„Am Rande des Abgrunds“

Peter Kaiser: „Kärnten stand vor dem Zusammenbruch“

Interview. Landeshauptmann Peter Kaiser über die Hinterlassenschaft der Freiheitlichen

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Interview: Herbert Lackner

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Herr Landeshauptmann, haben Sie schon den Keller der Landesregierung ausgeräumt?
Kaiser: Nein, aber ich bin überzeugt, dass auch so alles ans Tageslicht kommen wird.

profil: Die großen Dinger finden sich ohnehin eher auf Kontoblättern. Kärnten ist pleite. Was können sie den Kärntnerinnen und Kärntnern versprechen?
Kaiser: Dass wir auch aufklären werden, was sich hinter diesen Kontoblättern verbirgt, und dass es solche Misswirtschaft nicht mehr geben wird.

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Wenn Ihre Regierung sehr gut ist, wird sie den Wählern in fünf Jahren bestenfalls sagen können: „Wir haben unsere Schulden verringert, wir sind österreichweit jetzt nur noch die Zweitschlechtesten.“ Mitreißend ist das nicht gerade.
Kaiser: Diese Regierung steht auf breiter Basis und wird versuchen zu erreichen, was realistisch ist. Ich gehöre nicht zu denen, die den Leuten etwas vorgaukeln, nur damit sie beruhigt einschlafen. Die Menschen in Kärnten haben am 3. März Realismus gewählt, und wir sind in der Realität angekommen.

profil: Die Menschen lieben es ja, wenn eine Regierung sagt: „Wir sparen jetzt eisern.“ Aber niemand will, dass bei ihm gespart wird. Wie wollen Sie diese Klippe umschiffen?
Kaiser: Gar nicht. Wir werden das Geld so einsetzen, dass es viel bewirkt. Es hat zum Beispiel viel gekostet, dass das Sozial- und das Gesundheitsressort getrennt waren. Wir haben sie wieder zusammengelegt. Das bedeutet zum Beispiel: Wir werden für die Pflege gleich viel ausgeben, aber es wird mehr Menschen damit geholfen.

profil: Und den Hunderter für Bedürftige aus der Handkassa …
Kaiser: … wird es auch nicht mehr geben. Es wird auch keine Fünfziger, Zwanziger oder Zehner geben. Solche Almosen bewirken ja keine Veränderung der sozialen Lage. Wir werden dieses Geld dafür verwenden, die Wohnbauhilfe für sozial Schwache zu erhöhen, das ist weit nachhaltiger. Für solche Haushalte wollen wir auch die Energiekosten senken, indem wir es fördern, stromfressende Geräte durch sparsame auszutauschen.

profil: Sie haben gesagt: „Wir sind in der Realität angekommen.“ Wissen Sie schon, wie der Kassasturz Ihrer Finanzlandesrätin aussieht? Es wird gemunkelt, die Lage sei schlimmer als erwartet.
Kaiser: Die Lage ist facettenreicher als erwartet. 85 Prozent des jährlichen Landesbudgets sind durch Fixausgaben gebunden, frei verfügbar sind nur 15 Prozent. Die Vorgängerregierung ist aber so langfristige Finanzierungsverpflichtungen eingegangen, dass selbst dieser Spielraum über Legislaturperioden hinaus eingeschränkt ist. Diese Ausgangsbedingungen haben wir vorgefunden, wir müssen das Beste daraus machen. Aber wenn es so weitergegangen wäre, hätte es den großen Zusammenbruch gegeben.

profil: Die SPÖ hat den meisten Dingen in der Landesregierung ja zugestimmt.
Kaiser: Aber auf Basis welcher Informationen wurde da oft zugestimmt! Ich erinnere mich, wie uns vom damaligen Landeshauptmann Haider der Börsegang der Hypo in den schillerndsten Farben dargestellt wurde – zu einem Zeitpunkt, als man bereits von schweren Swap-Verlusten wusste und an einer anderen Verkaufsvariante arbeitete. Es ist ja auch unfassbar, dass die FPK-Regierung drei Budget-Jahresabschlüsse nicht vorgelegt hat. Bis heute fehlt der Abschluss 2011.

profil: Die Haftung des Landes für die Hypo hat zeitweise das Zehnfache eines Jahresbudgets von Kärnten ausgemacht, also rund 20 Milliarden. Die SPÖ wusste das doch.
Kaiser: Aber sie ist dann eingeschritten und hat durchgesetzt, dass es keinen Automatismus bei der Erhöhung dieser Haftungen geben kann. Wir haben auch erreicht, dass sie mit 2017 limitiert sind. Derzeit betragen die Haftungen etwas mehr als 14 Milliarden. Wenn sie am 31. Dezember 2017 erloschen sind, wird das der schönste Silvester für Kärnten.

profil: Bis dahin gibt es noch viel Blut zu schwitzen.
Kaiser: Natürlich – und man muss realistisch sein. Wenn Haftungen vorher fällig werden, ist das ohne Hilfe der Republik nicht bewältigbar.

profil: Wie würden Sie das „Restösterreich“ erklären?
Kaiser: Indem ich nicht so präpotent auftrete wie meine Vorgänger, sondern klar sage, dass es die Republik war, die Kärnten 2009 vor dem Bankrott gerettet hat, dass ich nicht anstehe, mich dafür zu bedanken, und dass wir aus den Fehlern der Vergangenheit gelernt haben.

profil: Die Fehler der Vergangenheit sind ein gutes Stichwort. Als die SPÖ 1989 nach 45 Jahren den Landeshauptmann-Sessel verlor, geschah das auch deshalb, weil ihr viele Kärntner Machtversessenheit vorgeworfen hatten. Was haben Sie daraus gelernt?
Kaiser: Fehler sind gemacht worden, und man soll alte Fehler nicht wiederholen. Aber man soll es nicht so darstellen, als wäre alles schlecht gewesen, was die SPÖ gemacht hat. In diesen Jahren ist viel Positives passiert, und ich bestreite gar nicht, dass auch in den Jahren danach mitunter Positives gemacht wurde. Aber am Ende der Regierungszeit der Freiheitlichen steht das Land am Rande des Abgrunds.

profil: Kärnten ist das einzige Bundesland, das Bevölkerung verliert. Wie wollen Sie diese Abwanderung von Jungen und Tüchtigen stoppen?
Kaiser: Der erste Schritt ist gemacht: Die Stimmung hat sich gedreht, das merke ich, wenn ich mit abgewanderten Kärntnern spreche. Abwanderung, Arbeitslosigkeit und Armut – das werden wir bekämpfen. Aber was in Jahrzehnten zerstört wurde, wird auch Jahre der Reparatur benötigen.

profil:
Sie bekommen viele positive Reaktionen auf diesen Regierungswechsel. Denken Sie nicht manchmal, so gut wie jetzt wird es nie mehr werden?
Kaiser: Ich weiß, dass die Mühen der Ebene schon sehr bald beginnen. Dann werden wir unsere Tauglichkeit unter Beweis stellen müssen. Wir werden ­einen langen Atem brauchen und Probleme nicht leugnen, sondern uns ihnen stellen. Nur dann haben wir eine Chance.

Foto: Monika Saulich für profil