Karriere Kovats: Ein anderer werden

Karriere: Ein anderer werden

Der Multimillionär strebt öffentlichen Einfluss an

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Arm wie Donald hat er angefangen, jetzt ist er reich wie Onkel Dago- bert. Im Geldspeicher baden zu können wie der Krösus von Entenhausen ist ihm aber nicht genug.

Mirko Kovats, seit seinem VA-Tech-Deal der zurzeit vermutlich meistbeschriebene Selfmademan des Landes, galt bisher im Gutsherrenmilieu des österreichischen Wirtschaftsestablishments als Outsider und skrupelloser Parvenü. Erst vor Kurzem apostrophierte Andreas Treichl, Chef der Erste Bank und Abkömmling sowie Mitglied der Wiener Finanzaristokratie, Kovats in Anlehnung an die jüngsten Äußerungen des deutschen SPD-Chefs Franz Müntefering als „Mini-Heuschrecke“. Mit anderen Worten als einen – gemessen an internationalen Standards – ebenso unbedeutenden wie gesellschaftlich wurzellosen Finanzhai.

Missfallen. Solches gefällt Mirko Kovats ganz und gar nicht. Er hat die Nase voll von seiner Außenseiterrolle. Er nimmt es nicht mehr einfach hin, von der mit altem Geld und Traditionen gesegneten Oberschicht abgelehnt zu werden. Nachdem er nicht wenige Angehörige dieser Klasse finanziell bereits außen überholt hat, startet er nun ein neues Projekt: Er will jetzt auch gesellschaftlich dazugehören und wirtschaftspolitisch Gehör finden. Kovats hat daher beschlossen, sich und den seinen den Stammbaum einer Industriellenfamilie zu verpassen. Der erste Schritt auf diesem Weg ist ihm bereits geglückt: Am 12. Mai wurde er – auf eigenen Wunsch – zum Mitglied des Vorstands der österreichischen Industriellenvereinigung (IV) ernannt.

Man sagt, es sei eine uralte Sehnsucht vieler Besitzender, nicht nur reich zu sein, sondern auch Klasse zu haben und Ansehen zu genießen. Natürlich gebe es Ausnahmen: Manch ein Tellerwäschermillionär mit ehrlich erworbenem Bierbauch pfeift auf Noblesse oder Einfluss, lässt alle gesellschaftlichen Zwänge hinter sich und lebt halt auf großem Fuß – sofern ihm das Geldmachen dazu Zeit lässt. So ist Mirko Kovats nicht gestrickt. Er hat klar erkannt, dass in der Welt der Wirtschaft eine neue Gründerzeit angebrochen ist, dass Geld und Ansehen spätestens seit den neunziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts eine enge Symbiose bilden. Warum, meint er offenbar, sollte er das nicht nutzen? In dem Sinn steuert er jetzt zielsicher den Wechsel der eigenen Identität und jener seiner Familie an.

Anfang Mai war bekannt geworden, dass „ein elitärer Kreis von Privatpersonen“, wie das Ronny Pecik, der Banker und Kompagnon von Kovats formuliert, Geld in Kovats’ neuem Projekt veranlagt hat. Kovats erwarb dieser Tage in Partnerschaft mit Ronny Pecik und Georg Stumpf, dem keineswegs unumstrittenen Jungstar des Wiener Immobiliengeschäfts, die Aktienmehrheit an der gegenwärtig maroden Schweizer Technologiegruppe Unaxis (siehe Kasten Seite 41). Sie planen, diese Gruppe gewinnbringend zu sanieren. 20 Millionen Euro des für den Erwerb der Unaxis-Aktien verwendeten Kapitals stammen von teils prominenten Österreichern wie Niki Lauda, Ottakringer-Haupteigentümer Engelbert Wenckheim, von Michael Gröller, dem Ex-Chef des Mayr-Melnhof-Konzerns – und von Veit Sorger, dem Präsidenten der Industriellenvereinigung.

Profit. Sie alle nennen ähnliche Motive dafür, einen Teil ihres Vermögens bei Kovats & Co zu veranlagen: nämlich, dass die Kovats-Gruppe „bewiesen“ hätte, „dass sie Gewinn machen kann“. Niki Lauda: „Da ich schon bei ein paar anderen Investments der Gruppe mitgemacht habe, weiß ich, dass sie wissen, was sie tun – nämlich viel Geld für ihre Aktionäre herausholen.“

Dieses Engagement von Vertretern des heimischen Wirtschaftsestablishments stellt für Kovats einen gesellschaftlichen Durchbruch, eine Art Ritterschlag, dar. Besonders die Tatsache, dass der IV-Präsident mit an Bord ist, wurde – in Kombination mit dem Aufstieg von Kovats in den Vorstand des Industriellenclubs – allseits mit großem Interesse registriert. Veit Sorger hatte in der Vorstandssitzung am 12. Mai die Berufung von Kovats in dieses Gremium (auf Anregung der steirischen sowie der Tiroler IV-Landesorganisation) zur Abstimmung gebracht. Es gab keine Gegenstimme, wenngleich einzelne alteingesessene Industrielle ihrem Unmut darüber in Privatgesprächen nach der Sitzung heftig Luft gemacht haben sollen. Jetzt will sich Präsident Sorger zu dieser Frage nicht mehr äußern; im Magazin „Format“ hatte er zu Protokoll gegeben, er traue Kovats und Pecik eben „viel zu“.

Kovats seinerseits möchte nicht namentlich über seine Geldgeber reden. Mit augenscheinlicher Genugtuung betont er jedoch eines: „Diejenigen, die im Zusammenhang mit Unaxis Geld bei uns veranlagten, haben allesamt uns ausgewählt. Wir haben niemanden mit dem Angebot eines solchen Investments kontaktiert.“ Die Welt habe sich eben verändert: „Man tritt jetzt an uns heran. Wir brauchen längst nicht mehr irgendwo Geld zu keilen.“

„Pecunia non olet“, kommentiert dies Erich Becker – als ehemaliger Generaldirektor der VA Tech ein prononcierter Kritiker der eher rüden Methoden, mit denen Mirko Kovats 2003 und 2004 das Ruder in diesem Konzern an sich reißen wollte. Und ein Vorstandsmitglied der IV, das namentlich nicht genannt werden möchte, resümiert: „Als schließlich im Frühherbst 2004 Siemens Hand in Hand mit Kovats angetreten ist, die VA Tech zu übernehmen, hat Siemens-Chef Albert Hochleitner damit den Herrn Kovats hoffähig gemacht.“ Bei diesem partnerschaftlichen Anlauf zur Übernahme der VA Tech, im Frühherbst, scheiterte das Vorhaben freilich noch am Veto der Bundesregierung. Die war ihrerseits von maßgeblichen Wirtschaftsvertretern vor Kovats gewarnt worden. Erst als Siemens ohne Kovats neuerlich zur Übernahme antrat, stimmte Kanzler Wolfgang Schüssel dem Verkauf der VA Tech zu.

Nun scheint sich die Zeit der Ächtung langsam dem Ende zuzuneigen. Heute darf Kovats darüber frohlocken, dass Mitglieder alter Familien, die in der IV führend tätig sind, öffentlich sein Loblied singen. Vor allem in der Steiermark. Michael Mayer-Rieckh, der 69-jährige Gandseigneur der Humanic-Dynastie, lange Zeit in der steirischen IV führend tätig, bekennt: „Ich ziehe meinen Hut vor Kovats. Er ist wahnsinnig tüchtig – ich wollte, ich wäre so. Alle, die ihn kennen gelernt haben, sind von ihm beeindruckt.“

„Kontakte“. Der steirische IV-Präsident Jochen Pildner-Steinburg führt ins Treffen, dass Kovats in der Grünen Mark mittlerweile 1200 Mitarbeiter beschäftige. Anfangs sei Pildner-Steinburg selbst skeptisch gewesen, aber jetzt sehe er Kovats als einen „etablierten Industriellen, an dem man nicht vorübergehen kann“. Es müsse allen klar sein, dass „in der österreichischen Unternehmerschaft eben ein Wandel stattfindet. Die Zeiten sind andere geworden, und daran kann auch die Vereinigung nicht vorbeigehen.“ Er sei froh, dass Kovats der IV beigetreten sei. Dies sei auch in dessen eigenem Interesse: „Als industrieller Unternehmer braucht man Kontakte.“

Dass Kovats als Industriellenvorstand dem Land gleich seinen wirtschaftspolitischen Stempel aufdrücken wird, glaubt Manfred Mautner Markhof, Mitglied des Präsidialrates der österreichischen Vereinigung, freilich eher nicht – und er würde es, wäre es so, spürbar auch nicht goutieren. Mautner Markhof: „Im Vorstand sind ja hundert Leute, das ist ja ein riesiges Gremium.“ In Wahrheit werde die Politik der Vereinigung „letztlich doch nur von einer Hand voll Menschen“ bestimmt. Diese Hand voll finde in Form „kordialer Gespräche“ zu einer gemeinsamen Linie.
Da ist Kovats nicht dabei.

Der weiß freilich, dass man – soll es Erfolge geben – irgendwann anfangen muss, jene harten Bretter zu durchbohren, von denen einst Max Weber sprach. Mit Drang zur „Society“ habe seine Abkehr vom Einzelkämpfertum absolut nichts zu tun, beteuert Kovats erwartbarerweise. Er sei vielmehr zur Erkenntnis gelangt, dass man „innerhalb des Systems“ tätig werden müsse, wenn es einem – wie ihm – ein „Anliegen“ sei, „Österreich als wohlhabendes Industrieland zu erhalten“. Er wolle im Vorstand der Vereinigung österreichischer Industrieller diesbezüglich „konkrete Vorschläge“ einbringen. Derlei Beweggründe darlegend, kommt Kovats schließlich auch auf die Person des Präsidenten zu sprechen. Er streut Veit Sorger Rosen: „Für mich hat er mit seinen Meinungsäußerungen zur Industriepolitik einen Anstoß gegeben, mich für eine Mitarbeit in der Industriellenvereinigung zu interessieren.“

Industrielle wollen wissen, dass auch eine namhafte Geldzuwendung von Kovats an die IV solch wechselseitigem Wohlwollen nicht abträglich gewesen sei.

Kovats-Partner Ronny Pecik ist dennoch keineswegs der Ansicht, „dass Mirko Kovats im Begriff ist, sich grundlegend zu verändern“. Dessen bisheriges Outsider-Image rühre bloß daher, „dass er nie Zeit hatte, sich in den Salons zu bewegen“, und außerdem sei Kovats „früher von einzelnen Leuten immer angeschwärzt worden“. „Im Hintergrund“ habe Kovats schon immer über ausgezeichnete Kontakte verfügt – die habe er, so Pecik, „bloß nie an die große Glocke gehängt“.

Gefragt, ob er künftig in Wiener Salons verkehren und in Gutsherrengesellschaft zur Jagd gehen werde, wie dies unter maßgeblichen Industriellen dieses Landes der Brauch ist, ruft Mirko Kovats abwehrend „nein, nein, nein“ – um die so demonstrierte Aversion freilich gleich durch die Bemerkung abzuschwächen, man solle „niemals nie sagen“. Erst einmal habe er gegenwärtig überhaupt keine Zeit, und die Wochenenden gehörten der Familie. Zweitens sei er kein Jäger: „Ich habe den Jagdschein gemacht, war einmal auf einer Jagd und habe dort wahrscheinlich sogar einen Hasen getroffen. Das hat mir so gereicht, dass ich die Sache sofort wieder an den Nagel gehängt habe.“ Diskreten Geschäftsgesprächen am Hochstand könne er demzufolge wenig abgewinnen.

Salons. Auch für die Rolle als Flaneur in den Salons scheint er nicht unbedingt geeignet zu sein, zählt doch die Kunst der schwerelos-geistreichen Plauderei eher nicht zu seinen Stärken. Ganz abgesehen davon, dass es zum Besuch von wirklich elitären Circles auch entsprechender Einladungen bedarf.

Während also die Pläne für Kovats’ nun anbrechendes Gesellschaftsleben für die nächste Zeit noch vage erscheinen, weiß er eines schon sehr genau – und das liegt noch weit in der Zukunft: „Ich will, dass meine Söhne nach Harvard gehen. Wenn ich sie davon überzeugen kann, dann bin ich in neun Jahren für ein halbes Jahrzehnt weg von Wien: Dann übersiedelt nämlich die ganze Familie vorübergehend nach Boston.“ Auch dort gebe es schließlich Investoren und Geschäftsmöglichkeiten. Er habe da keine Sorge: Auch dort werde ihm geschäftlich „schon was einfallen“.

Von Liselotte Palme
Mitarbeit: Julia Heuberger