Kanzler Faymann musste klein beigeben

Kanzler Faymann musste klein beigeben: Strategie zur Vermögensbesteuerung

Strategie der SPÖ zur Vermögensbesteuerung

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Von Eva Linsinger und Ulla Schmid

Dienstagnachmittag vergangene Woche im Kanzleramt: Das Catering war so trist wie die Nachrichten. Bei Kaffee und Mineralwasser wurden den SPÖ-Granden die Zukunftsaussichten serviert: Das Budget gerät aus dem Ruder, Sparpakete sind unumgänglich. Wie sich dagegen wappnen? Darüber diskutierte eine hochkarätige Runde aus SPÖ-Regierungsmitgliedern und Sozialpartnern. An den Fakten war nicht zu rütteln, Notenbank-Gouverneur Ewald Nowotny referierte unbarmherzig die wirtschaftlichen Aussichten.

Initiiert hatte das Treffen die Gewerkschaftsachse aus Sozialminister Rudolf Hundstorfer und dem obersten roten Gewerkschafter Wilhelm Haberzettl. Sie drängen im Gleichschritt mit den SPÖ-Länderchefs darauf, endlich Vermögen zu besteuern. Doch ein Mann leistete hinhaltend Widerstand: der Parteichef und Kanzler Werner Faymann. Bis zum vergangenen Dienstag. Denn bei dem Treffen unter dem harmlosen Titel „wirtschaftspolitische Aussprache“ gab er seine Blockadehaltung auf und wurde immerhin so weit überzeugt, dass er seine Partei konkrete Konzepte ausarbeiten lässt, in welcher Form Vermögen höher besteuert werden könnte und welche Einnahmen daraus zu erwarten sind. Das Treffen sollte daher auch geheim bleiben. Denn für den Kurswechsel des Kanzlers wird erst nach einer offiziellen Begründung gesucht. Doch Gesprächsteilnehmer wissen zu berichten, dass er der Frage nach einer höheren Besteuerung von Vermögen nun „durchaus aufgeschlossen“ gegenübergestanden sei.

Zwei Wochen lang hatte in der SPÖ eine Umverteilungsdebatte getobt. Nun haben sich die Befürworter, allen voran der steirische Landeshauptmann Franz Voves, durchgesetzt. Der Druck auf ­Faymann war zu groß: Er sprach zwar mehrere Machtworte, um die Umver­teilungsdebatte im Keim zu ersticken, doch sie verhallten ungehört. Kurz schien er wie ein Parteichef ohne Partei – doch jetzt tritt auch die SPÖ-Spitze neuen Einnahmequellen näher. Eine ausschließlich mit Parteigranden besetzte Arbeitsgruppe unter der Leitung von Finanzstaatssekretär Andreas Schieder soll die bisher unkoordinierten Forderungen in ein Papier gießen. Konflikte mit dem Koalitionspartner ÖVP, der bisher alle Rufe nach einer höheren Besteuerung von Bestverdienern strikt zurückwies, sind damit programmiert. Doch die Budgetnöte sind groß.

Der Kurswechsel Faymanns war unumgänglich: Denn Voves erhielt für seine „Überlegungen für eine neue europäische Wirtschaftspolitik“, kurz NEW, quer durch die Partei Applaus. Voves verlangt darin unter anderem Wertschöpfungsabgabe, Vermögensteuer und die Beschränkung von Managergehältern. Vom mächtigen Wiener Bürgermeister Michael Häupl abwärts stimmten alle Landesparteichefs und die Basis den Forderungen von Voves zu. Es war die erste ideologische Auseinandersetzung in der SPÖ seit Langem – dementsprechend wirr verlief sie.

Mit der Arbeitsgruppe will Faymann nun die teils unausgegorenen, teils widersprüchlichen Vorschläge koordinieren. Außerdem hat der Parteichef eine Grundlinie vorgegeben: Einfache Häusl­bauer sollen mit der Vermögensbesteuerung, in welcher Form auch immer sie kommt, nicht belastet werden. Die Debatte hatte bisher nicht einmal diese Minimalstruktur – denn sie entstand eher zufällig. Im vergangenen Oktober begann Voves seinen Parteichef in SPÖ-Sitzungen zu nerven, die Partei müsse etwas wegen der Wirtschaftskrise tun. Faymann reagierte nicht.

„Für mich war dieses Schweigen nicht akzeptabel“, erinnert sich Voves. Er teilte seinem Parteivorsitzenden mit, er werde jetzt „ein Papier“ vorbereiten. Faymann reagierte nicht. Im Jänner wurde der steirische Parteichef in einer SPÖ-Präsidiumssitzung mit einem Konzept vorstellig und fragte: „Soll ich da weitermachen?“ Faymann äußerte keine Bedenken. Erst als Voves das Papier Anfang April vorstellte, versuchte Faymann die Debatte abzuwürgen.

Doch dafür war es zu spät. Denn die Verteilungsdiskussion schwelt schon länger. Die Fakten sind bekannt: Das reichste Promille der Österreicher besitzt acht Prozent allen Geldvermögens – und damit so viel wie die unteren 50 Prozent der Bevölkerung. Zudem ist selbst in wirtschaftsliberalen Ländern wie den USA oder Großbritannien Vermögen deutlich höher besteuert (siehe Grafik). Seit die SPÖ bei den Landtagswahlen in Salzburg und Kärnten und bei den Arbeiterkammerwahlen Verluste einfuhr, drängen viele Parteigranden auf eine schärfere Linie. Ihr Argument: Gerade in der Wirtschaftskrise müssen die Belastungen anders verteilt werden. Die letzte programmatische Diskussion, wie rote Wirtschaftspolitik ausschauen könnte, ist auch schon zehn Jahre her und folgte einem ganz anderen Prinzip. Tony Blair brillierte in Großbritannien, und seine Abgrenzung von Gewerkschaften und Altlinken gipfelte im „dritten Weg“.

Sein deutscher Kollege Gerhard Schröder griff die Anstöße auf und verkaufte sie als „neue Mitte“ und sich als „Genosse der Bosse“. In Österreich versuchte Viktor Klima eine Schmalspurkopie und umwarb die Selbstständigen. Nach der Jahrtausendwende wurden in der oppositionellen SPÖ zwar Gedanken zur Parteireform gewälzt, doch der Widerstand gegen Schwarz-Blau war Ideologie genug. Und Alfred Gusenbauer eckte an, als er das Auslaufen der Erbschaftssteuer mit dem lapidaren Hinweis begründete, die ÖVP wolle eben keine Verlängerung. Nachfolger Faymann schlug im Wahlkampf andere Töne an und propagierte Vermögensteuern. Jetzt versuchte er, den Ball flach zu halten. Die Arbeitsgruppe mag ein Versuch von ihm sein, Zeit zu gewinnen. Immerhin wurde kein konkreter Abgabetermin für die Vorschläge festgelegt.