregierung, der Kärnten Werbung zwischen 2005 und 2008 in Summe acht Millionen Euro zuzuschanzen. Diese Gesellschaft gehört zu 60 Prozent der Kärntner Landesholding, die wiederum im direkten Einflussbereich der Landesregierung steht. Das Geld sollte aus dem Zukunftsfonds kommen (das Land Kärnten hatte mit seinen Anteilen an der damals noch solventen, landeseigenen Hypo eine Anleihe in Millionenhöhe besichert, Anm.).

Solch ein Sonderbudget rief nach einem Sonderbeauftragten. Jörg Haider erkor einen Vertrauensmann: Franz Koloini, vormals sein Privatsekretär und Protokollchef. Die Auflagen seitens der Finanzabteilung des Landes waren klar: Am Ende jedes Geschäftsjahres mussten die Ausgaben offengelegt werden, erst dann sollte weiteres Geld freigegeben werden. Um dies sicherzustellen, wurde die Wirtschaftsprüfungskanzlei Ernst & Young ins Boot geholt. Sie sollte die widmungsgemäße Verwendung der Mittel prüfen und mit einem Bestätigungsvermerk versehen.

Im Frühjahr 2007 übermittelte Ernst & Young der Finanzabteilung den Bericht über das Geschäftsjahr 2006 - und bekam ihn prompt zurückgeschmissen. Die Beamten bemängelten vor allem, dass die Wirtschaftsprüfer lediglich Rechnungsbeträge kontrolliert hatten, nicht aber, ob diesen Ausgaben auch tatsächlich Leistungen gegenüberstanden. Dies sei "nicht akzeptabel und entspricht nicht dem EU-Standard für die Prüfung der widmungsgemäßen Verwendung dieser Fördermittel“, wird es später im Bericht über einen eigens im Landtag eingesetzten Untersuchungsausschuss heißen.

Negative Folge: Die Finanzbeamten stoppten die Auszahlung weiterer Millionen.

Jetzt war Gerhard Dörfler gefragt: Am 5. Juli 2007 bat er Beamte der Finanzabteilung, einen Vertreter von Ernst & Young sowie Mitarbeiter der Kärnten Werbung zum Gespräch. An dessen Ende wurde eine amikale Lösung gefunden, welche vier Tage später schriftlich an die Finanzabteilung nachgereicht wurde: Ernst & Young bestätigte unter anderem, eine Vollprüfung vorgenommen zu haben; im Gegenzug machte sich die Kärnten Werbung erbötig, für etwaige Regressforderungen gegenüber Ernst & Young zu haften.

Positive Folge: Die Finanzabteilung drehte den Geldhahn wieder auf. Freilich nur aufgrund eines Missverständnisses: Nachdem die schriftliche Bestätigung Tage nach der mündlichen Unterredung im Büro Dörfler bei der Finanzabteilung eingetroffen war, gingen die Beamten davon aus, dass zwischenzeitlich tatsächlich eine Vollprüfung absolviert worden war.

Dies streitet eine Mitarbeiterin des Unternehmens aber ab. "Es war dezidiert nicht der Auftrag, eine Gebarungsprüfung durchzuführen. Wenn das so gewesen wäre, hätten wir andere Prüfungshandlungen gesetzt“, sagte sie am 17. Juni 2008 im Kärntner Landtag. "Es war auch dezidiert vereinbart, dass wir den Umfang der Prüfung mit dem Geschäftsführer der Kärnten Werbung vereinbaren. Das war auch unser Auftraggeber.“ Und dieser hatte offenbar kein Interesse daran, dass jeder Zettel zweimal umgedreht wird.

Das heißt nichts anderes als: Die Prüfkanzlei behauptete auf dem Papier, eine Prüfung durchgeführt zu haben, die so nie stattgefunden hatte; die finanzielle Verantwortung dafür übernahm die Kärnten Werbung.

Gerhard Dörfler wollte jedenfalls partout nichts mit der Rechnungsprüfung der Kärnten Werbung zu tun gehabt haben. "Da gibt es ein internes Controlling“, gab sich Dörfler im Jahr 2008 im Kärntner Landtag kurz angebunden.

Dem Verdacht, die Gelder wären eben nicht "widmungsgemäߓ verwendet worden, geht nun die Staatsanwaltschaft Klagenfurt nach. Im Vorfeld der EURO 2008 sollen aus dem acht Millionen Euro schweren Topf seltsame Geschäfte finanziert worden sein:

Hunderttausende Euro versickerten bei einem italienischen Agenten.

Ein Sponsorvertrag mit der italienischen Fußballnationalmannschaft wurde von den Kärntnern bezahlt, an eine Gegenleistung des italienischen Verbands kann sich allerdings niemand mehr erinnern.

Tatsächlich gelang es nicht einmal, auch nur eine einzige Turniermannschaft 2008 während der Europameisterschaft dazu zu bewegen, ihr Quartier in Kärnten aufzuschlagen. Dabei war genau dies das erklärte und - mit viel Geldeinsatz - verfolgte Ziel. 1,8 Millionen Euro hatte die Kärnten Werbung zwischen 2005 und 2007 an Fußballteams, Agenten und Mittelsmänner bezahlt, um gelegentlich einen internationalen Fußballklub zum Sommertrainingslager an den Wörthersee zu locken. Und dabei durchaus Befremden ausgelöst. Die Kollegen in Salzburg etwa weigerten sich standhaft, Fußballteams auch nur einen Groschen für ein Trainingslager zu bezahlen. Die gesamte EURO-Bewerbung kostete Salzburg übrigens lediglich 500.000 Euro.

Die Bilanz der Werbetätigkeit am Wörthersee: Im Juni 2008 verzeichnete das Land Kärnten trotz der Europameisterschaft 56.000 Nächtigungen weniger als im Jahr davor.

Und auch sonst wurden keine Kosten und Mühen gescheut, bisweilen ohne die geringste Chance auf einen positiven Effekt: Noch im Februar 2008, also nur wenige Monate vor Anpfiff des ersten EM-Spiels, hatte Jörg Haider eine weitere bemerkenswerte Idee entwickelt. Für die Dauer der Europameisterschaft sollte eine eigens errichtete Seilbahn zwischen der Fanzone im Klagenfurter Europa-Park bei Minimundus und dem Wörthersee-Stadion verkehren. Irrwitziger Kostenpunkt für ein paar Wochen Gondelbahn: vier Millionen Euro. Dazu kam es allerdings nicht. Wegen Anrainerbeschwerden musste das Projekt abgesagt werden. Für "Vorbereitungsleistungen“ und "Gutachten“ zahlte das Land Kärnten allerdings mehr als 85.000 Euro an das Vorarlberger Seilbahnunternehmen Doppelmayr.